Peuplierung

planmäßige Besiedlung eines Gebietes

Peuplierung bezeichnet die planmäßige Besiedlung eines nicht oder vergleichsweise dünn besiedelten Gebietes; sie ist somit eine Maßnahme der Bevölkerungspolitik.[1] Im engeren Sinne meint Peuplierungspolitik eine im 17. bis 18. Jahrhundert praktizierte Methode zur Besiedlung etwa durch Krieg oder Seuchen entvölkerter Gebiete. Der Begriff ist über französisch peuple ‚Volk‘ von lateinisch populus abgeleitet.[2]

Gründe Bearbeiten

Praktisch alle Peuplierungsmaßnahmen der Geschichte lassen sich vier Gründen zuordnen:

  • Militärisch: Die neu angesiedelte Bevölkerung soll als potentielle Streitmacht eine Besetzung oder Durchquerung des Gebietes durch feindliche Kräfte verhindern; die Peuplierung geht dann meist einher mit der Schaffung militärischer Strukturen (Siedler werden bewaffnet und militärisch ausgebildet).
  • Wirtschaftlich: Nutzbarmachung von Landwirtschaftsflächen, Bodenschätzen oder Energiequellen; Ansiedlung von handwerklichem und technischem Fachwissen
  • Verkehrstechnisch: Landverkehrsverbindungen benötigen ein Minimum an Personal, um beispielsweise Herbergen oder Eisenbahnen zu betreiben. Um dieses Personal nicht auf Dauer „von fern“ versorgen zu müssen, benötigen die vorhandenen Ansiedlungen eine gewisse Mindestgröße für wirtschaftliche Autarkie.
  • Bevölkerungspolitisch: Vermeidung extremer Bevölkerungskonzentrationen (und eventuell sozialer Spannungen), wenn anderswo ausreichend Land zur Verfügung steht (Beispiel: Pionierzeit in den USA).

Dabei gab häufig eine Kombination mehrerer Zwecke den Anstoß. Ein Beispiel ist die Gründung des Staates Israel. Hier suchten einerseits Menschen eine neue Heimat, andererseits sollte das Staatsgebiet militärisch gesichert und wirtschaftlich erschlossen werden (siehe: Israelische Siedlung).

Motivation und Maßnahmen Bearbeiten

Seit der Gründung von Staatswesen wurde Peuplierung häufig von Regierungen beschlossen. Je nach politischem System und äußeren Bedingungen wurden die Betroffenen auf unterschiedliche Weise zur Umsiedelung gebracht:

  • Zwang: Die Umsiedelung in die zu besiedelnden Gebiete wird befohlen oder Menschen werden gewaltsam dorthin transportiert, mitunter auch als Strafe. Beispiele: Besiedelung der Region Sibirien oder der Strafkolonie Australien.
  • Einräumung von Rechten: Ausländische Flüchtlinge oder auch Sträflinge erhalten Bürgerrechte, wenn sie sich in dem angewiesenen Gebiet ansiedeln. Beispiel: Zuwanderung von Juden und Hugenotten in die Ostgebiete Preußens, die Besiedlung der Militärgrenze des Habsburgerreiches.[3]
  • Soziale und wirtschaftliche Anreize: Die Bewohner des zu bevölkernden Gebietes erhalten Prämien, Steuervorteile oder besondere Sozialleistungen, um freiwillige Umzüge zu befördern. Beispiel: In Skandinavien wird in den dünn besiedelten, aber rohstoffreichen Nordregionen besonders viel Geld für Sozialleistungen bereitgestellt.

Historische Anlässe Bearbeiten

Peuplierungen waren selten das ausschließliche Ergebnis politischer Planung, typischerweise wurden sie durch äußere Einflüsse angeregt:

  • Kriegerischer oder friedlicher Zugewinn von Territorien, die gesichert und genutzt werden sollten (wie Kolonien)
  • Entdeckung neuer Gebiete (Beispiel: Amerika)
  • Entdeckung von Rohstoffen oder steigender Bedarf
  • örtliche Überbevölkerung
  • Entvölkerung durch Epidemien oder Kriege

Geschichtliche Beispiele Bearbeiten

Im Zeitalter des Absolutismus dienten Peuplierungsmaßnahmen zugleich einer merkantilistischen Wirtschaftspolitik. Solchen Zielen diente auch die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, was beispielsweis durch Steuererleichterungen oder die Gewährung von Religionsfreiheit geschah. Letztere hatte den Vorteil, dass sie nicht nur einzelne Personen oder Familien, sondern gleich ganze Glaubensgemeinschaften zur Ansiedlung bewegen konnte. Ein frühes Beispiel dafür war die Grafschaft Wied: Die Grafen betrieben seit 1662 eine systematische Toleranzpolitik gegenüber Glaubensflüchtlingen, darunter Hugenotten, Mennoniten, Herrnhuter und Inspirierte, um ihre neu gegründete Residenzstadt Neuwied schnell zu besiedeln.[4]

Von den größeren deutschen Staaten setzte vor allem Brandenburg-Preußen auf religiöse Toleranz als Mittel der Peuplierung. Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) erließ 1685 das Edikt von Potsdam, in dem er rund 20.000 aus Frankreich vertriebenen Hugenotten die Aufnahme in seinen Staaten zusicherte. Dazu kamen Einwanderer aus den Niederlanden und der Schweiz. Seinem Enkel, Friedrich II. von Preußen (1712–1786), nach dem die Friderizianische Kolonisation benannt ist, wird folgendes Zitat zugeschrieben: „Alle Religionen seindt gleich und guth, wan nuhr die leute, so sie profesiren, Ehrlige leute seindt, und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land pöplieren, so wollen wir sie Mosqueen und Kirchen bauen“.[5]

Literatur Bearbeiten

  • Klaus-Peter Decker: Gewissensfreiheit und Peuplierung. Toleranzhaltung und Wirtschaftspolitik in den Ysenburger Grafschaften im 18. Jahrhundert. Geschichtswerkstatt Büdingen, Büdingen 2018, ISBN 978-3-939454-94-6.
  • Charlotte Haver: Das Experiment des Königs. Europäische Migration und die Peuplierung Preußens am Beispiel der Salzburger Emigranten. In: Mathias Beer, Dittmar Dahlmann (Hrsg.): Über die trockene Grenze und über das offene Meer. Binneneuropäische und transatlantische Migrationen im 18. und 19. Jahrhundert. Klartext-Verlag, Essen 2004, ISBN 3-89861-365-8, S. 67–89.
  • Hans-Christof Kraus: Kriegsfolgenbewältigung und „Peuplierung“ im Denken deutscher Kameralisten des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Matthias Asche, Michael Herrmann, Ulrike Ludwig, Anton Schindling (Hg.): Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit. Lit, Berlin 2008, ISBN 3-8258-9863-6, S. 265–279.
  • Ulrich Niggemann: „Peuplierung“ als merkantilistisches Instrument. Privilegierung von Einwanderern und staatlich gelenkte Ansiedlungen. In: Jochen Oltmer (Hg.): Handbuch Staat und Migration in Deutschland seit dem 17. Jahrhundert. De Gruyter Oldenbourg, Berlin 2016, ISBN 978-3-11-034528-5, S. 171–218.
  • Peter Rauscher: „Impopulation“ und „Peuplierung“. Der Beginn staatlicher Bevölkerungspolitik von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Habsburgermonarchie und Brandenburg-Preußen im Vergleich. In: Joseph S. Freedman (Hg.): Die Zeit um 1670. Eine Wende der europäischen Geschichte und Kultur? (= Wolfenbütteler Forschungen. Bd. 142). Harrassowitz, Wiesbaden 2016, ISBN 978-3-447-10389-3, S. 135–162.
  • Stefan Volk: Peuplierung und religiöse Toleranz. Neuwied von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Rheinische Vierteljahrsblätter, Jg. 55 (1991), S. 205–231.
  • René Wiese: Peuplierung in Mecklenburg. Leistungen und Grenzen der Büdneransiedlung im 18. Jahrhundert. In: Matthias Manke, Ernst Münch (Hrsg.): Verfassung und Lebenswirklichkeit. Der Landesgrundgesetzliche Erbvergleich von 1755 in seiner Zeit (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Mecklenburg, N. F., Bd. 1). Schmidt-Römhild, Lübeck 2006, ISBN 3-7950-3742-5, S. 261–278.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Hans-Christof Kraus: Kriegsfolgenbewältigung und „Peuplierung“ im Denken deutscher Kameralisten des 17. und 18. Jahrhunderts. In: Matthias Asche, Michael Herrmann, Ulrike Ludwig, Anton Schindling (Hg.): Krieg, Militär und Migration in der Frühen Neuzeit. Lit, Berlin 2008, S. 265–279.
  2. Brockhaus, F. A.: Das große Fremdwörterbuch. Brockhaus Enzyklopädie, Leipzig 2001, ISBN 3-7653-1270-3, S. 1025.
  3. Peter Rauscher: „Impopulation“ und „Peuplierung“. Der Beginn staatlicher Bevölkerungspolitik von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. Die Habsburgermonarchie und Brandenburg-Preußen im Vergleich. In: Joseph S. Freedman (Hg.): Die Zeit um 1670. Eine Wende der europäischen Geschichte und Kultur?. Harrassowitz, Wiesbaden 2016, S. 135–162.
  4. Stefan Volk: Peuplierung und religiöse Toleranz. Neuwied von der Mitte des 17. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts. In: Rheinische Vierteljahrsblätter, Jg. 55 (1991), S. 205–231.
  5. Helmut Kiesel: Problem und Begründung der Toleranz im 18. Jahrhundert. In: Horst Rabe u. a. (Hrsg.): Festgabe für Ernst Walter Zeeden zum 60. Geburtstag am 14. Mai 1976, Münster 1976, S. 370–385, S. 380