Methoxyessigsäure
Methoxyessigsäure ist ein Derivat der Essigsäure, bei dem ein Wasserstoff an der Methylgruppe durch eine Methoxygruppe ersetzt ist. Wie der veraltete Name Methylglycolsäure andeutet, kann Methoxyessigsäure als einfachste Ethercarbonsäure auch als Methylether der Glycolsäure aufgefasst werden.
Strukturformel | |||||||||||||||||||
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Allgemeines | |||||||||||||||||||
Name | Methoxyessigsäure | ||||||||||||||||||
Andere Namen |
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Summenformel | C3H6O3 | ||||||||||||||||||
Kurzbeschreibung |
klare farblose viskose Flüssigkeit mit stechendem Geruch[1][2] | ||||||||||||||||||
Externe Identifikatoren/Datenbanken | |||||||||||||||||||
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Eigenschaften | |||||||||||||||||||
Molare Masse | 90,08 g·mol−1 | ||||||||||||||||||
Aggregatzustand |
flüssig[2] | ||||||||||||||||||
Dichte | |||||||||||||||||||
Schmelzpunkt |
7–9 °C[1] | ||||||||||||||||||
Siedepunkt |
202–204 °C[1] | ||||||||||||||||||
Dampfdruck | |||||||||||||||||||
pKS-Wert |
3,57[4] | ||||||||||||||||||
Löslichkeit |
löslich in Wasser, in Ethanol und in Diethylether[3] | ||||||||||||||||||
Brechungsindex |
1,4168 (20 °C)[3] | ||||||||||||||||||
Sicherheitshinweise | |||||||||||||||||||
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Zulassungsverfahren unter REACH |
besonders besorgniserregend: fortpflanzungsgefährdend (CMR)[6] | ||||||||||||||||||
MAK |
Schweiz: 1 ml·m−3 bzw. 3,7 mg·m−3[7] | ||||||||||||||||||
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa). Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C |
Wegen ihres erheblichen reprotoxischen Potentials ist Methoxyessigsäure in der Liste der SVHC-Substanzen (substances of very high concern) aufgenommen[6] und nur als Zwischenprodukt im industriellen Einsatz unter streng kontrollierten Bedingungen registriert.
In konsumentennahen Anwendungen, wie z. B. zum Reinigen und Entkalken von Oberflächen, muss die Substanz durch ungefährliche Alternativen substituiert werden.
Herstellung
BearbeitenDie Umsetzung von Monochloressigsäure mit der doppelt molaren Menge Natriummethanolat in Methanol liefert nach Ansäuern mit trockenem Chlorwasserstoff-Gas und Vakuumdestillation Methoxyessigsäure in Ausbeuten um 90 %.[8]
Die Syntheseroute ist ineffizient, da sie von relativ teuren Rohstoffen ausgeht und große Mengen an dem Nebenprodukt Natriumchlorid erzeugt.
Bei der Oxidation von Methylglycol mit konzentrierter Salpetersäure – auch in Gegenwart von Vanadium(V)-oxid – wird Methoxyessigsäure in Ausbeuten von ca. 85 % erhalten.[9]
Nachteilig bei der Reaktion mit (überschüssiger) heißer Salpetersäure ist die Entstehung von nitrosen Gasen, die ebenso wie der Salpetersäureüberschuss durch Zugabe von Harnstoff bzw. Formaldehyd beseitigt werden müssen.
Als im industriellen Maßstab brauchbarstes Verfahren zur Herstellung von Methoxyessigsäure erscheint die Oxidation von Methylglycol mit Luft oder Sauerstoff in Gegenwart von Platinkatalysatoren in relativ hoch konzentrierter (10–30 %) wässriger Lösung bei einem pH-Wert ≤ 7 und Temperaturen um 50 °C mit Produktausbeuten bis 95 % und Raum-Zeit-Ausbeuten von 150 g·l−1·h−1.[10]
Im tierischen und menschlichen Organismus entsteht Methoxyessigsäure durch schnelle Oxidation von 2-Methoxyethanol (Methylglycol)[11] durch Alkoholdehydrogenasen.
Eigenschaften
BearbeitenMethoxyessigsäure ist eine klare, farblose, viskose und korrosive Flüssigkeit mit stechendem Geruch, die bei 7 °C zu einer eisessigartigen Masse erstarrt. Wegen der niedrigen Solvatationsenergie der Methoxygruppe ist Methoxyessigsäure mit einem pKs-Wert von 3,57 stärker sauer als Essigsäure (pKs 4,757) und Glycolsäure (pKs 3,832).[4]
Hochreine Methoxyessigsäure (Reinheit 99,8 %, Erstarrungspunkt 8,4 °C) kann durch mehrstufige Kristallisation des von Säureverunreinigungen befreiten Rohdestillats erhalten werden.[12]
Anwendungen
BearbeitenWegen ihrer reprotoxischen Eigenschaften sind früher gebräuchliche konsumentennahe und industrielle Anwendungen der Methoxyessigsäure als Desinfektionsmittel oder Biozid sowie als Reiniger zur Entkalkung von Oberflächen obsolet. Dies trifft auch auf Substanzen wie z. B. das Lösungsmittel 2-Methoxyethanol oder den PVC-Weichmacher Bis(2-methoxyethyl)phthalat zu, die im Organismus zu Methoxyessigsäure metabolisiert werden.
Als Molekülbaustein in mehrfach jodierten Aromaten fand Methoxyessigsäure früher Verwendung in Röntgenkontrastmitteln.[13]
Methoxyessigsäure hemmt in Laborversuchen das Wachstum von Tumorzellen.[14]
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ a b c Datenblatt Methoxyessigsäure bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 13. April 2015 (PDF).
- ↑ a b c d e f Eintrag zu Methoxyessigsäure in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
- ↑ a b c David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 90. Auflage. (Internet-Version: 2010), CRC Press / Taylor and Francis, Boca Raton FL, Physical Constants of Organic Compounds, S. 3-328.
- ↑ a b E.J. King: The Thermodynamics of Ionization of Amino Acids. V. The Ionization Constants of 3-Methoxy-DL-alanine (O-Methylserine) and Methoxyacetic Acid. In: J. Amer. Chem. Soc. Band 82, Nr. 14, 1960, S. 3575–3578, doi:10.1021/ja01499a025.
- ↑ Eintrag zu Methoxyessigsäure im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
- ↑ a b Eintrag in der SVHC-Liste der Europäischen Chemikalienagentur, abgerufen am 19. Oktober 2015.
- ↑ Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (Suva): Grenzwerte – Aktuelle MAK- und BAT-Werte (Suche nach 625-45-6 bzw. Methoxyessigsäure), abgerufen am 2. November 2015.
- ↑ Patent US4968840: Process for preparing methoxyacetic acid. Angemeldet am 13. Juli 1989, veröffentlicht am 6. November 1990, Anmelder: Nitrokémia Ipartelepek, Erfinder: P. Agócs, L. Nagy, J. Pelyva, L. Légradi, Z. Kolonics, C. Söptei.
- ↑ Patent DE2832949: Verfahren zur Herstellung von Methoxyessigsäure. Angemeldet am 27. Juli 1978, veröffentlicht am 4. Oktober 1979, Anmelder: Lonza AG, Erfinder: U. Michel.
- ↑ Patent DE2936123A1: Verfahren zur Herstellung von Alkoxyessigsäuren. Angemeldet am 7. September 1979, veröffentlicht am 2. April 1981, Anmelder: Hoechst AG, Erfinder: E.I. Leupold, W. Blau, H. Baltes.
- ↑ C.A. Mebus, F. Welsch: The possible role of one-carbon moieties in 2-methoxyethanol and 2-methoxyacetic acid-induced developmental toxicity. In: Toxicol Appl Pharmacol. Band 99, Nr. 1, 1989, S. 98–109, doi:10.1016/0041-008X(89)90115-4.
- ↑ Patent DE3345807A1: Verfahren zur Herstellung reiner Methoxyessigsäure. Angemeldet am 17. Dezember 1983, veröffentlicht am 27. Juni 1985, Anmelder: Hoechst AG, Erfinder: S. Rittner, K. Riedel.
- ↑ Patent US4364921: Novel triiodinated isophthalic acid diamides as nonionic x-ray contrast media. Angemeldet am 6. März 1980, veröffentlicht am 21. Dezember 1982, Anmelder: Schering AG, Erfinder: U. Speck, P. Blaszkiewicz, D. Seidelmann, U. Klieger.
- ↑ K.R. Parajuli, Q. Zhang, S. Liu, N.K. Patel, H. Lu, S.X. Zeng, G. Wang, C. Zhang, Z. You: Methoxyacetic acid suppresses prostate cancer cell growth by inducing growth arrest and apoptosis. In: Am. J. Clin. Exp. Urol. Band 2, Nr. 4, 2014, S. 300–312, PMID 25606576, PMC 4297326 (freier Volltext).