Die Mennoniten in Westpreußen ließen sich erstmals im 16. Jahrhundert im polnischen Teil Westpreußens nieder. Die mennonitischen Zuwanderer kamen vor allem aus Holland und aus den Frieslanden. Ungeachtet ihrer tatsächlichen Herkunft wurden sie in Westpreußen von den Einheimischen allgemein als „Holländer“ bezeichnet.[1] Dort wurden sie aufgrund ihrer Verweigerung des Militärdienstes als ethnische Außenseiter behandelt und nicht vollständig in die Gesellschaft integriert.[2]

Niederlassungen in Königlich Preußen Bearbeiten

In der Mitte des 16. Jahrhunderts war Königlich Preußen („Preußen Königlichen Anteils“) ein Ort ethnischer und religiöser Vielfalt, was auch die Mennoniten dazu veranlasste, sich dort niederzulassen. Sie siedelten sich in Danzig an, wo sie durch Handel am Hafen ihren Lebensunterhalt verdienten. Der Hafen von Danzig war der wichtigste Umschlagsplatz für den niederländischen Ostseehandel, wodurch die Mennoniten Getreide, Holz und Textilien an niederländische Kaufleute verkaufen konnten. Menno Simons besuchte mehrmals die jungen Gemeinden in Preußen.[3]

Ab 1572 wurden die Mennoniten jedoch gesellschaftlich ausgegrenzt und gezwungen, außerhalb der Stadtmauern von Danzig zu leben.[4] Dort standen sie unter dem Schutz des Bischofs von Kujawien, der den Mennoniten Arbeit als Handwerker verschaffte. Die lokalen Landverwalter begrüßten die Einwanderung von Mennoniten, da sie zur Ankurbelung der Wirtschaft beitrugen. Auch in der Stadt Elbing ließen sich Mennoniten nieder und gründeten dort einen Bruderhof.[5] Am Anfang des 17. Jahrhunderts war die Zahl der mennonitischen Siedler in Westpreußen auf fast 15.000 angewachsen.[6]

Während der Schwedischen Sintflut von 1655 bis 1660 wurden nicht-katholische Konfessionen unterdrückt, was dazu führte, dass auch die Mennoniten zusätzliche Steuern zahlen mussten und ihr Eigentum konfisziert wurde.[2]

Im Königreich Preußen Bearbeiten

Nachdem 1772 die erste Teilung Polens durchgeführt worden war, lebten die Mennoniten, die etwa 3 % der Bevölkerung ausmachten, im Königreich Preußen. In der Marienburg huldigte eine Delegation der Mennoniten den Vertretern ihres neuen Landesherrn.[7] Sie waren besorgt um ihre Religionsfreiheit, die sie in Polen genossen hatten. Daher verhandelten sie mit Johann Friedrich von Domhardt, dem Präsidenten der Kriegs- und Domänenkammern in Gumbinnen und in Königsberg, der mit dem Aufbau der preußischen Verwaltung in Westpreußen beauftragt war. Der Empfehlung Domhardts folgend, gewährte König Friedrich II. den Mennoniten uneingeschränkte Religionsfreiheit. Im Gegenzug zur Befreiung von der Wehrpflicht erklärten sie sich zu einer jährlichen Zahlung von 5000 Reichstalern bereit.[8] Das entsprach – abgerundet – einem Betrag von 1 Reichstaler für jeden wehrfähigen Mann.[9] 1774 trafen sich Vertreter der mennonitischen Gemeinden in Heubuden bei Marienburg und vereinbarten für die Mennoniten, die in den 1772 preußisch gewordenen Gebieten siedelten, eine interne Steuer, um die jährliche Gebühr für die Befreiung von der Wehrpflicht aufzubringen.[10]

Aufgrund weiterer preußischer Gesetze, die die Bürgerrechte der Mennoniten einschränkten, wanderten ab 1788 viele Mennoniten aus Westpreußen nach Russland aus. Besonders während der Napoleonischen Kriege litten die Mennoniten, da sie in dem Gebiet lebten, in dem Napoleon seine Truppen für einen Angriff auf Russland bereithielt, und sie somit täglicher Unterdrückung ausgesetzt waren. Sie entgingen der Wehrpflicht, die Preußen im Zuge des Konflikts mit Napoleon erlassen hatte, nur durch Zahlung von 30.000 Reichstalern und 500 Pferden.

1848 wurde während der Frankfurter Nationalversammlung die unumstößliche Wehrpflicht für die Mennoniten festgelegt. Da die dort entworfene Verfassung jedoch nie in Kraft trat, wurden die Mennoniten nie zum Dienst eingezogen. Im 19. Jahrhundert wurden die Mennoniten von anderen Glaubensströmungen, wie der Erweckungsbewegung, beeinflusst, was zu einer Änderung ihrer Glaubenssätze führte.[2]

Im Deutschen Reich Bearbeiten

Nach der Gründung des Deutschen Reiches wurden die Mennoniten mit einer unumgänglichen Wehrpflicht konfrontiert, was zu erheblicher Unzufriedenheit führte. Die Mennoniten verursachten Unruhe im Deutschen Reich und erlangten schließlich die Möglichkeit, anstelle des Wehrdienstes einen Zivildienst abzuleisten.

Im Jahr 1868 verabschiedete der Reichstag ein Gesetz, das den Mennoniten ihre Bürgerrechte wieder zusprach. Erst im Jahr 1927 wurden ihnen auch gleiche Besteuerungsrechte gewährt.

Dennoch herrschte unter den Mennoniten eine anhaltende Unzufriedenheit, was zu einer Auswanderungsbewegung in die USA und nach Russland führte, an der sich etwa 15 % der Mennoniten beteiligten. Diese Auswanderungsbewegung hielt bis in die 1880er Jahre an.[2]=

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

in der Reihenfolge des Erscheinens

  • Wilhelm Crichton: Zur Geschichte der Mennoniten. Gottlieb Leberecht Hartung, Königsberg 1786, S. 16–34 und 38–44 (Digitalisat der Eberhard Karls Universität Tübingen).
  • Wilhelm Mannhardt: Die Wehrfreiheit der altpreußischen Mennoniten. Eine geschichtliche Erörterung. Verlag von Hermann Hemmpels Witwe, Marienburg 1893.
  • Hermann G. Mannhardt: Die Danziger Mennonitengemeinde. Ihre Entstehung und ihre Geschichte von 1569–1919. Denkschrift zur Erinnerung an das 350jährige Bestehen der Gemeinde und an die Jahrhundertfeier unseres Kirchenbaus am 14. September 1919. John & Rosenberg, Danzig 1919.
  • Herbert Wiebe: Das Siedlungswerk niederländischer Mennoniten im Weichseltal zwischen Fordon und Weissenberg bis zum Ausgang des 18. Jahrhunderts. Johann-Gottfried-Herder-Institut, Marburg 1952.
  • Karl-Heinz Ludwig: Zur Besiedlung des Weichseldeltas durch die Mennoniten. Die Siedlungen der Mennoniten im Territorium der Stadt Elbing und in der Ökonomie Marienburg bis zur Übernahme der Gebiete durch Preußen 1772. Johann-Gottfried-Herder-Institut, Marburg 1961.
  • Horst Penner: Die ost- und westpreußischen Mennoniten in ihrem religiösen und sozialen Leben, in ihren kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen. Mennonitischer Geschichtsverein, 1978 und 1987.
    • Bd. 1: 1526 bis 1772. Weierhof 1978, ISBN 3-921881-01-3.
    • Bd. 2: Von 1772 bis zur Gegenwart. Kirchheimbolanden 1987.
  • Horst Penner, Peter J. Foth: Art. West Prussia. In: Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online (GAMEO), 1989 (online, abgerufen am 22. Juni 2023).
  • Edmund Kizik: Mennonici w Gdańsku, Elblągu i na Żuławach Wiślanych w drugiej połowie XVII i XVIII wieku. Studium z dziejów małej społeczności wyznaniowej. Gdańskie Wydawnictwo Oświatowe, Danzig 1994, ISBN 83-85843-10-8 (Übersetzung des polnischen Titels: Die Mennoniten in Danzig, Elbing und im Weichselwerder in der zweiten Hälfte des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Eine Studie über die Geschichte einer kleinen religiösen Gemeinschaft).
  • Erwin Wittenberg, Manuel Janz: Geschichte der mennonitischen Siedler in Preußischen Litauen. In: Mennonitische Geschichtsblätter (MGBl.), Jg. 74 (2017), S. 73–97.
  • Mark Jantzen: Art. Westpreußen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Mennonitisches Lexikon, Band 5: Revision und Ergänzung, Teilband 3: N – Z. Verlag des Mennonitischen Geschichtsvereins, Bolanden-Weierhof 2020, ISBN 978-3-921881-23-1 (online, abgerufen am 22. Juni 2023).

Weblink Bearbeiten

  • Mennoniten beim Verein für Familienforschung in Ost- und Westpreußen

Fußnoten Bearbeiten

  1. Georg Hermanowski: Ostpreußen-Lexikon. Adam Kraft Verlag, Mannheim 1980, ISBN 3-8083-1162-2, S. 206–207.
  2. a b c d Mark Jantzen: Art. Westpreußen. In: Hans-Jürgen Goertz (Hrsg.): Mennonitisches Lexikon, Band 5, Teilband 3.
  3. Ernst Behrends: Der Ketzerbischof. Leben und Ringen des Reformators Menno Simons. Agape-Verlag, Basel 1966, S. 242–243.
  4. Wilhelm Crichton: Zur Geschichte der Mennoniten. Gottlieb Leberecht Hartung, Königsberg 1786, S. 19.
  5. Wilhelm Mannhardt: Die Wehrfreiheit der altpreußischen Mennoniten. Eine geschichtliche Erörterung. Verlag von Hermann Hemmpels Witwe, Marienburg 1893, S. 69–72.
  6. Erwin Wittenberg, Manuel Janz: Mennonite Settlers in Prussian Lithuania. In: Preservings. A Journal of the D. F. Plett Historical Research Foundation, Jg. 2020, Nr. 40, S. 19–26, hier S. 26.
  7. Mark Jantzen: Wealth and Power in the Vistula River Mennonite Community, 1772–1914. In: Journal of Mennonite Studies. Jg. 27 (2009), S. 93–107, hier S. 93.
  8. Mark Jantzen: Wealth and Power in the Vistula River Mennonite Community, 1772–1914. In: Journal of Mennonite Studies. Jg. 27 (2009), S. 93–107, hier S. 94–95.
  9. Mark Jantzen: Wealth and Power in the Vistula River Mennonite Community, 1772–1914. In: Journal of Mennonite Studies. Jg. 27 (2009), S. 93–107, hier S. 95.
  10. Mark Jantzen: Wealth and Power in the Vistula River Mennonite Community, 1772–1914. In: Journal of Mennonite Studies. Jg. 27 (2009), S. 93–107, hier S. 95–96.