Madame Gourdan

französische Bordellbetreiberin

Madame Gourdan, geb. Marguerite Stock[1] (* in Béziers; † 28. November 1783 in Paris), genannt die kleine Comtesse, war eine französische Bordellbetreiberin und Unternehmerin. Über ihre Vornamen gibt es verschiedene Angaben, einige Quellen nennen Alexandrine-Ernestine,[2] andere Marguerite[3][4] auch über ihre Lebensdaten gibt es Unklarheiten, sicher ist nur ihr Todesort und Sterbedatum. Gourdan war eine berühmte und einflussreiche Bordellbetreiberin in Paris.

Marguerite Gourdan († 1783), genannt la petite comtesse

Leben und Wirken Bearbeiten

Sie begann als Verkäuferin in dem Modegeschäft commerce de modes und kam mit einem jungen Offizier nach Paris, von dem sie sich aber bald trennte, um François-Didier Gourdan aus Larzicourt zu heiraten. Im Jahre 1759 gründet Marguerite Gourdan ihr erstes Bordell in der Rue Sainte-Anne. Zu ihren frühen Kunden zählte Chevalier Jean-Baptiste du Barry.[5]

Bordell und Landsitz Bearbeiten

Ihr Bordell namens Chateau de Madame Gourdan befand sich in der rue des Deux Portes[6] an der Ecke der rue Saint-Sauveur[7][8]. Reiche und einflussreichste Politiker, Adelige und sogar Geistliche gingen in ihrem Etablissement ein und aus. Es war eines der größten Bordelle seiner Zeit, auf verschiedene Häuser und sogar Straßenzüge verteilt.[9] Am berüchtigtsten war der Salon de Vulcan; eine abgeschottete schalldichte Folterkammer für BDSM-Spiele. Iwan Bloch beschreibt in seiner Rezension zu Marquis de Sade, wie sich der Schriftsteller und der Sohn des Kardinals Richelieu, Sire de Fronsac, auf einem besonderen Stuhl, der mit Fesseln und sonstigen Zubehör ausgestattet war, in dieser Kammer vergnügten.[10]

Gourdan hatte des Weiteren ein Haus auf dem Lande, das von der Landbevölkerung ironisch das Kloster, monastère genannt wurde und in welches kranke und schwangere Mädchen gebracht wurden, um sich dort „auszukurieren“. Dieses Kloster wird in einem erotischen Text eines anonymen Verfassers namens Mademoiselle Sappho, in dem es um ein naturverdorbenes Bauernmädchen geht, das von lesbischen Adeligen der Tribadinnen-Sekte Secte Anandryne zur Hure gemacht wird, als literarisches Motiv verwendet.[11]

Sexspielzeug Bearbeiten

Gourdan war auf lesbische Kundinnen spezialisiert. Bekannt und begehrt waren ihre kunstvoll gearbeiteten Dildos, hohl und mit einer Öffnung an der Spitze, aus welchen, ähnlich einer Spritztüte Flüssigkeit verspritzt werden konnte. Gourdan war die Erste, die derartige Dildos professionell vertrieb, so dass sie einen regelrechten Dildoversand führte, dessen Replikate noch heute auf verschiedenen Ausstellungen gezeigt werden.

Geschichtliche und literarische Bezüge Bearbeiten

 
Titelblatt der Ausgabe der Correspondance von 1783

Eine besondere Fußnote in der Geschichte sollte ihr eine ihrer besten Huren verschaffen: Unter dem Namen Mademoiselle Lange arbeitete ein junges Mädchen in ihrem Etablissement, das später unter dem Namen Marie-Jeanne Bécu, comtesse du Barry als Mätresse Ludwigs XV. Geschichte schreiben sollte. Im Etablissement von Madame Gourdan lernte die attraktive Marie-Jéanne Jean-Baptiste du Barry kennen. Jener hoffte durch die Vermittlung von Mademoiselle Lange als Mätresse von Ludwig XV. seinen Einfluss am Hofe zu erhöhen, er arrangierte eine Heirat mit seinem Bruder Guillaume du Barry (1732–1811). Der aus dem Languedoc stammende Adelige hatte eine wohlhabende Erbin geheiratet, was seine finanzielle Lage verbesserte und war nach Paris gekommen, um im diplomatischen Dienst zu arbeiten, wozu es jedoch nicht mehr kam.

Gourdans Bordell wurde unter anderem auch als Inspirationsquelle für die Romane des Schriftstellers Marquis de Sade genannt. Sie betrieb die Institution bis zu ihrem Tod.[12]

Kurz nach ihrem Tod veröffentlichte 1783 ein anonymer Verfasser (vermutlich Charles Théveneau de Morande (1741–1805))[13] das pornografische Werk Le Porte-feuille de Madame Gourdan dite La Comtesse (auch unter dem Titel Correspondance de Madame Gourdan dite Petite Comtesse) als Lebensbeschreibung der Madame Gourdan. Die Publikation wurde bis in das 20. Jahrhundert in Liebhaberausgaben immer wieder neu aufgelegt.

Literatur Bearbeiten

  • Anonym: Le Portefeuille de Madame Gourdan. Vermutlich Nachdruck der genannten Erstausgabe von 1783 (von: Anonym, vermutl. Charles Théveneau de Morande), Verlag/Herausgeber unbekannt, London 1783.
  • A. Londres: J. Nourse. Vermutlich Nachdruck der anonymen Ausgabe von Le Portefeuille de Madame Gourdan, Verlag/Herausgeber unbekannt, London 1784,Digitalisat
  • Charles Théveneau de Morande: Correspondance de Madame Gourdan. 1784, Digitalisat
  • Anonym (Madame Gourdan, dite La Comtesse): Correspondance de Madame Gourdan. Limitierter Nachdruck des Werkes J. Nourse von A. Londres, mit einer Einführung von Jean Hervez, Verlag Bibliotheque de Curieux (Hrsg. Georges u. Robert Briffaut), Paris 1924, 188 S.
  • Anonym (Madame Gourdan, dite La Comtesse): Correspondance de Madame Gourdan. Nachdruck, Hrsg.: Le Livre Du Bibliophile, Paris 1954, 186 S.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. fälschlich auch als Alexandrine-Ernestine Gourdan benannt
  2. Eroticabibliophile.com, Nr. 25
  3. Blogspirit.com
  4. bandoli.no (Memento vom 14. März 2007 im Internet Archive)
  5. Genealogie des Jean-Baptiste du Barry
  6. Heute N° 23, rue Dussoubs (2 Arrondissement).
  7. Heute um N° 12 rue Saint-Sauveur
  8. La maison close de la Gourdan (Memento vom 24. Dezember 2013 im Internet Archive)
  9. LA SECTE DES ANANDRYNES (Memento vom 24. Dezember 2013 im Internet Archive)
  10. Iwan Bloch: Der Marquis de Sade und seine Zeit. Ein Beitrag zur Cultur- und Sittengeschichte des 18. Jahrhunderts. Mit besonderer Beziehung auf die Lehre von der Psychopathia sexualis (1900, unter dem Pseudonym Eugen Dühren)
  11. Mademoiselle Sappho (Memento vom 12. März 2007 im Internet Archive) – Text der 1789 erschienenen Version, ins Deutsche übertragen von Conrad Heinrich (1907)
  12. Eugen Defrance, La Maison de Madame Gourdan, Paris, 1908
  13. Simon Burrows: A Literary Low-Life Reassessed: Charles Theveneau de Morande in London, 1769–1791. Eighteenth-Century Life - Ausgabe 22, Nummer 1, Februar 1998, S. 76–94