Lokis Schloss (englisch Loki's Castle, norwegisch Lokes slott oder Lokeslottet, benannt nach der Gestalt Loki aus der nordischen Mythologie) ist ein Feld von fünf aktiven Tiefsee-Hydrothermalquellen („Schwarzen Rauchern“) des Mittelatlantischen Rückens (Abschnitt Knipovich-Rücken). Es befindet sich auf 73 Grad nördlicher Breite (73,55° N, 8,15° O) in der Übergangsregion vom Nordatlantik in den Arktischen Ozean zwischen Grönland und Norwegen[1] in einer Tiefe von 2.352 Metern.[2] Die Schlote (en. vents) wurden Mitte Juli 2008 entdeckt und sind die bisher nördlichsten bekannten Schwarzen Raucher.[3] Sie sind von geologischem Interesse, da sie in einer relativ stabilen Region der Erdkruste vorkommen, d. h. einer Region mit geringeren tektonischen Kräften und daher grundsätzlich wenig hydrothermalen Schloten.

Der oberste Meter eines fast 12 m hohen Schlotes bei Lokis Schloss (Mitte Juli 2008). Links ist der Arm eines ferngesteuerten Fahrzeugs zu sehen, der hineingreift, um Flüssigkeitsproben zu nehmen.

Entdeckung Bearbeiten

Die Hydrothermalquellen wurden 2005 von einer 25-köpfigen multinationalen wissenschaftlichen Expedition der Universität Bergen in Norwegen entdeckt, mehr als 220 km weiter im Norden als die bis dahin nördlichsten bekannten Quellen dieser Art. Die Expeditionen 2005 und 2008 wurden beide vom Geologen Rolf Pedersen vom Zentrum für Geobiologie der Universität geleitet, an Bord des Forschungsschiffs G. O. Sars[1] (benannt nach dem norwegischen Meeresbiologen Georg Ossian Sars[4], Stapellauf im Mai 2003.[5]). Die Schlote wurden mit Hilfe eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs geortet.[1]

Aktivität Bearbeiten

Die fünf aktiven Schlote von Lokis Schloss stoßen bis zu 300 °C heißes Wasser aus und sitzen auf einem riesigen Vorkommen von Sulfidmineralien, das an der Basis einen Durchmesser von 250 m und am oberen Ende einen Durchmesser von 90 m hat.[1] Der Ozeanograph Marvin Lilley, ein Mitglied der Expedition von 2008, hat spekuliert, dass es sich um die größte derartige Ablagerung handeln könnte, die jemals auf dem Meeresboden festgestellt wurde.[1] Die aktiven Schlote sind größtenteils von schwarzer Farbe, aber mit Matten weißer Bakterien bedeckt. Die älteren Schlote sind rot gesprenkelt, was auf das Vorhandensein von Ablagerungen von oxidiertem Eisen zurückzuführen ist.[1]

Ökologie Bearbeiten

Diese mattenbildenden Bakterien und anderen Mikroorganismen leben von den Mineralien und weiteren Stoffen, die von den Schloten ausgestoßen werden. Vorläufige Beobachtungen haben gezeigt, dass das warme Gebiet um die Schlote von Lokis Schloss ein marines Ökotop ist, dass mit vielfältigen und offenbar einzigartigen Schlot-Fauna von Mikroorganismen (Ökosystem) besiedelt ist, anders auch als bei anderswo beobachteten Ökosystemen um marine Hydrothermalquellen.[1] Beispielsweise wurden in der Umgebung von Lokis Schloss die Lokiarchaeota, eine systematische Gruppe (Klasse (Biologie) oder Phylum) von Archaeen entdeckt und nach diesem Fundort benannt.[6][7][8]

Der Meeresborstenwurm Nicomache lokii (Maldanidae) gilt als eine Schlüsselart in der Fauna rund um die hydrothermalen Schlote in der Gegend.[9] Diese Spezies ist jedoch nur eine von über zehn hier neu entdeckten Arten.[10]

Metagenomanalysen von Disa Bäckström et al. zeigten 2019, dass es im Gebiet von Lokis Schloss eine ganze Reihe bisher unbekannter Viren (sog. LCVs, Loki’s Castle Viruses), vornehmlich Riesenviren der Klasse Megaviricetes (im Phylum Nucleocytoviricota – NCLDV) geben muss. Es konnten 23 qualitativ hochwertige genomische Bins (en. genomic bins, vgl. Contig/MAG) von neuen NCLDVs, von denen sich

verwandt zeigten (en. „pithovirus-like“, „marseillevirus-like“, „iridovirus-like“, respektive „klosneuvirus-like“). Beispielsweise ist die Iridovirus-ähnliche Gensequenz mit „LCIVAC01“ bezeichnet worden.[11]

Etymologie Bearbeiten

Das Gebiet um die Schlote erhielt den Namen Lokis Schloss (englisch Loki's Castle), da seine Form die Entdecker an ein Fantasieschloss erinnerte. Die Anspielung ist auf die altnordische mythologische Figur des Loki, einen Versteck- und Verwandlungskünstler und listenreichen Trickster. Aus diesem Grund sei Loki „ein angemessener Name für ein Feld, das so schwer zu finden war“, so die Entdecker.[1]

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f g h Scientists Break Record By Finding Northernmost Hydrothermal Vent Field. In: Science Daily. 24. Juli 2008, abgerufen am 25. Juli 2008.
  2. Arctic Circle Vent. University of Washington, 24. Juli 2008, archiviert vom Original am 7. Juni 2011; abgerufen am 25. Juli 2008.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eurekalert.org
  3. Boiling Hot Water Found in Frigid Arctic Sea. LiveScience, 24. Juli 2008, abgerufen am 24. Juli 2021.
  4. Background about the G.O. Sars. Universität Bergen, archiviert vom Original am 8. Mai 2012; abgerufen am 17. März 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.uib.no Memento vom 8. November 2015 im WebArchiv.
  5. G.O. Sars. Norwegian Institute of Marine Research, archiviert vom Original am 18. April 2010; abgerufen am 24. Juli 2021.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.imr.no Memento vom 11. Mai 2009 im WebArchiv
  6. Steffen Leth Jørgensen, Bjarte Hannisdal, Anders Lanzen, Tamara Baumberger, Kristin Flesland, Rita Fonseca, Lise Øvreås, Ida H. Steen, Ingunn H. Thorseth, Rolf B. Pedersen, Christa Schleper: Correlating microbial community profiles with geochemical data in highly stratified sediments from the Arctic Mid-Ocean Ridge. In: PNAS. 109. Jahrgang, Nr. 42, 5. September 2012, S. E2846–55, doi:10.1073/pnas.1207574109, PMID 23027979, PMC 3479504 (freier Volltext) – (englisch).
  7. Steffen Leth Jørgensen, Ingunn H. Thorseth, Rolf B. Pedersen, Tamara Baumberger, Christa Schleper: Quantitative and phylogenetic study of the Deep Sea Archaeal Group in sediments of the Arctic mid-ocean spreading ridge. In: Frontiers in Microbiology. 4. Jahrgang, 4. Oktober 2013, S. 299, doi:10.3389/fmicb.2013.00299, PMID 24109477, PMC 3790079 (freier Volltext) – (englisch).
  8. Anja Spang, Jimmy H. Saw, Steffen L. Jørgensen, Katarzyna Zaremba-Niedzwiedzka, Joran Martijn, Anders E. Lind, Roel van Eijk, Christa Schleper, Lionel Guy, Thijs J. G. Ettema: Complex archaea that bridge the gap between prokaryotes and eukaryotes. In: Nature. 521. Jahrgang, Nr. 7551, Mai 2015, ISSN 1476-4687, S. 173–179, doi:10.1038/nature14447, PMID 25945739, PMC 4444528 (freier Volltext), bibcode:2015Natur.521..173S (englisch).
  9. Viktig og svovelkjær børstefyr, forskning.no, 2011. Memento vom 24. September 2011 im WebArchiv (norwegisch)
  10. Fant nye arter i Arktis, uib.no, November 2011. Memento vom 25. August 2019 im WebArchiv (norwegisch)
  11. Disa Bäckström, Natalya Yutin, Steffen L. Jørgensen, Jennah Dharamshi, Felix Homa, Katarzyna Zaremba-Niedwiedzka, Anja Spang, Yuri I. Wolf, Eugene V. Koonin, Thijs J. G. Ettema; Richard P. Novick (Hrsg.): Virus Genomes from Deep Sea Sediments Expand the Ocean Megavirome and Support Independent Origins of Viral Gigantism. (Memento des Originals vom 17. April 2021 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/mbio.asm.org In: mBio, Band 10, Nr. 2, 5. März 2019, doi:10.1128/mBio.02497-18, PMID 30837339

Weblinks Bearbeiten

Koordinaten: 73° 33′ 0″ N, 8° 9′ 0″ O