Das Lavandia-Syndrom (englisch Lavender Town Syndrome) ist eine moderne Sage basierend auf der ersten Generation der Pokémon-Spielereihe. Diese besagt, dass die Musik, welche in der Stadt Lavandia gespielt wird, verantwortlich für den Suizid hunderter Kinder in Japan im Frühjahr des Jahres 1996 sei.

Hintergrund Bearbeiten

Die Hintergrundmusik, die bei Erreichen der Stadt Lavandia in der ersten Generation der Pokémon-Spiele gespielt wird, wurde im Jahr 2012 von der Horror spezifizierten Webseite Bloody Disgusting zum zweitgruseligsten in einem Videospiel verwendeten Track gewählt. Ausschlaggebend für die Platzierung war für Brittany Vincent, dass der „täuschend ruhige Klang vielen Spielern als eine der furchterregendsten Kindheitserinnerungen darstelle.“[1] Die Musik der Stadt Lavandia wurde von Jun’ichi Masuda komponiert und kombiniert scharfe Chiptune-Klänge mit einer „Aneinanderreihung erschütternder Akkorde“ um eine unheimliche Atmosphäre zu erzeugen.[1]

Im Jahr 2010 veröffentlichte ein anonymer Nutzer der Webseite Pastebin eine Creepypasta, welche besagt, dass die Musik im Frühjahr des Jahres 1996 über 100 Kinder in Japan in den Suizid zwang.[2][3] Andere Kinder hingegen erlitten Nasenbluten, Kopfschmerzen, Halluzinationen, Panikattacken, Schlafstörungen oder verhielten sich irrational aggressiv.[4] Laut dieser modernen Sage haben binaurale Beats die Gehirne der Kinder geschädigt,[4] wobei Erwachsene hingegen eine Immunität aufwiesen.[5][6] Die so fabrizierte Krankheit wurde Lavandia-Syndrom genannt und verbreitete sich binnen kürzester Zeit rapide im Internet, unter anderem durch Seiten wie 4chan.[7]

Ein ebenfalls im Jahr 2010 veröffentlichtes Video zeigte eine grafische Darstellung der Musik, dessen Grafik gegen Ende die Formen des Pokémon Icognito, die gemeinsam den Satz leave now (Deutsch etwa „Geh jetzt“) bilden. Obwohl dieses Pokémon offiziell erst in der zweiten Generation eingeführt wurde, fanden sich auf den Vorgänger-Editionen verworfene Dateien mit Daten von Icognito.[8]

Mit der Zeit haben viele Leute weitere Details hinzugefügt, um die Erzählung glaubhafter darzustellen. So wurden etwa mithilfe des Bildbearbeitungsprogramms Photoshop Bilder von Gespenstern in Spektrogramme der Lavandia-Musik hinzugefügt.[9] Mark Hill von Kill Screen beschrieb, dass der Reiz an dem Lavandia-Syndrom durch das Verderben von unschuldigen Symbolen der Kindheit komme und vergleicht dies mit der Episode Dennō Senshi Porigon, einer Episode des Pokémon-Anime, die in Japan bei hunderten Kindern epileptische Anfälle verursachte.[10][11][12]

Reaktion Bearbeiten

Für eine Ereignung des vermeintlichen Vorfalls gibt es bis heute keine Belege. Auch gibt es keine Zahlen, die auf eine erhöhte Suizidrate in dem besagten Zeitraum hinweisen.[8]

Weblinks Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b MolotovCupcake: The 10 Scariest Video Game Music Tracks. Bloody Disgusting, 31. Juli 2012, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. April 2017; abgerufen am 27. November 2018.
  2. Markus Böhm: Creepypasta: Gruselgeschichten aus Internetforen. Spiegel Online, 10. April 2014, abgerufen am 26. November 2018.
  3. Decoding the mystery of "Lavender Town Syndrome" and the "Lavender Tone". Pastebin, 11. Juli 2010, abgerufen am 26. November 2018.
  4. a b Luise Bär: Training für das Studium. Weser-Kurier Online, 28. Mai 2014, abgerufen am 26. November 2018.
  5. Thomas Porwol: Die absurdesten Verschwörungstheorien in Videospielen. Techbook, 15. September 2017, abgerufen am 26. November 2018.
  6. Janna Tillmann: Pokémon – Die Wahrheit hinter den bekannten Mythen. Gamepro, 4. Mai 2017, abgerufen am 26. November 2018.
  7. Rainer Sigl: Achtung: In diesen Videospielen spukt es! DerStandard, 12. August 2018, abgerufen am 26. November 2018.
  8. a b Malte Eichelbaum: Wahr oder falsch? #2: 200 tote Kinder durch Pokémon? Spieletipps.de, 22. Juli 2012, abgerufen am 26. November 2018.
  9. Jay Hathaway: Lavender Town: The Bizarre Pokémon Child-Suicide Conspiracy Theory. Gawker, 12. März 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 21. Oktober 2016; abgerufen am 27. November 2018.
  10. Mark Hill: The Lingering Appeal of Pokémon's Greatest Ghost Story. Kill Screen, 25. Februar 2016, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 14. März 2016; abgerufen am 27. November 2018.
  11. Patricia Hernandez: Pokémon’s Creepy Lavender Town Myth, Explained. Kotaku, 23. Oktober 2015, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Februar 2017; abgerufen am 27. November 2018.
  12. David Molke: Pokémon – Hat die Anime-Serie in den 90ern wirklich Epilepsie-Anfälle ausgelöst? Gamepro, 1. Juni 2017, abgerufen am 26. November 2018.