Lügenmuseum
Das Lügenmuseum (auch: Lüseum) ist ein privates Gesamtkunstwerk und Museum für zeitgenössische Kunst in Radebeul bei Dresden. Es wurde am 1. April 1990 vom Objektkünstler Reinhard Zabka in der Ostprignitz gegründet und ist heute im ehemaligen Gasthof Serkowitz untergebracht. Das Museum verbindet Elemente von zeitgenössischer Kunst, romantischer Ironie, historischer Sammlungen (z. B. Raritätenkabinett, Wunderkammer) und Kunsthandwerk mit musealen Formen und politischer Bildung.
Gebäude des Museums | |
Daten | |
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Ort | Radebeul, Deutschland ![]() |
Art | |
Eröffnung | 2012 |
Betreiber |
Dorota und Reinhard Zabka
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Leitung |
Dorota und Reinhard Zabka
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Website | |
ISIL | DE-MUS-443214 |
Geschichte
BearbeitenDas Lügenmuseum wurde 1990 in einer Bauernkate in der Ostprignitz gegründet. 1997 zog es in das Gutshaus Gantikow in Brandenburg. Seit 2012 ist es im Gasthof Serkowitz in Radebeul ansässig, einem über 700 Jahre alten, denkmalgeschützten Gebäude, das von der Stadt zur Verfügung gestellt und mit öffentlichen Mitteln saniert wurde. In den vergangenen Jahrzehnten haben über 250 Künstlerinnen und Künstler im Museum gearbeitet.
Konzept
BearbeitenDas Museum versteht sich als fiktionales Museum. Es bildet ein radikales Gesamtkunstwerk, indem es Elemente eines Kunstmuseums, eines Heimatmuseums, eines Künstlerhauses, offener Ateliers und soziokultureller Räume miteinander kombiniert. In 16 thematisch gestalteten Räumen werden Lichtinstallationen, kinetische Objekte, Fundstücke, Klangräume und inszenierte Alltagsobjekte präsentiert.
Die künstlerische Praxis ist beeinflusst von Dada, Fluxus und der Idee des erweiterten Kunstbegriffs. Die Bezeichnung „Lügenmuseum“ verweist auf bewusst fiktionalisierte Darstellungen, die zur Reflexion über Wahrheit, Erinnerung und gesellschaftliche Konstruktionen anregen sollen. Fiktive Figuren wie „Emma von Hohenbüssow“ und „Richard von Gigantikow“ – Alter Egos des Künstlers – treten in den Ausstellungen auf.
Trägerschaft und Ausrichtung
BearbeitenDas Museum wird vom gemeinnützigen Verein Kunst der Lüge e. V.[1][2] getragen und durch einen Freundeskreis unterstützt. Es versteht sich als Ort kultureller Selbstermächtigung (Empowerment), partizipativer Vermittlungsarbeit und politischer Bildung. Neben den Ausstellungen finden Workshops, Performances und Veranstaltungen statt.
Vermittlung und Nachhaltigkeit
BearbeitenDas Museum verfolgt einen experimentellen und inklusiven Vermittlungsansatz. Besuchende werden ermutigt, die Installationen interaktiv zu erleben und eigene Deutungen einzubringen. Nachhaltigkeit spielt eine zentrale Rolle, etwa durch ressourcenschonende Praxis und die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren und Akteurinnen.
Debatte um den Standort
BearbeitenIm Jahr 2024 kündigte die Stadt Radebeul dem Museum das Nutzungsverhältnis im Gasthof Serkowitz.[3] Dies löste eine Debatte über die Rolle unabhängiger Kulturorte aus. Der Museologe Oliver Rump[4] bezeichnete das Museum als eine moderne Form der Wunderkammer und betonte dessen kulturpolitische Relevanz.
Literatur
Bearbeiten- Ahrends, Martin; Stefke, Martin: Kunstaffäre Lügenmuseum e. V, Gantikov. Museen in Brandenburg. Potsdam, Koehler & Amelang GmbH/Museumsverband des Landes Brandenburg e. V., 2009
- Baum, Karin (Gerhardt): Lautes Schweigen in Radebeul. Oder: Sprachlosigkeit, die sprachlos macht. VORSCHAU&RÜCKBLICK. Radebeul, Radebeuler Monatsheft e. V., Juli 2022
- Baum, Karin (Gerhardt): Lügenmuseum bald obdachlos? Keine Kulturkonzeption für Radebeul in Sicht. VORSCHAU&RÜCKBLICK. Radebeul, Radebeuler Monatsheft e. V., Juni 202
- Berzborn, Ursula Maria: Wie konntest du als Künstler die DDR-Bedingungen unterwandern? KuLe Kunst & Leben. Ein Haus in Berlin-Mitte. Berlin, Berzborn & Weismann GbR und Revolver Publishing, 2016
- Dwars, Jens-Fietje: Kein Museum, keine Kunst? Palmbaum. Literarisches Journal aus Thüringen. Jena, Quartus-Verlag, 2/2022
- Finger, Evelyn: Der letzte Dadaist des wilden Ostens. In: Die Zeit 39, 18. September 2008, S. 76.
- Gerlach, Thomas: Das Lügenmuseum – ein neuer Pilgerort im historischen Gasthof Serkowitz. In: Radebeuler Monatshefte e.V. (Hrsg.): Vorschau & Rückblick; Monatsheft für Radebeul und Umgebung. September 2013, S. 12–15.
- Jana, Duran: Lügenmuseum. Wirklich unwirklich. Schräge Museen. Eine Reise zu den skurrilsten Sammlungen der Welt. Köln, DuMont Reiseverlag GmbH & Co KG, 2019
- Lang, Lothar: Berliner Montmartre. Künstler vom Prenzlauer Berg. Berlin, Rütten & Loening, 1991
- Schubert, Thomas: Reinhard Zabka. Ein Museumsmann, aber kein Mann fürs Museum. Zwischen Ausstieg und Aktion. Bielefeld/Berlin, Kerber Verlag, 2014
- Smith, Briana J.: Reinhard Zabka: Playing with the Public. FREE BERLIN: art, urban politics, and everyday life. Cambridge, Massachusetts, 2022
- Todt-Höhndorf Christiane: Lügenmuseum. Museum Kuriosum. Ungewöhnliche Museen in Deutschland. Norderstedt, Books on Demand, Oktober 2015
Weblinks
BearbeitenEinzelnachweise
Bearbeiten- ↑ Lügenmuseum Radebeul I Kunst der Lüge e. V. Abgerufen am 15. Mai 2025.
- ↑ Redaktion: Vorschau und Rückblick – Kunst der Lüge e.V. Abgerufen am 15. Mai 2025.
- ↑ Silvio Kuhnert: Darum setzt die Stadt Radebeul Zabka mit seinem Lügenmuseum vor die Tür. 24. Mai 2024, abgerufen am 16. Mai 2025.
- ↑ Oliver Rump. In: Deutscher Museumsbund e.V. Abgerufen am 15. Mai 2025.