Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski

sowjetischer Raumfahrtpionier (1857-1935)
(Weitergeleitet von Konstantin Ziolkowski)

Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski (russisch Константин Эдуардович Циолковский, wiss. transl. Konstantin Ėduardovič Ciolkovskij, polnisch Konstanty Edward Ciołkowski; * 5.jul. / 17. September 1857greg. in Ischewskoje; † 19. September 1935 in Kaluga) war ein russischer/sowjetischer Erfinder. Er wird zu den Wegbereitern der Raumfahrt und „Raketenpionieren“ gezählt. Ziolkowski war der Begründer der modernen Kosmonautik und gilt als einer der bekanntesten Forscher auf diesem Gebiet. Sein technischer Weitblick wurde jedoch erst gegen Ende seines Lebens bekannt und zur Anregung für viele spätere Wissenschaftler und Techniker.

Konstantin E. Ziolkowski im Jahr 1924

Leben Bearbeiten

 
Konstantin E. Ziolkowski im Jahr 1934 in Kaluga

Ziolkowski wurde 1857 in Ischewskoje im Gouvernement Rjasan als Sohn des polnischstämmigen orthodoxen Forstbeamten Edward Ciołkowski und einer Russin tatarischer Herkunft namens Maria Jumaschowa geboren.[1] Im Alter von zehn Jahren wurde er durch eine Scharlacherkrankung nahezu taub und musste die Schule verlassen. Er bildete sich autodidaktisch weiter und wurde von seiner Familie zum Studium nach Moskau geschickt. Dort studierte er Physik, Astronomie, Mechanik und Geometrie.

Nach drei Jahren wurde Ziolkowski von seinem Vater nach Hause zurückgeholt. Danach gab er in seinem Heimatort Unterricht in Mathematik und Physik, bis er 1882 als Mathematiklehrer an die Kreisschule von Borowsk im Gouvernement Kaluga berufen wurde. Inzwischen hatte er geheiratet und war Vater geworden. Während der russischen Revolution lebte er sehr zurückgezogen.

Von Science-Fiction-Literatur und den Erzählungen Jules Vernes angeregt, begann Ziolkowski selbst Geschichten über interplanetare Raumfahrt zu schreiben. Darin ließ er mehr und mehr physikalische und technische Probleme einfließen und entwickelte sich dabei zum Verfasser theoretischer Abhandlungen. Ab etwa 1885 stellte er eine Vielzahl von Überlegungen zur Realisierung von Raumflügen an, wandte sein Augenmerk dabei auch Ganzmetallluftschiffen zu.

1886 veröffentlichte Ziolkowski die Studie Theoria Aerostatika 1887 entwarf er ein Ganzmetalluftschiff, der 1892 die Aerostat Metallitscheski (Theorie eines Ganzmetall-Luftschiffes) folgte. In den 1880er Jahren entwickelte er ein Konzept für Ganzmetallluftschiffe, welches in den 1930er Jahren als ZMC-2 umgesetzt wurde. Bis zu seinem Tod veröffentlichte er 35 Bücher, Artikel und Schriften zur Luftschiffthematik.

1895 schlug er erstmals einen Weltraumturm und einen Weltraumlift vor. Ziolkowski entwarf 1895 ein Ganzmetallflugzeug.

In einem Zimmer seiner Wohnung baute er den ersten Windkanal Russlands und bestimmte die Luftwiderstände verschiedener Objekte. Zunehmend begann er sich der Raketenforschung zu widmen. Er erkannte, dass die bisher für Feuerwerke und militärische Zwecke verwendeten Feststoffraketen zu schwach sein würden, um den Weltraum zu erreichen. Daher schlug er die Verwendung von flüssigen Raketentreibstoffen (Wasserstoff, Sauerstoff und Kohlenwasserstoffen) vor.

Ziolkowski führte als erster streng wissenschaftliche und grundlegende Untersuchungen zur Raumfahrt- und Raketentechnik durch, die er weiterhin durch systematische Arbeiten über Theorie und Praxis der Raumfahrt vertiefte. Gipfelpunkt seiner Arbeit war die Raketengrundgleichung, die er 1903 in der russischen Zeitschrift Wissenschaftliche Rundschau unter dem Titel Erforschung des Weltraums mittels Reaktionsapparaten veröffentlichte. Neben Arbeiten zum Flüssigkeitsraketentriebwerk, der Kühlung der Brennkammer und der Steuerung der Rakete mittels Strahlruder und Kreiselinstrument stellte er mit der Raketengrundgleichung auch das Prinzip der Mehrstufenrakete auf eine wissenschaftliche Basis. Er befasste sich auch mit Fragen des Betriebs von Raumstationen, der industriellen Nutzung des Weltraums und der Nutzung seiner Ressourcen.

Noch kurz vor seinem Tod war Ziolkowski an der Produktion des sowjetischen Science-Fiction-Films Kosmische Reise beteiligt; einige Filmszenen wurden in seinem Institut gedreht.

Bedeutung und Würdigung Bearbeiten

 
Krater Tsiolkovsky auf der Mondrückseite – aufgenommen von Apollo 13

Mit seinen Ideen war Ziolkowski in visionärer Weise seiner Zeit voraus und fand damit im zaristischen Russland nur geringe Beachtung.

Erst durch die Veröffentlichung von Hermann Oberths Buch Die Rakete zu den Planetenräumen von 1923, welches breite internationale Resonanz auslöste und als eigentliches Geburtsdatum einer nun stetig zunehmenden wissenschaftlichen Beschäftigung mit Raketentechnik und Weltraumfahrt gelten kann, erinnerte sich der russlanddeutsche Autor Friedrich Zander (oft auch Fridrik Tsander genannt) wieder eines Zeitschriftenartikels, den er einst gelesen hatte. Er trat in Kontakt zu Ziolkowski und veröffentlichte ein Buch über dessen Person und Arbeiten, wodurch Ziolkowski einem breiteren russischen und auch internationalen Publikum bekannt wurde. Fortgeführt wurde Ziolkowskis Arbeit von Ari Sternfeld.

Im politischen System der Sowjetunion fanden die Arbeiten Ziolkowskis nunmehr Anerkennung und Unterstützung. Sein Gedankengut wurde außerordentlich populär. So entspricht das Raumschiff im Roman Aëlita des Schriftstellers Alexei Tolstoi fast völlig den Vorstellungen Ziolkowskis.

Zusammen mit Hermann Oberth und Robert Goddard gilt Ziolkowski als Vordenker und Pionier der Raumfahrt. Seine beiden letzten Veröffentlichungen sind das Album der kosmischen Reisen von 1932 und Die höchste Geschwindigkeit bei Raketen von 1935. Es war ihm jedoch nicht vergönnt, die praktische Umsetzung seiner Ideen zu erleben. Ziolkowski prognostizierte den Beginn der Raumfahrt für 1950 (tatsächlich 1947 durch einen suborbitalen Flug eines Aggregat 4 bis auf 109 km Gipfelhöhe mit Roggen- und Baumwollsamen neben Fruchtfliegen[2] sowie 1957 mit Sputnik als erstem Satelliten) und den ersten Menschen im Weltall für 2000 (tatsächlich 1961 mit Juri Gagarin).

Zu Ziolkowskis Ehren wurden ein Krater auf der erdabgewandten Seite des Mondes sowie der Asteroid (1590) Tsiolkovskaja nach ihm benannt. Sein früheres Wohnhaus in Kaluga dient heute als Museum. Die Sowjetunion prägte zudem 1987 zum Gedenken seines 130. Geburtstages aus einer Kupfer-Nickel-Legierung eine 1-Rubel-Münze mit einem Gewicht von ca. 17 Gramm und einem Durchmesser von 31 Millimetern. Die russische Stadt Uglegorsk wurde im Jahr 2015 auf Initiative von Wladimir Putin in Ziolkowski umbenannt. Zu DDR-Zeiten trug die 6. Polytechnische Oberschule im Berliner Stadtteil Marzahn seinen Namen, wurde jedoch nach 1990 umbenannt. Ferner sind in einigen ostdeutschen Städten Straßen nach ihm benannt worden.

In der Antarktis tragen der Ziolkowski-Gletscher, die Ziolkowski-Insel und mittelbar auch der Eisdom Kupol Ciolkovskogo seinen Namen.

Der bekannte russische Science-Fiction-Autor Alexander Beljajew veröffentlichte 1936, also unmittelbar nach Ziolkowskis Tod, das Buch Звезда КЭЦ („Stern KEZ“) über Orbitalstationen, Weltraumspaziergänge, Satelliten und eine Reise zum Mond. KEZ sind die Initialen von Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski, mit dem Beljajew gut bekannt war.[3]

In der DDR erreichte der Raumfahrtpionier durch die Geschichte Ziolkowski weist den Weg im Mosaik von Hannes Hegen (Heft 45 vom August 1960) einen hohen Bekanntheitsgrad.[4]

Zitate Bearbeiten

„Es stimmt, die Erde ist die Wiege der Menschheit, aber der Mensch kann nicht ewig in der Wiege bleiben. Das Sonnensystem wird unser Kindergarten.“

Konstantin Ziolkowski[5]

„Erst kommen das Denken, die Fantasie und die Märchen, dann die wissenschaftliche Berechnung.“

Konstantin Ziolkowski[6]

Werke Bearbeiten

Auf deutsch erschienene Science-Fiction-Werke:

  • Auf dem Monde: Eine phantastische Erzählung (Originaltitel: Na lune, übersetzt von Ena von Baer), (= Das neue Abenteuer, Band 80), Neues Leben, Berlin (Ost) 1956, DNB 364826460.
  • Ausserhalb der Erde: ein klassischer Science-fiction-Roman von Konstantin Eduardovič Ciolkovskij, mit einer Einführung zum Leben und Werk des berühmten russischen Raketen- und Raumfahrtpioniers und erklärende Anmerkungen zum Text von Winfried Petri sowie eigenhändigen Skizzen des Autors (Originaltitel: Vne zemlji, deutsche Übersetzung von Winfried Petri). Heyne, München 1977, ISBN 3-453-30448-9.
  • Leiden und Genie (1916), Die ideale Lebensordnung (1917), Das Genie unter den Menschen (1918), Das lebende Universum (1918), Die Organisation der Menschen auf der Erde (1918), Die Abstufung von Gesetzen für Gemeinschaften unterschiedlicher Kategorien (1919), Neue Erkenntnissphären (1931–1933), Die kosmische Philosophie (1935). In: Boris Groys, Michael Hagemeister (Hrsg.): Die Neue Menschheit. Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts (= stw 1763), Suhrkamp, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-518-29363-8, S. 236–390.

Filmografie Bearbeiten

  • 1935: Kosmische Reise, Drehbuch und beratende Tätigkeit beim letzten sowjetischen Stummfilm Космический рейс (Kosmitscheski reis).

Literatur Bearbeiten

  • Michael Hagemeister: The Conquest of Space and the Bliss of the Atoms – Konstantin Tsiolkovskii, in: Eva Maurer, Julia Richers, Monica Rüthers, Carmen Scheide (Hg.): Soviet Space Culture – Cosmic Enthusiasm in Socialist Societies. Palgrave MacMillan: Houndmills, Basingstoke 2011. S. 27–41.
  • Michael Hagemeister: Konstantin Tsiolkovskii and the Occult Roots of Soviet Space Travel, in: Birgit Menzel, Michael Hagemeister, Bernice Glatzer Rosenthal (Hg.): The New Age of Russia. Occult and Esoteric Dimensions. Sagner: München-Berlin 2012. S. 135–150.
  • Michael Hagemeister: „Der Tod ist eine der Illusionen des schwachen menschlichen Verstandes.“ Konstantin Ciolkovskijs ‚kosmische Philosophie‘, in: Tatjana Petzer (Hg.): Unsterblichkeit. Geschichte und Zukunft des Homo immortalis, S. 17–24. (Interjekte 12/2018). http://www.zfl-berlin.org/publikationen-detail/items/unsterblichkeit.html
  • Thomas Bührke: Lift – off. Die Geschichte der Raumfahrt. Berlin-Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-8270-5260-2.
  • Linus Hauser: Kritik der neomythischen Vernunft Bd. 3. Die Fiktionen der science auf dem Weg in das 21. Jahrhundert. Paderborn 2016. S. 281–297.
  • Nikola Stilijanov Kalicin: Weltraumflüge von Tsiolkowski bis Gagarin. VEB Fachbuchverlag, Leipzig 1961, DNB 452297451.
  • Arkadij Aleksandrovič Kosmodemjanski: Konstantin Eduardowitsch Tsiolkowski (= Biographien hervorragender Naturwissenschaftler, Techniker und Mediziner, Band 43), herausgegeben von D. Goetz, deutsche Übersetzung von Hans Dietrich, Mir, Moskau / Teubner BSB, Leipzig 1979, DNB 800286871.
  • Karl Rezac: Der verrückte Erfinder oder wie sich das Leben des Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski durch eine Haussuchung veränderte, Illustrationen von Eberhard Neumann. Kinderbuchverlag, Berlin (Ost) 1973, DNB 740142666.
  • Brian M. Stableford, John Clute: Tsiolkovsky, Konstantin. In: John Clute, Peter Nicholls: The Encyclopedia of Science Fiction. 3. Auflage (Online-Ausgabe), Version vom 4. April 2017.
  • Peter Stache: Sowjetische Raketen im Dienst von Wissenschaft und Verteidigung. Militärverlag der DDR, Berlin (Ost) 1987, ISBN 3-327-00302-5.
  • A. T. Grigorian: Tsiolkovsky, Konstantin Eduardovich. In: Charles Coulston Gillispie (Hrsg.): Dictionary of Scientific Biography. Band 13: Hermann Staudinger – Giuseppe Veronese. Charles Scribner’s Sons, New York 1976, S. 482–484.
  • Bernd Rohr / Herbert Wiele: Lexikon der Technik Bibliographisches Institut Leipzig, 1986 Verlagslizenz-Nr. 433-130/203/86 Ziolkowski, Konstantin Eduardowitsch S. 634/635.
Biographischer Roman

Weblinks Bearbeiten

Commons: Konstantin Eduardowitsch Ziolkowski – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Zdzisław Brodzki: Lotnictwo. Verlag WNT, Warschau 1979, ISBN 83-204-0005-8
  2. William Beggs: Upper Air Rocket Summary. In: Beggs Aerospace featuring the postwar V2. 20. Februar 1947, abgerufen am 11. Januar 2019 (englisch).
  3. Ksenia Subatschjowa: Ihrer Zeit voraus: Sowjetische Sci-Fi-Autoren und ihre Ideen über die Zukunft. In: Russia Beyond. 12. März 2018, abgerufen am 13. September 2023.
  4. Gilbert Schwarz u. a.: Mosaik von Hannes Hegen 45 – Ziolkowski weist den Weg. In: Mosapedia. 3. April 2023, abgerufen am 13. September 2023.
  5. Markus Lütkemeyer: Fünf Minuten Philosophie: Die Kolumne. (pdf; 1,4 MB) In: Fliege. Ausgabe 8, WS 2007/2008, S. 20, archiviert vom Original am 9. April 2011; abgerufen am 13. September 2023.
  6. Juliette Faure: Unsterbliche Russen. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz. In: Le Monde diplomatique. 13. Dezember 2018, abgerufen am 20. November 2019.