Konrad von Kreuznach

deutscher Lyriker (Minnesänger) und Musiker

Konrad von Kreuznach, Cunze von Crutznach oder Conradus de Crucinaco (* in Kreuznach; † 31. Mai oder 13. Oktober 1368 in Mainz) war ein deutscher Musiker, vielleicht auch ein Lyriker (Minnesänger oder Sangspruchdichter) in der Mitte des 14. Jahrhunderts.

Grabstein des Konrad von Kreuznach, 14. Jahrhundert; Abzeichnung von Johann Lindenschmit, 1806

Meister (magister) Konrad von Kreuznach war ein berühmter Fiedler („sollempnis figellator“). Vermutlich wirkte er unter Erzbischof Gerlach von Nassau als ministrallus (Hof-Spielmann) am erzbischöflichen Hof; er besaß eine jährliche Kornrente von 25 Maltern in Dexheim.[1][2]

 
Jungfrau mit Einhorn, Miniatur aus den Hortus sanitatis, Mainz 1491

Ob er auch als Minnesänger oder Sangspruchdichter zu gelten hat, ist in der Forschung umstritten, da ihm keine Dichtung eindeutig zugeschrieben werden kann. Franz Joseph Bodmann identifizierte 1802 in einem „m[anu]s[crip]to coaevo“ (= zeitgleiche Handschrift; wohl eine Kopie aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts)[3] das MarienliedEin Furst der hat gejaget lange Zit … Ein starck wildes einhorn[4] (RSM 1Rosw/1c)[5] als Werk Konrads von Kreuznach, das „im langen (Ton) Frauenlob(s)[6] gesungen werden sollte.[7] Gotthelf Fischer von Waldheim, dem er das Gedicht übergab, schrieb es jedoch bei der Erstveröffentlichung 1803 trotz eigener Bedenken dem Minnesänger Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob († 1318) selbst zu.[8] Die originale Handschrift, aus der Bodmann auf Konrads Verfasserschaft geschlossen hatte, ist verschollen. In der Überschrift einer Basler Parallelüberlieferung[9][10] erscheint die Herkunftsangabe „roswinn“; ein Lieddichter „Roswin“ ist aber sonst unbekannt.[11] Eher stammt die Überlieferung aus der Stadt Roßwein, in der 1467 eine an der St. Marien-Kirche musikalisch tätige Kalandsbruderschaft (seit 1567 Kantorei) belegt ist,[12][13] die 1505 drei Mess-Bücher und ein „Singe-Buch“ besaß.[14]

Konrad von Kreuznach wurde im Ostflügel des Kreuzgangs des Mainzer Doms begraben, wo auch der Minnesänger Frauenlob bestattet ist. Sein Grabstein wurde 1785 von Domdechant Georg Karl von Fechenbach restauriert, aber bei der Bombardierung von Mainz 1793 wieder beschädigt.[15] Er wurde vermutlich bei der Renovierung des Kreuzgangs 1841–1845 entfernt und ist heute nicht mehr erhalten oder mit verdeckter Stirnseite verbaut worden.[16] Der Medailleur und Münzgraveur Johann Lindenschmit (1771–1845) fertigte 1806, vielleicht im Auftrag von Franz Joseph Bodmann, eine Abzeichnung an,[17] auf der ein Mann in geistlicher Tracht mit einer Geige unter dem linken Arm dargestellt ist.[18] Seine Fidel im Wert von 7 Gulden, 4 Groschen und 10 Hellern („VII flor. quatuor grossos et X hallenses“) und die Hälfte seiner Dexheimer Kornrente vermachte Konrad der Dompräsenz des Mainzer Domkapitels.[1][19]

 
Fiedler, Miniatur aus den Cantigas de Santa Maria, um 1300

Der Grabstein trug die Inschrift

ANNO D(omi)ÑI. MCCC. LXVIII. FERIA QUARTA. POS[T. PENTE
COS]T(es).[20] Ø(biit). MAGIST(er). CONRADVS. DE. CRVCENACO +
(Im Jahre des Herrn 1368 am Mittwoch nac[h Pfingste]n starb Meister Konrad von Kreuznach †

Im Fundationsbuch des Domes wird der 13. Oktober (iij. Idus octobr.), ein Freitag, als Todestag angegeben,[1] der Mittwoch nach Pfingsten 1368 war der 31. Mai.[21]

  • Fundationes et consuetudines ecclesiae cathedralis Moguntiae, 1362–1511 (Martinus-Bibliothek Mainz, Hs. 3)[1]
  • Georg Helwich: Syntagma monumentorum et epitaphiorum, um 1611–1623 (Martinus-Bibliothek Mainz, Hs. 225)
  • Jakob Christoph Bourdon:[22] Epitaphia in Ecclesia Metropolitana Moguntina anno 1727, Kopie des 19. Jahrhunderts; Stadtarchiv Mainz (Bestand 13 Reste der Stifts- und Klosterarchive, 139 I); Abschriften auch in der Martinus-Bibliothek, im Bischöfliches Ordinariat Mainz, in der Bayerischen Staatsbibliothek München (Cod. lat. 10447) und im Gräflich-Eltz'schen Archiv Eltville
  • (unsicher; zugeschrieben von Franz Joseph Bodmann):[7] Im langen frowenlob. Ein Furst der hat gejaget lange Zit … In: Gotthelf Fischer von Waldheim: Uiber einige Denkmäler alt-deutscher Dichtkunst. In: ders.: Beschreibung einiger typographischen Seltenheiten nebst Beyträgen zur Erfindungsgeschichte der Buchdruckerkunst 4 (1803), S. 109–140, bes. S. 112–121 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München), (Google-Books) (RSM-Nr.: 1Rosw/1c)[5]

Literatur

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  • Valentin Ferdinand von Gudenus: Codex diplomaticus anecdotorum, Bd. II. Nr. 139, Akademische Buchhandlung Göttingen 1747, S. 894 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München), (Google-Books)
  • Franz Falk: Der Minnesinger Conrad von Kreuznach im Mainzer Dom. In: Monatsschrift für rheinisch-westfälische Geschichtsforschung und Alterthumskunde 2 (1876), S. 459f (Digitalisat der Universitäts- und Landesbibliothek Münster)
  • Franz Falk: Die Stiftung des Fiedler’s Conrad von Kreuznach am Dome zu Mainz. In: Der Katholik 76/1 (1896), S. 93–96[23] (Digitalisat im Internet Archive)
  • Franz Falk: Todestag des Heinrich Frauenlob. Zum 29. November. In: Mainzer Journal 44 (1901), Nr. 279 vom 30. November 1901
  • Rudolf Kautzsch, Ernst Neeb (Bearb.): Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises Mainz, Bd. II/1 Der Dom zu Mainz. Hessischer Staatsverlag, Darmstadt, 1919, S. 493 (Digitalisat der Universitätsbibliothek Heidelberg)
  • Ernst Neeb: Der Fiedler Konrad von Kreuznach. In: Otto Lutsch (Hrsg.): Festschrift zur Jahrhundertfeier des Gymnasiums und Realgymnasiums zu Kreuznach 1819–1919. Robert Voigtländer, Kreuznach 1920, S. 83–87 (Digitalisat des Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz)
  • Fritz Viktor Arens (Bearb.): Die Inschriften der Stadt Mainz von frühmittelalterlicher Zeit bis 1650 (Die deutschen Inschriften. Heidelberger Reihe 2), Druckenmüller, Stuttgart 1958, Nr. 46, S. 47f (Digitalisat der Heidelberger Akademie der Wissenschaften)
  • Gerhard Pietzsch: Fürsten und fürstliche Musiker im mittelalterlichen Köln. Quellen und Studien (Beiträge zur rheinischen Musikgeschichte 66), Arno Volk, Köln 1966, S. 83

Einzelnachweise

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  1. a b c d Eintrag vom III idus Octobris: „Obiit magister Cunradus de Crucenacho sollempnis figellator, qui legavit figellam suam ad presencias valentem XII. florenos IIII. grossos et X. hallens., unde datur dimidium maldrum siliginis de XXV. maldris in Dexsheym ut VIII. idus Octobris“; Ferdinand Wilhelm Emil Roth: Zur Geschichte der Meistersänger zu Mainz und Nürnberg. In: Zeitschrift für Kulturgeschichte NF 3 (1896), S. 261–290, bes. S. 265 (archive.org). Roth wurden von Klaus Graf allerdings Fälschungen von Geschichtsquellen nachgewiesen.
  2. Vgl. Gerhard Pietzsch: Fürsten und fürstliche Musiker. Köln 1966, S. 83.
  3. So datiert Gotthelf Fischer von Waldheim: Uiber einige Denkmäler alt-deutscher Dichtkunst. In: ders.: Beschreibung einiger typographischen Seltenheiten nebst Beyträgen zur Erfindungsgeschichte der Buchdruckerkunst 4 (1803), S. 109–140, bes. S. 113 Anm. 2 (Digitalisat).
  4. Vgl. Leopold Krentzenbacher: Mystische Einhornjagd. In: Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Klasse 1978, Heft 6. Beck, München 1978, bes. S. 69 (PDF; 50,08 MB).
  5. a b Vgl. Thomas Cramer (Bearb.): Die kleineren Liederdichter des 14. und 15. Jahrhunderts, Bd. III. W. Fink, München 1982, S. 159–162.
  6. Vgl. Michael Baldzuhn: Vom Sangspruch zum Meisterlied. Untersuchungen zu einem literarischen Traditionszusammenhang auf der Grundlage der Kolmarer Liederhandschrift. (Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mittelalters 120). Max Niemeyer, Tübingen 2002, S. 55, 84, 102, 157, 167f, 468, 478 u. ö; Johannes Rettelbach (Bearb.): Katalog der Töne. (Repertorium der Sangsprüche und Meisterlieder des 12. bis 18. Jahrhunderts 2,1). Max Niemeyer, Tübingen 2009, S. 58f (Google-Books).
  7. a b Randbemerkung Bodmanns zu seinem Exemplar von V. F. Gudenus: Codex diplomaticus anecdotorum, 1747, Bd. II. Nr. 139, mitgeteilt von Franz Falk: Der Minnesinger Conrad von Kreuznach im Mainzer Dom. In: Monatsschrift für rheinisch-westfälische Geschichtsforschung und Alterthumskunde 2 (1876), S. 459f, bes. S. 459 Anm. 1 (Digitalisat).
  8. Vgl. Gotthelf Fischer von Waldheim: Uiber einige Denkmäler alt-deutscher Dichtkunst. In: ders.: Beschreibung einiger typographischen Seltenheiten nebst Beyträgen zur Erfindungsgeschichte der Buchdruckerkunst 4 (1803), S. 109–140, bes. S. 111 und S. 122 (Digitalisat).
  9. Deutsche Meisterlieder … frŏwen lob lang ton roswinn. Ein fürst der hatt geiaget also lange zit, Sammelhandschrift des Basler Dominikanerklosters aus dem Besitz von Stephan Irmi (1432–1488), in Wien erworben, Mitte des 15. Jahrhunderts; Universitätsbibliothek Basel (Cod. A IX 2, Blatt 183 (eingeklebtes, zweispaltig beschriebenes Doppelblatt)).
  10. Weitere Parallelüberlieferung: 7 Strophen im Langen Ton Frauenlobs. Ein furst der hat gejaget also lange zit aus dem Kloster Eberhardtsklausen, Mitte bis Ende des 15. Jahrhunderts; Stadtbibliothek Trier (Hs. 1032/1943, Blätter 151–154); vgl. Marco Brösch: Die Klosterbibliothek von Eberhardsklausen und ihre Bestände. Philosophische Dissertation Trier 2010, Nr. 149.
  11. Vgl. Frieder Schanze: Art. Roswin. In: Kurt Ruh, Burghart Wachinger (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon, Bd. VIII ‚Revaler Rechtsbuch‘ - Sittich, Erhard. 2. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin 1992, Sp. 259f.
  12. Vgl. Johannes Rautenstrauch: Luther und die Pflege der kirchlichen Musik in Sachsen (14.-19. Jahrhundert). Breitkopf & Härtel, Leipzig 1907, S. 38f, 46, 125, 139, 149, 153, 162 u. ö. (Digitalisat im Internet Archive).
  13. Noch um 1700 wurden in Roßwein besondere vorreformatorische musikalische Traditionen gepflegt; vgl. Gottfried Zenner: Novellen aus der gelehrten und curiösen Welt 1 (1692), S. 1202f (Google-Books); J. C. Knauth: Alten-Zella, Bd. III, 1721, bes. S. 135–145 (Google-Books).
  14. Vgl. Johannes Conrad Knauth: Des alten berühmten Stiffts-Closters und Landes-Fürstlichen Conditorii Alten-Zella … So wohl von alters her darzu gehöriger … Roßwein, Siebenlehn und Nossen … Geographisch- und Historische Vorstellung, Bd. III. Winckler, Dresden / Leipzig 1721, S. 156–163 (Digitalisat); Bd. VIII. Winckler, Dresden / Leipzig 1722, S. 150f, vgl. S. 142 und S. 421–423 (Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek München).
  15. Vgl. F. Falk: Der Minnesinger Conrad von Kreuznach, 1876, bes. S. 459 (Digitalisat).
  16. Vgl. Ernst Neeb: Der Fiedler Konrad von Kreuznach. In: Otto Lutsch (Hrsg.): Festschrift zur Jahrhundertfeier des Gymnasiums und Realgymnasiums zu Kreuznach 1819–1919. Robert Voigtländer, Kreuznach 1920, S. 83–87, bes. S. 86 (Digitalisat).
  17. Zeichnung im Stadtarchiv Mainz (Nachlass Karl Anton Schaab, Karton 03, Nr. 224).
  18. Vgl. Hermann Stumpf: Geschichten und Sagen des Nahegaus. 2. Aufl. K. Scheffel, Kreuznach 1921, S. 39.
  19. Die „Dompräsenz“ war der Teil des Vermögens des Domkapitels, aus dem die Mitglieder des Kapitels entsprechend ihrer Anwesenheit bei den Gottesdiensten entlohnt wurden.
  20. Lesung um 1612 von Domvikar Georg Helwich nach Franz Falk: Todestag des Heinrich Frauenlob. Zum 29. November. In: Mainzer Journal 44 (1901), Nr. 279 vom 30. November 1901.
  21. Vgl. F. V. Arens (Bearb.): Inschriften der Stadt Mainz, 1958, S. 48.
  22. Mainzer Domherr, seit 1700 Domvikar, Präsenzkammer-Assessor und Präsenzmeister, † 1748.
  23. Zum Pergamentmanuskript Fundationes et Consuetudines eccl. cath. Mogunt. anno 1362–1511 im Besitz des bischöflichen Seminars in Mainz.