Kadimah (hebräisch קדימה qādīmāh, deutsch: nach Osten, vorwärts) war eine nationaljüdische, bald zionistische Studentenverbindung in Wien.
AV Kadimah | ||||||||
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Basisdaten | ||||||||
Hochschulort: | Wien | |||||||
Hochschule/n: | Universität Wien | |||||||
Gründung: | 25. Oktober 1882 | |||||||
Auflösung: | 13. August 1938 | |||||||
Korporationsverband: | KJV 1913 bis 1922 | |||||||
Farbenstatus: | farbentragend | |||||||
Farben: |
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Fuchsenfarben: |
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Mütze: | schwarz, ab 1928 dunkelblau | |||||||
Wahlspruch: | Mit Wort und Wehr für Juda’s Ehr! |
Geschichte
BearbeitenGegründet wurde die Kadimah am 25. Oktober 1882[1] in Wien, am 23. März 1883 wurde sie von den Behörden genehmigt.[2] Deswegen wird als Gründungsjahr teils 1882, teils 1883 genannt. Die Burschenfarben der Kadimah waren amaranthrot-violett-gold auf violett-weiß. Die Füchse trugen ein rot-violettes Band. Die Mützenfarbe war zunächst schwarz, ab 1928 dunkelblau.[2] Der Wahlspruch war: Mit Wort und Wehr für Juda’s Ehr![3]
Mitglieder der Kadimah gründeten 1891 die Hasmonaea Czernowitz und 1912 die Barissia Radautz. Am 10. Dezember 1909 regte Kadimah an, einen „Ring der Zionistischen AH-Verbände in Wien“ zu gründen. Von Dezember 1913 bis Juni 1922 war Kadimah als einzige farbentragende Verbindung im Kartell Zionistischer Verbindungen – ab 1914 Kartell Jüdischer Verbindungen – von diesem Verband getrennt. Ein Grund war, dass das KZV die Satisfaktion verboten hatte. Am 16. März 1935 gründete Kadimah mit JAV Charitas Graz den Bund Zionistischer Verbindungen.[4] Die Kadimah wurde nach dem Anschluss Österreichs am 13. August 1938 behördlich aufgelöst. Nach dem Zweiten Weltkrieg traten die Alten Herren 1954 dem IGUL – Ring der Alt–Herren-Verbände der zionistisch-akademischen Verbindungen und Vereine in Israel bei.
Die Kadimah entstand als erste nationaljüdische Studentenorganisation.[5] Einige Korporationsverbände wie der Kyffhäuser-Verband hatten begonnen, Juden auszuschließen. Die Kadimah, anfangs auch von Juden verlacht, hatte sich dem Zionismus verschrieben. Wie die bereits in ganz Europa entstandenen Vereine der Zions-Liebhaber ließ die Kadimah erstmals organisierte nationaljüdische Bestrebungen erkennen. Sie bereiteten den Boden für Theodor Herzl und den späteren Erfolg des politischen Zionismus.
Befreundete Bünde
BearbeitenMitglieder
BearbeitenGründer
- Ruben Bierer (1835–1931), Chirurg und Zionist
- Nathan Birnbaum (1864–1937), Schriftsteller
- Moses Schnirer (1860–1941), Arzt und Zionist
- Peretz Smolenskin (1842–1885), Romancier und Publizist
Ehrenmitglieder
- Leo Pinsker (1821–1891), Arzt und Journalist, Wegbereiter des Zionismus
- Sigmund Freud (1856–1939), Begründer der Psychoanalyse[6]
- Theodor Herzl (1860–1904), Zionist[7]
Weitere Mitglieder
- Felix Deutsch (1884–1964), Psychiater, Psychoanalytiker und Pionier der Psychosomatik
- Oser Kokesch (1859–1905), zionistischer Politiker und Rechtsanwalt
- Fritz Löhner-Beda (1883–1942), Librettist, Schlagertexter und Schriftsteller
- Alexander Marmorek (1865–1923), Bakteriologe
- Oskar Marmorek (1863–1909), Architekt, zionistischer Funktionär[8]
- Abraham Salz (um 1866 – um 1942), galizischer Zionist, Rechtsanwalt und Führer der Chowewe Zion
- Isidor Schalit (1871–1954), Zahnarzt und Zionist
Siehe auch
BearbeitenLiteratur
Bearbeiten- Ludwig Rosenhek (Hrsg.): Festschrift zur Feier des 100. Semesters der akademischen Verbindung Kadimah 1883–1933. Mödling 1933.
- Harriet Zivia Pass: Kadimah – Jewish Nationalism in Vienna before Herzl. Columbia 1969.
- Harald Seewann: Zirkel und Zionstern, Bd. 1. Graz 1990, S. 123–134.
- Harald Seewann: A.V. Kadimah. Fundstücke zur Chronik der ältesten jüdisch-nationalen Studentenverbindung (Wien 1882–1938). Eine Dokumentation, Bd. 1, 488 Seiten. Historia Academica Judaica, Folge 10 (letzte). Graz 2017.
- Harald Seewann: A.V. Kadimah. Fundstücke zur Chronik der ältesten jüdisch-nationalen Studentenverbindung (Wien 1882–1938). Eine Dokumentation, Bd. 2, 767 Seiten. Graz 2022.
Einzelnachweise
Bearbeiten- ↑ E. H. Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig, 1924/25, S. 183.
- ↑ a b Einst und Jetzt, Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Bd. 45 (2000), S. 121 ff.
- ↑ Seewann: Zirkel und Zionstern. S. 123
- ↑ a b c H. Seewann (2017)
- ↑ Peter Krause: O alte Burschenherrlichkeit. Die Studenten und ihr Brauchtum. 5. Auflage. Graz / Wien / Köln 1997, S. 121.
- ↑ Martin Freud: Sigmund Freud: Man and Father. Vanguard Press 1958, S. 165.
- ↑ Gregor Gatscher-Riedl: „Das Band der Freiheit schlinge sich um Juda’s edle Reste“ – Zur Geschichte der farbentragenden Wiener zionistischen Studentenverbindungen (2017)
- ↑ Gregor Gatscher-Riedl: Von Habsburg zu Herzl. Jüdische Studentenkultur in Mitteleuropa 1848–1948. Kral-Verlag, Berndorf 2021, S. 287f.