Juri Konstantinowitsch Sokolow

sowjetischer Einzelhandelsfunktionär

Juri Konstantinowitsch Sokolow (russisch Юрий Константинович Соколов; * 3. Dezember 1923; † 14. Dezember 1984 in Moskau) war ein sowjetischer Einzelhandelsfunktionär.

Werdegang Bearbeiten

Sokolow war bis 1982 Direktor des Lebensmittelunternehmens Gastronom Nr. 1, dem früheren Feinkostladen Jelissejew in Moskau, der vor allem die sowjetische Nomenklatura mit Delikatessen versorgte. Gastronom Nr. 1 war das Flaggschiff der Moskauer Gastronom-Handelsgenossenschaft und ein Großbetrieb mit 1000 Angestellten und einem Jahresumsatz von annähernd 100 Millionen Rubel.[1] In dieser Position konnte er ein ausgedehntes Beziehungsnetz aufbauen, unter anderen war er auch mit der Tochter von Generalsekretär Breschnew befreundet. Seiner Frau verschaffte er die Position der stellvertretenden Direktorin des Kaufhauses GUM mit der Zuständigkeit für Lebensmittel und Gastronomie.

Verhaftung Bearbeiten

Sokolow wurde am 9. November 1982, einen Tag vor Leonid Breschnews Tod und kurz vor dem Amtsantritt von Generalsekretär Andropow, dem vormaligen Vorsitzenden des KGB, zusammen mit seiner Frau verhaftet.[2] Der Leiter des Moskau-Büros der Washington Post Dusko Doder berichtete, die Polizei habe bei der Durchsuchung von Sokolows Appartement in einem Versteck Geld im Gegenwert von 4 Millionen USD gefunden.[3] Nach einer Meldung der Zeitung Iswestija wurde er beschuldigt, über einen längeren Zeitraum Schmiergelder angenommen und unter Missbrauch seiner offiziellen Position eine kriminelle Gruppe zum Verschieben von Lebensmitteln organisiert zu haben.[4] In der Folge von Sokolows Festnahme setzte eine Verhaftungswelle ein, in deren Verlauf mehrere hundert Angestellte von Staatsbetrieben festgenommen wurden. Der Leiter der Moskauer Handelsverwaltung (Glawtorg) Nikolai Petrowitsch Tregubow wurde 1984 verhaftet und 1986 zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.[5] Es gilt als sicher, dass Andropow die Antikorruptionskampagne nutzte, um die Gefolgsleute seines Vorgängers Breschnew zu schwächen. Für seine Delikte wurde Sokolow zum Tode verurteilt, ein Gnadengesuch wurde abgelehnt. 1984 wurde er durch Erschießen hingerichtet.

Literatur Bearbeiten

  • William A. Clark: Crime and punishment in Soviet officialdom: combating corruption in the political elite, 1965-1990. M.E. Sharpe, 1993, ISBN 978-1-56324055-3, S. 185 ff
  • Albert J. Schmidt: The Impact of perestroika on Soviet law. Martinus Nijhoff Publishers, 1990, ISBN 978-0-79230621-4, S. 529
  • Luc Duhamel: The KGB campaign against corruption in Moscow, 1982–1987. University of Pittsburgh Press, 2010, ISBN 978-0-8229-6108-6
  • Luc Duhamel: Justice and politics in Moscow 1983–1986: The Ambartsumyan case. In: Europe-Asia Studies, vol. 52, no. 7 (November 2000), pp. 1307–1329.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Mark Frankland: The sixth continent: Russia and the making of Mikhail Gorbachov, (Neuauflage) Harpercollins, 1988, ISBN 978-0-0609153-46, S. 151
  2. Christian Schmidt-Häuser, John Man: Gorbachev: the path to power. I.B. Tauris, 1986, ISBN 978-1-85043015-5, S. 79
  3. Dusko Doder: Machtkampf im Kreml. Hintergründe des Wechsels von Breschnew zu Gorbatschow.Verlag Bonn Aktuell 1988. ISBN 978-3-87959339-2
  4. Indirekte Zitate nach: William A. Clark: Crime and punishment in Soviet officialdom: combating corruption in the political elite, 1965-1990. S. 185
  5. Timothy J. Colton: Moscow: Governing the Socialist Metropolis, Harvard University Press, 1998, ISBN 978-0-67458749-6, S. 569