Johann von Hirtz († 1495 in Pavia[1]), auch vom Hirtz, van Hirtz oder latinisiert de Cervo (vom Hirsch), war Jurist, Ratsherr und Bürgermeister der Stadt Köln.

Johann Hirtz war der achte dieses Namens in einer Familie, die über fünf Generationen bis auf die Eheschließung zwischen Katharina de Cervo und des Kölner Bürgers Johann Niger (aus dem Schwarzwald?) um 1300 zurückgeht und zahlreiche Schöffen und Ratsherren stellte. Aufgrund des Namens Niger und zur Unterscheidung von anderen Kölner Familien mit dem Namen Hirtz wird diese Linie in der Koelhoffschen Chronik 1499 und in der Forschung auch Schwartz vom Hirtz genannt.[2]

Johann VIII. war der Sohn von Ratsherr, Bürgermeister und Antoniusritter Everhard Hirtz († um 1475) und dessen Frau Elisabeth († nach 1486).[3] Sein Onkel, der Hubertusritter Johann († um 1481), war ebenfalls Ratsherr und Bürgermeister.

Sein Bruder war der Ratsherr und Hubertusritter Everhard Hirtz († 1513), der mit seiner Frau Agnes zwei Töchter hatte und mit dem die männliche Linie ausstarb.

Johann Hirtz immatrikulierte sich 1455 in Köln[4] und studierte danach an den Universitäten in Orléans und in Pavia, wo er 1469 zum Doktor beider Rechte promoviert wurde. In Köln unterrichtete er zwischen 1472 und 1486 kanonisches Recht an der Universität und wurde zwischen 1484 und 1494 viermal zum Ratsherren und zweimal – 1488 und 1492 – zum Bürgermeister der Stadt gewählt.[5]

Hirtz war mit dem Humanisten Arnold Heymerick bekannt, der ihm den dialogförmigen Bericht über die Schenkung einer Goldenen Rose von Papst Innozenz VIII. an Herzog Johann von Kleve widmete: „Viro maximo tum utriusque iuris cognicione tum eloquencia ac genere clarissimo magistro Ioanni de Cervo, alme civitatis Coloniensis magistratum gerenti.“[6]

Johann Hirtz und seine Frau Margarete wohnten im Haus zum Gryn, Brückenstraße 8–10, das der Pfarrei St. Kolumba angehörte.[7]

Hirtz verstarb 1495 auf einer Italienreise. Kurz zuvor hatten er und seine Ehefrau noch testamentarisch die neue Kapelle in St. Maria im Kapitol als ihren Bestattungsort festgehalten und eine Messstiftung über 50 Gulden getätigt.[7]

Stiftung in St. Maria im Kapitol

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Grundriss St. Maria im Kapitol
 
Anton Woensam: Kölner Stadtansicht von 1531 (Detail), links St. Maria im Kapitol
 
Hirtz-Kapelle (um 1493) in St. Maria im Kapitol

1493 stiftete Johann Hirtz – möglicherweise anstelle eines Vorgängerbaus[8] – zwischen der Zwickelkapelle und der Nordkonche der Frauenstiftskirche St. Maria im Kapitol eine eigene Kapelle auf quadratischem Grundriss, die Johannes dem Täufer und Maria geweiht wurde. Aufgrund ihrer Lage bildet sie das Gegenstück zu der zuvor errichteten Salvator-Kapelle der Familie Hardenrath im Süden der Ostkonche.[9] Auch Bauformen, Maße, Steinmaße und Fugenverlauf gleichen der Hardenrath-Kapelle,[10] die sich auch dadurch als Vorbild zu erkennen gibt. Den einer eigenständigen Kirche gleichen Status der Hardenrath-Kapelle hat die Hirtz-Kapelle dabei nicht erreicht. Auch wurde die weitere Verwendung nach Abschluss des Baus in Form von Gottesdiensten nicht nur von der Familie Hirtz, sondern auch von weiteren Geldgebern, wie etwa Heinrich Jude, und aus der Stiftskasse finanziert.[11][12] Architektonisch wird die Rangungleichheit auch dadurch sichtbar, dass die Hardenrath-Kapelle einen Dachreiter mit eigenem Geläut besaß. Ende des 18. Jahrhunderts bekam die Hirtz-Kapelle ein schlichtes Pyramidendach,[13] doch sieht man bereits auf der Kölner Stadtansicht von 1531 von Anton Woensam die Unterschiede der Dächer.

Das Portal der Hirtz-Kapelle wird seitlich von zwei Fialen begrenzt und von einem krabbenbesetzten Eselsrücken, der in einer einreihigen Kreuzblume endet, überfangen; das Feld unterhalb der Kielbögen zeigt das Stifterwappen. In der Großform gleicht das Portal dem Eingang zur Hauskapelle im Palais Jacques-Cœur in Bourges (1443–1451) oder auch mittelrheinischen Architekturen im Umkreis von Madern Gerthener wie dem Memorienportal im Mainzer Dom (um 1410/20), dem Südportal am Turm von St. Bartholomäus in Frankfurt (1422) oder dem Choreingang der Michaelskapelle in Kiedrich (um 1435/40).[14] Oberhalb des Stichbogenportals der Hirtz-Kapelle befindet sich ein dreibahniges, zweizoniges Maßwerkfenster. Im Portalschmuck und den Maßwerkfigurationen zeigt sich eine Modernisierung gegenüber den Formen der etwa 25 bis 30 Jahre älteren Hardenrath-Kapelle.[15] Im Bogenrippengewölbe mit Nasenbesatz im Inneren der Kapelle wurde eine Übernahme der Gewölbegestalt der um 1474 fertiggestellten Ratskapelle St. Maria in Jerusalem gesehen.[16]

Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war die Kapelle mit einem Gestühl, das das Familienwappen trug, sowie Wand- und Glasmalereien ausgestattet. Die van-der-Goes-Kopie der Beweinung Christi (2. Hälfte 16. Jhd.), das Triptychon von Hans von Aachen mit Anna Selbdritt, Heiligen und dem Stifterpaar Therlaen (um 1600), die sich heute in der Hirtz-Kapelle befinden, und ein nachmittelalterliche Taufbecken stammen ursprünglich aus der nahe gelegenen Pfarrkirche Klein St. Martin.

Literatur

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  • Hugo Rahtgens: Die Kirche S. Maria im Kapitol zu Köln. Düsseldorf 1913.
  • Hans Vogts: Die Kölner Patriziergeschlechter des Mittelalters als Bauherren und Förderer der Kunst. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 155/156 (1954), S. 501–525.
  • Wolfgang Schmid: Stifter und Auftraggeber im spätmittelalterlichen Köln (= Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums. Band 11). Köln 1994.
  • Klaus Gereon Beuckers: Köln. Die Kirchen in gotischer Zeit. Zur spätmittelalterlichen Sakralbautätigkeit an den Kloster-, Stifts- und Pfarrkirchen in Köln (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln. Band 24). J. P. Bachem, Köln 1998.
  • Susanne Ruf: Die Stiftungen der Familie Hardenrath an St. Maria im Kapitol zu Köln (um 1460 bis 1630) (= Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Band 8). Korb 2011.
  • Cybele Crossetti de Almeida: Führende Kölner Familien im Spätmittelalter. Eine prosopographische Untersuchung. Cuvillier, Göttingen 2015.
  • Markus Jansen: Die Stiftungen der Kölner Familie Hirtz in St. Ursula als Ausdruck von sozialem Rang und Ritterbürtigkeit. In: Julia von Ditfurth, Jörg Bölling (Hrsg.): Malerei, Musik und textile Künste in Frauenstiften des späten Mittelalters (= Veröffentlichungen des Forums für Frauenstiftsforschung. Band 3). Böhlau Verlag, Wien/Köln 2023, S. 39–64.
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Anmerkungen

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  1. Vgl. Cybele Crossetti de Almeida: Führende Kölner Familien im Spätmittelalter. Eine prosopographische Untersuchung. Cuvillier, Göttingen 2015, S. 113 Anm. 498.
  2. Im Original „Swartzen die men noempt vam Hirtz“. Johann Koehlhoff: Cronica van der hilliger Stat van Coellen. Köln 1499 [Nachdruck 1972], fol. 58g–k.
  3. Vgl. Cybele Crossetti de Almeida: Führende Kölner Familien im Spätmittelalter. Eine prosopographische Untersuchung. Cuvillier, Göttingen 2015, Taf. XXV.
  4. Vgl. Hans Vogts: Die Kölner Patriziergeschlechter des Mittelalters als Bauherren und Förderer der Kunst. In: Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein 155/156 (1954), S. 524.
  5. Vgl. Cybele Crossetti de Almeida: Führende Kölner Familien im Spätmittelalter. Eine prosopographische Untersuchung. Cuvillier, Göttingen 2015, S. 113.
  6. Zum Dialog vgl. Dieter Scheler: Die Goldene Rose des Herzogs Johann von Kleve. Der Bericht des Arnold Heymericks von der Überreichung der Goldenen Rose im Jahr 1489 (= Klever Archiv. Band 13). Kleve 1992, die Widmung auf S. 42 f.
  7. a b Bruno Kuske (Hrsg.): Besondere Quellengruppen des späteren Mittelalters (= Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs im Mittelalter. Band 3). Bonn 1923 S. 268, Nr. 125.
  8. Vgl. Hugo Rahtgens: Die Kirche S. Maria im Kapitol zu Köln. Düsseldorf 1913, S. 212; Ulrich Krings: St. Maria im Kapitol. Das Kirchengebäude vom 12 bis zum 20. Jahrhundert. In: Ders., Hiltrud Kier (Hrsg.): Köln. Die Romanische Kirchen. Von den Anfängen bis zum Zweiten Weltkrieg (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln. Band 1). J. P. Bachem Verlag, Köln 1984, S. 357–380, hier S. 361.
  9. Zur Hardenrath-Kapelle vgl. Klaus Gereon Beuckers: Köln. Die Kirchen in gotischer Zeit. Zur spätmittelalterlichen Sakralbautätigkeit an den Kloster-, Stifts- und Pfarrkirchen in Köln (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln. Band 24). J. P. Bachem, Köln 1998, S. 176–180; Susanne Ruf: Stift und Welt. St. Maria im Kapitol zu Köln und die Stiftungen der Familie Hardenrath. In: Jeffrey F. Hamburger u. a.(Hrsg.): Frauen – Kloster – Kunst. Neue Forschungen zur Kulturgeschichte des Mittelalters. Brepols, Turnhout 2007, S. 237–246; Susanne Ruf: Die Stiftungen der Familie Hardenrath an St. Maria im Kapitol zu Köln (um 1460 bis 1630) (= Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Band 8). Korb 2011.
  10. Vgl. Susanne Ruf: Die Stiftungen der Familie Hardenrath an St. Maria im Kapitol zu Köln (um 1460 bis 1630) (= Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Band 8). Korb 2011, S. 354.
  11. Vgl. Susanne Ruf: Die Stiftungen der Familie Hardenrath an St. Maria im Kapitol zu Köln (um 1460 bis 1630) (= Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Band 8). Korb 2011, S. 356, 377.
  12. Die genannten Zustiftungen für die Benutzung der Hirtz-Kapelle sind vor allem auch damit zu erklären, dass es sich im Gegensatz zu Hardenrath-Kapelle nicht um eine private Hauskirche handelte, befand sich doch das Haus der Hirtzs in der Brückenstraße direkt an St. Kolumba in gewisser Entfernung, während die Hardenraths in unmittelbarer Nachbarschaft zu St. Maria im Kapitol wohnten.
  13. Vgl. Hugo Rahtgens: Die Kirche S. Maria im Kapitol zu Köln. Düsseldorf 1913, S. 211.
  14. Vgl. Susanne Ruf: Die Stiftungen der Familie Hardenrath an St. Maria im Kapitol zu Köln (um 1460 bis 1630) (= Studien zur Kunstgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Band 8). Korb 2011, S. 107–109.
  15. Vgl. Klaus Gereon Beuckers: Köln. Die Kirchen in gotischer Zeit. Zur spätmittelalterlichen Sakralbautätigkeit an den Kloster-, Stifts- und Pfarrkirchen in Köln (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln. Band 24). J. P. Bachem, Köln 1998, S. 183–185.
  16. Vgl. Franz Kugler: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte. Band 2. Stuttgart 1854, S. 238; Hugo Rahtgens: Die Kirche S. Maria im Kapitol zu Köln. Düsseldorf 1913, S. 212; Wolfgang Schmid: Stifter und Auftraggeber im spätmittelalterlichen Köln (= Veröffentlichungen des Kölnischen Stadtmuseums. Band 11). Köln 1994; Klaus Gereon Beuckers: Köln. Die Kirchen in gotischer Zeit. Zur spätmittelalterlichen Sakralbautätigkeit an den Kloster-, Stifts- und Pfarrkirchen in Köln (= Stadtspuren. Denkmäler in Köln. Band 24). J. P. Bachem, Köln 1998, S. 183.