Jean Tapissier

französischer Dichter und Komponist der burgundischen Schule im späten Mittelalter

Jean Tapissier (eigentlich Jean de Noyers; * um 1370 in Noyers, nördliches Burgund; † um 1409 wahrscheinlich in Paris) war ein französischer Dichter und Komponist der burgundischen Schule im späten Mittelalter.[1][2][3]

Leben und Wirken Bearbeiten

Der Beiname „Tapissier“ deutet wohl auf die Tätigkeit es Dichter-Musikers mit dem „Weben“ von Liedsätzen hin. Über seine Jugend und Ausbildungszeit gibt es keine Informationen. Er stand am Ende des 14. und am Anfang des 15. Jahrhunderts im Dienst der Herzöge von Burgund in Dijon und war als Kammerdiener und Hofkomponist angestellt. Der früheste Beleg aus dem Archiv von Burgund spricht von ihm als Mitglied des Gefolges von Herzog Philipp dem Kühnen auf dessen Reise nach Mailand im Februar 1391. Im gleichen Jahr, ebenso im Jahr 1395, machte er mit seinem Dienstherrn eine ähnliche Reise nach Avignon. Auf diese Weise gelangten wohl einige Kompositionen Tapissiers in eine Handschrift, die sonst nur Stücke aus Avignon überliefert. Im Sommer 1399 begleitete er Herzog Philipp nach Flandern. Nachdem Philipp der Kühne 1404 verstorben war, wurde Tapissier von dessen Sohn und Nachfolger, Herzog Johann Ohnefurcht, in dessen Dienste übernommen. Die burgundischen Unterlagen zeigen auch, dass sich der Komponist 1406 um die Singschule in Paris gekümmert hat; er gab Gesangsunterricht und hatte die Chorknaben des Hofs in seiner Obhut. Mit diesen reiste er 1408 nach Amiens und Arras, wo sie auftragsgemäß vor dem neuen burgundischen Herzog singen sollten. Später im gleichen Jahr erhielt er eine Belohnung für seine Mithilfe bei der Durchführung der Gottesdienste, als sich der burgundische Hof in Paris aufhielt. Im Dezember 1408 wurde Tapissier durch einen anderen Pädagogen ersetzt, vielleicht weil er schwer erkrankt oder verstorben war; in den archivarischen Belegen Burgunds ist allerdings erst für August 1410 definitiv von seinem Ableben die Rede.

Bedeutung Bearbeiten

Jean Tapissier war zu seinen Lebzeiten offenbar hoch angesehen; in den um 1400 erschienenen „Règles de la seconde rhétorique“ wird er von dem anonymen Verfasser als einer der führenden Dichter-Musiker bezeichnet. Noch mehrere Jahrzehnte später, um 1440, war sein Name gut genug bekannt, um in dem Gedicht „Le champion des dames“ von Martin Le Franc erwähnt zu werden. Seine isorhythmische Motette „Eya dulcis adque vernans rosa“ betrauert die Spaltung der Kirche im Großen Schisma und enthält eine Anspielung auf Philipp den Kühnen, der wiederholt versucht hatte, diese Spaltung zu überwinden. In den beiden überlieferten Messesätzen gibt es eine ganze Reihe von Bezügen zu Stücken von Baude Cordier, einem Kollegen Tapissiers am burgundischen Hof, sowie zu Messesätzen von Thomas Fabri, einem Schüler von Tapissier. Als Komponist der burgundischen Schule gehört Jean Tapissier zu den Vorläufern der franko-flämischen Musik.

Werke Bearbeiten

  • Credo zu drei Stimmen
  • Sanctus zu drei Stimmen
  • Motette „Eya dulcis adque vernans rosa“ / „Vale placens peroratrix“ zu vier Stimmen

Literatur (Auswahl) Bearbeiten

  • E. Dannemann: Die spätgotische Musiktradition in Frankreich und Burgund vor dem Auftreten Dufays, Straßburg 1936
  • Craig Wright: Tapissier and Cordier: New Documents and Conjectures. In: Musical Quarterly Nr. 59, 1973, Seite 97–129
  • Craig Wright: Music at the Court of Burgundy, 1364–1419: a Document History, Henryville 1974
  • J. Michael Allsen: Style and Intertextuality in the Isorhythmic Motet 1400–1440, Dissertation an der University of Wisconsin, Madison / Wisconsin 1992
  • R. E. Palmer: Squaring the Triangle: Interrelations and Their Meanings in some Early Fifteenth-century Mass Pairs. In: Journal of Music Theory Nr. 16, 1998, Seite 494–518
  • L. L. Perkins: Music in the Age of the Renaissance, New York 1999

Weblinks Bearbeiten

Quellen Bearbeiten

  1. Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Personenteil Band 16, Bärenreiter und Metzler, Kassel und Basel 2006, ISBN 3-7618-1136-5
  2. Marc Honegger, Günther Massenkeil (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik. Band 8: Štich – Zylis-Gara. Herder, Freiburg im Breisgau u. a. 1982, ISBN 3-451-18058-8.
  3. The New Grove Dictionary of Music and Musicians, herausgegeben von Stanley Sadie, 2nd Edition, Band 25, McMillan Publishers, London 2001, ISBN 0-333-60800-3