Hans Wendland

deutscher Kunsthistoriker und Kunsthändler im illegalen Kunstmarkt in der Schweiz im Zweiten Weltkrieg (1880-1965)

Hans Adolf Wendland (* 28. Dezember 1880 in Neuruppin; † um 1965) war ein deutscher Kunsthistoriker und Kunsthändler. Er spielte während des Zweiten Weltkrieges eine wichtige Rolle im illegalen Kunstmarkt in der Schweiz.

Hans Wendland (1950)

Leben Bearbeiten

Hans Wendland, Sohn des Regierungsbaumeisters Adolf Wendland († 1904) wuchs mit sieben Geschwistern auf. Er besuchte das Gymnasium zum Grauen Kloster in Berlin und studierte ab 1901 Kunstgeschichte an der Universität Berlin und wurde nach nur sieben Semestern 1905 mit einer Arbeit über den Kupferstecher Martin Schongauer bei Heinrich Wölfflin promoviert. Nach der Promotion wurde er als Volontär an der islamischen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museum angestellt, wurde jedoch nach einem Streit mit seinem Vorgesetzten Wilhelm von Bode 1906 entlassen. Dieser bezichtigte ihn des Diebstahls von persischen Objekten, die aus Ausgrabungen unter Wendlands Leitung stammten, die er angeblich nach Budapest verkauft haben soll.[1] Danach begann er sich als Kunsthändler zu betätigen. 1907/08 hielt er sich in Spanien auf, zeitweise zusammen mit Walter Gropius, wo er spanische Keramik für Karl Ernst Osthaus erwarb. Im Juli 1908 begutachtete er in der Islamischen Abteilung in Berlin mit Friedrich Sarre und Wilhelm von Bode Fliesen.[2] In Köln ersteigerte er 1910 einen frühen Rubens für 80 Mark, den er gewinnbringend weiterverkaufen konnte. 1912 übersiedelte er nach Paris, kam jedoch mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges zurück nach Deutschland, seine Sammlung in Paris wurde beschlagnahmt und 1922 versteigert.[3] Er wurde verwundet und verbrachte den Rest des Krieges als Leutnant in Berlin. 1918 ging er als Attaché bzw. Kunstsachverständiger an die deutsche Botschaft in Moskau[4] und kaufte günstig Kunst von Menschen auf der Flucht und auf dem Weg in das Exil.

 
Jan Mostaert: Porträt eines afrikanischen Mannes (um 1924 von Hans Wendland gehandelt)

Vom Erlös seines Handels zog er 1920 in die Schweiz nach Basel, 1926 erstand er ein Anwesen in der Nähe von Lugano,[5] gab jedoch nie die deutsche Staatsbürgerschaft auf. Er reiste zum An- und Verkauf häufig nach Paris und Berlin. 1931 musste in Folge der Wirtschaftskrise seine Kunstsammlung versteigert werden. Sie umfasste Graphiken, Möbel, Bildwerke, Bronzestatuetten, Geräte aus Bronze, Silber, Keramik, ostasiatische Kunstwerke, Textilien und Teppiche.[6] Sein damals zwölfjähriger Neffe, der spätere Maler Gunther Gerzso Wendland, erinnerte sich später an die Kunstsammlung.[7]

Wendland ließ sich 1933 in Paris nieder, heiratete 1937 zum zweiten Mal und ging 1939, kurz vor Kriegsbeginn, zurück in die Schweiz. Er spielte während des Zweiten Weltkrieges eine Hauptrolle bei Geschäften mit geraubten Kunstwerken in Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Er vermittelte als Haupteinkaufsagent zwischen Walter Andreas Hofer, dem Direktor der Kunstsammlung von Hermann Göring, und dem ihm befreundeten Schweizer Händler Theodor Fischer, der nicht allzu offen beim Handel mit Raubkunst in Erscheinung treten wollte, aber doch Ankäufen durch den Zürcher Industriellen Emil Georg Bührle den Weg ebnete.[8]

Während der deutschen Besatzungszeit hielt er sich regelmäßig in Paris auf und handelte mit Kunstwerken, die vom Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg beschlagnahmt worden waren. Als Kunstexperte pflegte er den Kontakt zu Kollegen wie Karl Haberstock, Wolfgang Gurlitt, Bruno Lohse, Gustav Rochlitz, Allen und Manon Loebl, Paul Pétridès, Victor Mandl und Adolf Wüster und verkaufte nie selbst an Privatkunden. Die teils spekulativen Tausch- und Beteiligungsgeschäfte zogen sich über Jahre hin und erreichten ein solches Ausmaß, dass das FBI Anfang der 1940er Jahre wegen Verstoß gegen die Neutralität und Spionage ermittelte.[9]

Wendland erhielt im November 1942 einen mit Raubkunst ordentlich an der Grenze abgefertigten Eisenbahnwaggon aus Paris, dessen Ladung er zur Beschaffung von Auslandsdevisen für das Reich verkaufte. Wendland wohnte in Luzern, seine Tätigkeit wurde von der Schweizer Regierung überwacht. Er arbeitete eng mit der deutschen Botschaft in Bern und mit Hofer in Berlin zusammen. 1943 zog er in die Villa Bois d’Avault in Versoix (Kanton Genf).

Nach Kriegsende übersiedelte er nach Rom, wurde am 25. Juli 1946 dort verhaftet und zu Verhören durch die amerikanischen Kunstschutzbehörde nach Deutschland gebracht, anschließend der französischen Justiz überstellt und im Februar 1950 von einem Gericht in Paris freigesprochen. Danach lebte er weiter in Paris, ein Versuch, sich in Basel niederzulassen, erhielt jedoch keine Einreisebewilligung. Sein Vermögen wurde 1955 in der Schweiz von der Sperre befreit. Sein genaues Todesdatum und -ort sind unbekannt.

Veröffentlichungen Bearbeiten

  • Martin Schongauer als Kupferstecher. Edmund Meyer, Berlin 1907. (Dissertation, Digitalisat).[10]
  • Über neue Bildwerke. Mit einer Abhandlung über den Begriff des Schönen als Kunsturteil. Bard, Berlin 1907.
  • Konrad Witz. Gemäldestudien. Schwabe, Basel 1924.[11]
  • Der deutsche Kunsthändler. In: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe Jg. 28, Heft 5, 1930, S. 179–188 ((Digitalisat).
  • Marzell von Nemes †. In: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe Jg. 29, Heft 3, 1931, S. 118–120 (Digitalisat)).

Literatur Bearbeiten

  • Otto Wittman, Bernard Taper: Hans Wendland – Detailed Interrogation Report, Berlin 18. September 1946 (Digitalisat).
  • Thomas Buomberger: Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 1998, ISBN 3-280-02807-8, bes. S. 69–72 und 173–223.[12]
  • Günther Haase: Kunstraub und Kunstschutz. Eine Dokumentation. 2., erweiterte Auflage. Band 1, Books on Demand, Norderstedt 2008, ISBN 978-3-8334-8976-1, S. 270–275 (Google Books).
  • Katharina Groth, Birgit Müller: Kunstgeschichte um 1900 – ein Vergleich beruflicher Werdegänge: Marie Schuette, Walter Stengel, Hans Wendland und August Grisebach. In: Horst Bredekamp, Adam S. Labuda (Hrsg.): In der Mitte Berlins. 200 Jahre Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität Gebr. Mann, Berlin 2010, ISBN 978-3-7861-2630-0, S. 177–188, hier S. 182–184.
  • Emmanuelle Polack: Le marché de l'art sous l'Occupation 1940–1944. Tallandier, Paris 2019, ISBN 979-10-210-2089-4, S. 52–54.

Weblinks Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Thomas Buomberger: Raubkunst – Kunstraub. Die Schweiz und der Handel mit gestohlenen Kulturgütern zur Zeit des Zweiten Weltkriegs. Orell-Füssli-Verlag, Zürich 1998, S. 69.
  2. Annette Hagedorn: Walter Gropius, Karl Ernst Osthaus und Hans Wendland - Die Ankäufe maurischer Keramik für das Deutsche Folkwang-Museum Hagen im Jahr 1908. In: Martina Müller-Wiener u. a. (Hrsg.): Al-Andalus und Europa : zwischen Orient und Okzident. Imhof, Petersberg 2004, ISBN 3-935590-77-6, S. 389–398.
  3. Auktionsnachrichten. In: Kunst und Künstler. Illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe. 20, 1922, S. 177 (Digitalisat)
  4. Obwohl so in allen Lebensläufen nicht aufgenommen in Biographisches Handbuch des deutschen Auswärtigen Dienstes 1871–1945. Band 5: T–Z. Schöning, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-71844-0.
  5. Dr. Hans Wendland und sein Heim bei Lugano. Fotografien in: Der Querschnitt, Oktober 1928.
  6. Hermann Ball, Paul Graupe (Hrsg.): Sammlung Dr. Hans Wendland, Lugano, Handkatalog der Versteigerung. Katalog Berlin, Versteigerung vom 20. bis 25. April 1931 (Digitalisat)
  7. Beleg fehlt.
  8. Michael Soukup: Hitler setzte auf einen Luzerner Kunsthändler. In: Tages-Anzeiger. 5. November 2013; Georg Kreis: „Entartete Kunst“ in Basel: eine Chronik ausserordentlicher Ankäufe im Jahre 1939. In: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde. 78, 1978, S. 179–180 Anm. 35, doi:10.5169/seals-117978.
  9. George J. Nagel, Report Federal Bureau of Investigation, 19. August 1944. online (Memento vom 29. Dezember 2015 im Internet Archive)
  10. Rezension Max J. Friedländer, Repertorium für Kunstwissenschaft 30, 1907, S. 466–468 (Digitalisat).
  11. Rezensionen Heinrich Feurstein, Jahrbuch für Kunstwissenschaft 1926, S. 119–121 und Hans Jantzen, Oberrheinische Kunst 1, 1925, S. 99–100.
  12. Dazu Thomas Buombergers Analyse zur Raubkunst in der Schweiz: Nichts zurückzugeben – viele neue Verdächtige. In: Neue Zürcher Zeitung. 12. Februar 2008, abgerufen am 29. Dezember 2015.