Gna (Schiff)

ehemaliger Schraubendampfer auf dem Bodensee

Die Gna war ein 1907 gebauter schneller Schraubendampfer, der auf dem Bodensee als Forschungsschiff zur Gewinnung von meteorologischen Daten eingesetzt wurde.

Gna
Schiffsdaten
Flagge Wurttemberg Württemberg
Deutsches Reich Deutsches Reich
Heimathafen Friedrichshafen
Bauwerft Schichau-Werke, Elbing
Baunummer 803
Baukosten 74.800 Mark
Stapellauf 1907
Indienststellung 1908
Außerdienststellung 1942
Verbleib 1954 abgewrackt
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 27 m (Lüa)
Breite 3,40 m
Tiefgang (max.) 1,5 m
Verdrängung 20 t
Maschinenanlage
Maschine Dreizylinder-Verbundmaschine
indizierte
Leistung
Vorlage:Infobox Schiff/Wartung/Leistungsformat
 PS (Err kW)
Höchst­geschwindigkeit 19,6 kn (36 km/h)
Propeller 1

Geschichte Bearbeiten

 
An Deck der Gna

Über den Schraubendampfer Gna, benannt nach Gna, der windschnellen Botin der nordischen Götterkönigin Frigg, ist in der nautischen Literatur wenig bekannt,[1] außer dass sie der Aerologie, dem von Hugo Hergesell begründeten Flugwetterdienst, diente. Dazu wurden Messinstrumente mittels Drachen von der Gna bei schneller Fahrt in große Höhen gezogen. Sie wurde deshalb als „Drachenboot“ (besser: Drachenschleppboot) bezeichnet, in einigen Publikationen auch als „Stationsschiff“ oder „Aufstiegsschiff“ der Ballonstation Friedrichshafen. Erste Versuche am Bodensee führten von Zeppelin und Hergesell bereits 1900 und 1902/1903 durch, damals noch mit dem Luftschraubenboot Württemberg. Aus den verschiedenen Berichten[2] über die von Ferdinand von Zeppelin am 1. April 1908 gegründete Drachenstation (Wetterstation) in Friedrichshafen und dem Archivmaterial des Luftschiffbaus Zeppelin,[3] sowie Fritz Maier[4] ergibt sich, dass die Gna 1907 als Baunummer 803[5] von der auf den Bau von Torpedobooten spezialisierten Werft Schichau in Elbing bei Danzig im Auftrag des Reichsamtes des Inneren speziell für die Drachenstation zum Preis von 74.800 Mark gebaut wurde. Werft und Auftraggeber konnten bei der Planung auf Erfahrungen mit dem Hochsee-Drachenschiff Sleipner zurückgreifen. Das 1900 gebaute Torpedoboot war aber wesentlich größer und auch schneller.

Nachdem bei Probefahrten der Werft auf dem Frischen Haff eine Geschwindigkeit von 18,5 Knoten (34,3 km/h) erreicht wurde,[6] erfolgte die endgültige Abnahme zur vollen Zufriedenheit am 20. Januar 1908 bei einer Probefahrt nach Konstanz. Die Rückfahrt nach Friedrichshafen wurde in 35 Minuten bewältigt, das entspricht 40 km/h. Die Gna war das schnellste Dampfschiff auf dem Bodensee und lange auch das schnellste Einrumpfschiff dieser Größe. Die Einweihung fand in Anwesenheit des württembergischen Königspaares am 11. Juli 1908 statt. Eine Besonderheit war die Flaggenführung der Gna im Dienst: Wohl als einziges Bodenseeschiff in Friedenszeiten führte sie die Reichsdienstflagge der Kaiserlichen Marine (am Bug) wie auch die Flagge des Königreichs Württemberg (am Heck).[7]

Der Bau eines bereits geplanten zweiten Schiffes wurde durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert. Von 1914 bis 1918 wird das Schiff als Flugbetriebsfahrzeug dem Kommandeur der Luftschiffer unterstellt.[8] Nach dem Krieg führten die knappen Mittel zu reduzierten Einsätzen. Erst in den frühen 1930er Jahren gewann die Aerologie wieder an Bedeutung, sichtbar an der Aufwertung der neuen Drachenstation zu einem Aeronautischen Observatorium, das dem Reichsluftfahrtministerium unterstand. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde es dem Oberkommando der Luftwaffe mit unbekannter Funktion unterstellt. Die technischen und meteorologischen Fortschritte waren aber bereits so bedeutend, dass angesehene Meteorologen wie Hermann Flohn den wissenschaftlichen Nutzen der Drachenstation mit der Gna nach 1935 als unbedeutend einstuften.[9]

Im Zweiten Weltkrieg war der Einsatz des Forschungsschiffes zunehmend schwierig; 1942 wurde er völlig eingestellt. „Das Drachenboot GNA wurde, so ein Artikel der Schwäbischen Zeitung vom 5. April 1953, bei einem Bombenangriff (...) zerstört, sank und konnte erst nach Beendigung des Krieges gehoben und in die Bodanwerft überführt werden. Pläne zu einer Wiederverwendung wurden zwar noch durch die französische Besatzungsmacht in Angriff genommen, das Projekt scheiterte jedoch an den Kosten. Über das endgültige Schicksal des Drachenboots GNA liegen bislang keine gesicherten Erkenntnisse vor.“[10] Nach Allwang[11] erhielt die Gna bei der Bombardierung Friedrichshafens am 28. April 1944 ein Loch über der Wasserlinie. Sie sank nach Kriegsende beim Abschleppversuch französischer Soldaten zur Werft, wurde aber wieder gehoben. In der Bundesdrucksache Nr. 4116 vom 25. Februar 1953 findet man den Eintrag „Kap. (E 24) Titel 11: Wiederaufbau des Forschungsschiffes „Gna“, 2. Teilbetrag Wiederholungshaushalt 1952 DM ---“, wonach das Vorhaben offenbar aufgegeben wurde.[12] Aus dem Kommissionsbuch der ehemaligen Bodan-Werft in Kressbronn am Bodensee geht hervor, dass die Gna dort mehrfach in Stand gesetzt und 1954 verschrottet wurde.[13]

Einsatz und Technik Bearbeiten

 
Mit dem schnellen Schrauben­dampfer konnten die Wetterdrachen selbst bei Windstille in den Himmel gezogen werden.

Von der Gna aus wurden in Seemitte oder – selbst in Kriegszeiten – am schweizerischen Südufer Messinstrumente mittels großer Wetterdrachen oder eines 60 m³-Fesselballons ungestört von Hindernissen in Höhen bis zu 6000 Meter gebracht; in der Regel erreichten sie 3000 Meter. Die Gna war „pfeilschnell“, um entweder den Drachen selbst bei Windstille möglichst hoch zu ziehen oder um bei Fahrt mit achterlichem Wind den Ballon möglichst senkrecht zu halten, indem die Geschwindigkeit des Schiffes der des Windes entsprach. Dazu musste sie schnell reagieren können. Dr. Kleinschmidt, Vorstand der Drachenstation, erklärte dies seinen Besuchern am 14. Juli 1909 so, dass „die Gna imstande ist, unter Anwendung eines Luft eintreibenden Ventilators sehr rasch, binnen 3 Minuten, von gewöhnlicher Fahrt zur stärksten Kraftanstrengung übergehen, wozu es seine Kesselkonstruktion befähigt.“[14] Dabei dürften Mannschaft und Material bis zum Äußersten gefordert gewesen sein.[15] Trotz guter Wartung war die Gna sehr reparaturanfällig. Nach Unterlagen des Reichstags[16] war das Schiff bereits in den ersten fünf Jahren an 50 bis 60 Tagen nicht einsatzfähig, Tendenz steigend.

 
Längsschnitt, Raumplan und Decksplan der Gna. Zeppelin Museum Friedrichshafen - Technik und Kunst

Der Aufstieg eines Ballons dauerte etwa eine Stunde. Danach wurden die gemessenen meteorologischen Daten noch während der Fahrt an die Drachenstation übermittelt. Neben der aerologischen Forschung diente die Gna auch der Limnologie mit der regelmäßigen Messung der Wassertemperatur an der Oberfläche und in der Tiefe.

Der Schraubendampfer, der einem kleinen Torpedoboot ähnelte, wurde angetrieben von einer Dreizylinder-Dreifach-Expansionsmaschine mit Oberflächenkondensation mit einer Leistung von 350 bis 530 PSi. Der Dampfantrieb war zwar aufwendiger als ein Verbrennungsmotor, damals aber noch zuverlässiger. Die Mannschaft bestand aus je drei Mann Schiffsbesatzung und Wetterforscher. Der Rumpf des schmalen Glattdeckdampfers war anfangs hell, später dunkel gestrichen und in fünf Abteilungen (siehe Raumplan, vom Bug aus) abgeschottet: (1) Zwei Kabinen für Apparate und Arbeitsplätze, (2) Heizraum und Kohlenbunker, (3) Maschine mit Dynamo-Aggregat, (4) zehn Drachen, davon drei startbereit, (5) Taue etc. Der Decksplan sah vom Bug ausgehend so aus: (a) Anker und Scheinwerfer, (b) Lüfter mit „Turbo“-Ventilator, (c) hinten offener Steuerstand mit Kompass, (d) Schornstein, (e) elektrische Winde (60 kg Zug) mit vier Abteilungen Klavierdraht à 4000 m; 90 Stufen Umdrehungsgeschwindigkeit (2 cm/s bis 3 m/s) zum schnellen Ausgleich von Änderungen der Windstärke, (f) Dynamometer zur Messung des Zuges auf dem Draht, (g) Mast mit Vorrichtungen zum Drachen-/Ballonstart.[17]

Berichte zur Gna Bearbeiten

  • Am 8. März 1917 strandete die Gna infolge eines Maschinenschadens während eines starken Sturms bei Langenargen. Abschleppversuche der König Karl blieben wegen des niedrigen Wasserstands erfolglos, wurden aber am folgenden Tag fortgesetzt.[18]
  • Mitte August 1924 ereignete sich ein schwerer Unfall mit Beteiligung der Gna. Forscher vom Institut für Seenforschung in Langenargen führten in Seemitte Höhe Manzell verschiedene Versuche durch, die von Zuschauern auf vier Begleitbooten verfolgt wurden. An Bord der luxuriösen Motoryacht Stauffen eines Fabrikanten aus Weingarten befanden sich etwa 20 Personen, darunter Mitglieder der Regierung und des Landtags sowie hohe Beamte. Bei einem Manöver geriet die Stauffen in das Kielwasser der Gna und krängte so stark, dass die Gäste in ihren Korbsesseln ins Rutschen gerieten. Da die Reling zu schwach war, stürzten neun von ihnen über Bord. Ein hoher Beamter ertrank, die anderen konnten gerettet werden. Ermittlungen ergaben, dass die Stauffen nur für 12 Personen zugelassen war und zu wenig Rettungsmittel an Bord hatte.[19]
  • Der 11. Deutsche Physikertag 1935 fand in Stuttgart statt. Er endete mit einer Ausfahrt der Wissenschaftler auf der Gna und dem Aufstieg eines Fesselballons. Beteiligt war auch Erich Regeners Forschungsschiff Undula zur Messung kosmischer Strahlungen.

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Gna (Schiff) – Sammlung von Bildern

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bönke (siehe Literatur), S. 178 und 180; Deppert (siehe Literatur), S. 178.
  2. Siehe Weblinks zur Gna: drachenarchiv.de, charlesdrachenseite.ch, suedkurier.de
  3. Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen: Konvolut zur Gna, insbesondere die Details des Bauvertrags (Einsichtnahme am 25. Juni 2013). Beim Bundesarchiv befinden sich in den Akten des Bestandes R 5 Reichsverkehrsministerium Archivakten (Signatur R 5/3725 ff) aus der Zeit von 1902 bis 1909. (Auskunft des Bundesarchivs vom 15. Oktober 2014)
  4. Maier, (s. Literatur) S. 46.
  5. Bauliste der Schichau-Werft
  6. Liechtensteinensia 1908, S. 3 (PDF; 277 kB) Abruf vom 2. Januar 2015
  7. Liechtensteinensia 1908, S. 3 (PDF; 277 kB) Abruf vom 2. Januar 2015. Alle deutschen Bodenseeschiffe fuhren bis 1918 unter der badischen, bayerischen oder württembergischen Landesflagge und nicht unter der Flagge des Deutschen Kaiserreichs.
  8. Erich Gröner, Dieter Jung, Martin Maass: Die deutschen Kriegsschiffe, 1815–1945, Band 7, Bernard & Graefe, 1994. ISBN 3763748075
  9. „... eine zum Lächeln reizende Erinnerung“. Hermann Flohn: Meteorologie im Übergang: Erfahrungen und Erinnerungen (1931-1991), S. 6
  10. Stadtarchiv Friedrichshafen, Ausstellung 'Schnelle Communication' 2007, nach Auskunft vom 14. Oktober 2013.
  11. Alexander Allwang: Buchbesprechung Werner Deppert Mit Dampfmaschine und Schaufelrad (siehe Literatur). In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, Ausgaben 95, Verlag Bodenseegeschichtsverein, 1976, S. 169.
  12. Nachtrag zum Haushalt des Bundesministeriums für Verkehr für das Rechnungsjahr 1952, hier Kap.14 Deutscher Wetterdienst Seite 42
  13. Exponatlegende zur Ausstellung „100 Jahre Drachenstation Friedrichshafen“ 2008 im Zeppelin Museum Friedrichshafen – Technik und Kunst. Wegen der Eigentumsverhältnisse der Werftakten ist aber derzeit eine verlässliche Bestätigung nicht möglich
  14. Zitiert nach dem Bericht auf Seite XCI in: Jahreshefte des Vereins für vaterländische Naturkunde in Württemberg. Hrsg.: Prof. J. Eichler, Stuttgart 1910. (Online).
  15. Zu den Details der Aerologie und der Arbeitsweise der Drachenstation siehe Weblink (3) Gna auf drachenarchiv.de. und Diem (s. Literatur)
  16. Verhandlungen des Reichstags Band 320. Norddeutsche Buchdruckerei und Verlagsanstalt 1914, S. 258
  17. Sämtliche Angaben: Kleinschmidt (s. Literatur), S. 519f.
  18. Reutlinger General-Anzeiger vom 12. März 1917, Seite 2
  19. Der Bootsunfall vom Bodensee. In: Reutlinger General-Anzeiger vom 19. August 1924 (Memento vom 1. Januar 2015 im Internet Archive)