Genetisches Isolat

Population von Organismen

Ein genetisches Isolat ist eine Population von Organismen, die eine geringe oder keine genetische Vermischung mit anderen Organismen derselben Art aufweist. In einigen Fällen kann es zur Artbildung (Speziation) kommen, aber das muss nicht unbedingt der Fall sein. Der Begriff bezieht sich auf gewöhnlich auf Organismen mit geschlechtlicher Fortpflanzung, wie sie gewöhnlich bei Eukaryoten, insbesondere Tieren und Pflanzen, vorkommt. Allgemein ist Voraussetzung, dass die Individuen einer Population normalerweise im ständigen Austausch (Genfluss) ihrer genetischen Information stehen (etwa durch Rekombination und/oder Reassortment). Genetische oder reproduktive Isolation ist dann das Ausbleiben dieser Vermischung durch Unterbrechung des Genflusses.[1][2][3]

Ursachen genetischer Isolation Bearbeiten

Genetische Isolate können auf verschiedene Weise zur Entstehung neuer Arten führen:[1][2][3]

  • Allopatrische Speziation: Bei dieser werden zwei Populationen derselben Art durch eine äußere Barriere geografisch voneinander getrennt und entwickeln eine intrinsische (genetische) reproduktive Isolation.
  • Peripatrische Speziation: Hier wird eine kleine Gruppe einer Population von der Hauptpopulation getrennt und erfährt eine genetische Drift infolge von Selektionsdruck.
  • Parapatrische Speziation: Die Kerngebiete der Zonen zweier unterschiedlicher Populationen sind hier getrennt, in ihren Randgebieten kommt es aber zu regionalen Überschneidungen. Die teilweise Trennung wird ebenfalls durch die Geographie garantiert, sodass Individuen jeder Population von Zeit zu Zeit miteinander in Kontakt kommen können. Die Auswahl nach bestimmten Verhaltensweisen oder Mechanismen (beispielsweise Im Balzverhalten oder der genauen Melodie des Vogelgesangs) kann die Fortpflanzung zwischen den beiden Gruppen verhindern.
  • Sympatrische Speziation: Dies ist eine umstrittene Artbildungsmethode, bei der Arten sich zweiteilen, während sie denselben Ort bewohnen.

Die ersten beiden Szenarien führen zur geografischen Isolation, das letzte zur ökologischen Isolation, das dritte stellt eine Mischform dar.

Zu den menschlichen Einflüssen auf genetische Isolate gehört eine genetische Durchmischung von Haustieren begrenzende Rassezucht (Beispiele: Hundezucht und Kaninchenzucht); analog die Zucht neuer Sorten von Nutz- und Kulturpflanzen (Beispiele: Kartoffelsorten, Rosensorten und Weizensorten – nicht -arten).

Isolate und Subspezies aufgrund allopatrischer Speziation bei Giraffen Bearbeiten

Wenn sich eine Art in zwei verschiedene Gruppen aufspaltet, die voneinander isoliert sind, wird dies als allopatrische Speziation (Artbildung) bezeichnet.[4] Die Giraffe (Giraffa camelopardalis),[5] ist ein Beispiel für die allopatrische (Unter-)Artbildung, wie sie durch die genetische Isolierung einer Population entsteht. Mehrere Giraffenkladen weisen Unterschiede in ihrer mitochondrialen DNA (mtDNA) auf, die zwischen verschiedenen Regionen Afrikas variieren. Diese Unterschiede gehen auf die Mitte des Pleistozäns zurück und fallen mit der genetischen Isolation aufgrund klimatischer und geografischer Trennungen innerhalb der Populationen zusammen, was die Entwicklung und Unterspeziation der verschiedenen Unterarten der Giraffe und die Unterschiede in ihrer Farbmuster ermöglichte.[6]

Genetische Isolate beim Jetztmenschen Bearbeiten

Genetische Isolate beim Jetztmenschen (Homo sapiens) selbst findet man bei Gemeinschaften, die abgeschieden von anderen leben, wie auf Tristan da Cunha oder den Pitcairn-Inseln. Weitaus größere und weniger abgelegene menschliche genetische Isolate sind Völker wie in Europa die Sarden oder auch die Finnen, die Ureinwohner Sardiniens bzw. Finnlands.[1] Beispiele in Asien sind

Isolation und Bedrohung durch Aussterben Bearbeiten

Isolation in Kombination mit abnehmender Lebensraumqualität und Populationsdichte kann mit großer Wahrscheinlichkeit zum Zusammenbruch einer Population und schließlich zu deren Aussterben führen.[7] Es ist erwiesen, dass die zufällige Mutationsrate, Drift, hohe Inzuchtqouten, eingeschränkter Genfluss und regionales Aussterben mit der Isolation zunehmen. Unterschiedliche klimatische Bedingungen, wie geografische Klimaveränderungen, können zu Belastungen führen, die die genetische Zusammensetzung einer Art drastisch verändern und durch regional stark unterschiedliche Selektionsprozesse zu Unterschieden im Genpool führen,[8] sowie zu einer verstärkten genetischen Isolation zwischen Populationen in einer heterogenen Landschaft.[9] Umweltheterogenität wurde in der Vergangenheit als wichtige Quelle für genetische Variationen und Unterschiede aufgrund von Isolation identifiziert. Genetische Isolation und die Auswirkungen regional unterschiedlicher Lebensumstände können als Beleg für eine diversifizierende Selektion angeführt werden, die über das gesamte Genom hinweg wirkt und auch offensichtlich neutrale Gene umfasst. Dies kann zur Vorhersage langfristiger Auswirkungen von Umweltfaktoren auf die genetische Vielfalt und die genetische Isolation herangezogen werden.[10]

Stark fragmentierte Populationen Bearbeiten

Der Zusammenhang zwischen der Statistik genetischer Unterschiede und der Populationsgröße wurde bisher wissenschaftlich kaum beachtet, obwohl kleine Populationen eine geringere genetische Variation an Markerloci aufweisen. Es ließ sich zeigen, dass in kleineren fragmentierten Meta-Populationen sowohl die neutrale als auch die quantifizierbare genetische Variation reduziert ist und sowohl die Drift als auch die selektionsbedingte Veränderungen verstärkt werden.[11]

Sympatrische Spezies durch Klimaeinflüsse Bearbeiten

Die Anpassung an unterschiedliche klimatische Bedingungen kann eine wichtige Quelle für genetische Unterschiede und die Isolation von Populationen sein. So liefern beispielsweise erfolgreiche Wirtswechsel bei Pflanzenschädlingen unter den Insekten einige der überzeugendsten Beweise für ökologische Diversifizierung bei sympatrischer Artbildung[12]

Genetische Isolate und die Auswirkungen der genetischen Vielfalt Bearbeiten

Arten mit enormen ökologischen Bandbreiten weisen im Allgemeinen eine große genetische Vielfalt auf. Stärker spezialisierte Arten mit geringer ökologischer Bandbreite und Häufigkeit haben dagegen nur eine geringe genetische Vielfalt. Inzuchtdepressionen, d. h. Verringerung der genetischen Vielfalt (im Genpool) aufgrund von Inzucht stellen vielleicht die größte Bedrohung für Arten mit mäßigen Lebensraumansprüchen und großer genetischer Vielfalt dar.[13]

Genetische Isolate auf Inseln Bearbeiten

Das Phänomen der genetischen Isolation unter den speziellen Bedingungen mehr oder weniger kleiner Inseln wurde von Haider et al. 2012 untersucht,[14] siehe auch Inselverzwergung.

Literatur Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Mauricio Arcos-Burgos, Maximilian Muenke: Genetics of population isolates. In: Clinical Genetics, Band 61, Nr. 4, S. 233–247, 27. Mai 2002; doi:10.1034/j.1399-0004.2002.610401.x, PMID 12030885.
  2. a b Jane B. Reece, Lisa A. Urry, Michael L. Cain, Steven A. Wasserman, Peter V. Minorsky, Robert B. Jackson: Campbell Biology, 9th edition, Pearson 2011, S. 489–491
  3. a b Ernst Mayr: Populatiomns, species, and evolution – An abridgment of Animal species and evolution. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts & London, England, 1. Januar 1970, ISBN 0-674-69013-3.
  4. Ilmari Karonen (Illustration) et al.: Speciation. National Geographic Society (NGS), Re​source Library. Zugriffsdatum: 18. März 2022.
  5. Sarah Maisano; Tanya Dewey (Hrsg.): Giraffa camelopardalis – giraffe. Auf: Animal Diversity Web (ADW), University of Michigan, Ecology and Evolutionary Biology, Museum of Zoology, 2020.
  6. David M. Brown, Rick A. Brenneman, Klaus-Peter Koepfli, John P. Pollinger, Borja Milá , Nicholas J. Georgiadis, Edward E. Louis Jr, Gregory F. Grether, David K. Jacobs, Robert K. Wayne: Extensive population genetic structure in the giraffe. In: BMC Biology. 5. Jahrgang, Nr. 1, 21. Dezember 2007, S. 57, doi:10.1186/1741-7007-5-57, PMID 18154651, PMC 2254591 (freier Volltext).
  7. Ken A. Sterling, David H. Reed, Brice P. Noonan, Melvin L. Warren: Genetic effects of habitat fragmentation and population isolation on Etheostoma raneyi (Percidae). In: Conservation Genetics. 13. Jahrgang, Nr. 3, 28. März 2012, ISSN 1566-0621, S. 859–872, doi:10.1007/s10592-012-0335-0.
  8. Juergen Kreyling, Constanze Buhk, Sabrina Backhaus, Martin Hallinger, Gerhard Huber, Lukas Huber, Anke Jentsch, Monika Konnert, Daniel Thiel, Martin Wilmking, Carl Beierkuhnlein: Local adaptations to frost in marginal and central populations of the dominant forest tree Fagus sylvatica L. as affected by temperature and extreme drought in common garden experiments. In: Ecology and Evolution. 4. Jahrgang, Nr. 5, 7. Februar 2014, ISSN 2045-7758, S. 594–605, doi:10.1002/ece3.971, PMID 25035801, PMC 4098140 (freier Volltext).
  9. Anna-Christina Bockelmann, Thorsten B. H. Reusch, R. Bijlsma, Jan P. Bakker: Habitat differentiation vs. isolation-by-distance: the genetic population structure of Elymus athericus in European salt marshes. In: Molecular Ecology. 12. Jahrgang, Nr. 2, Februar 2003, ISSN 0962-1083, S. 505–515, doi:10.1046/j.1365-294x.2003.01706.x, PMID 12535100.
  10. Xiao-Long Jiang, Miao An, Si-Si Zheng, Min Deng, Zhi-Hao Su: Geographical isolation and environmental heterogeneity contribute to the spatial genetic patterns of Quercus kerrii (Fagaceae). In: Heredity. 120. Jahrgang, Nr. 3, 27. Dezember 2017, ISSN 0018-067X, S. 219–233, doi:10.1038/s41437-017-0012-7, PMID 29279604, PMC 5836588 (freier Volltext).
  11. Yvonne Willi, Josh Van Buskirk, Bernhard Schmid, Markus Fischer: Genetic isolation of fragmented populations is exacerbated by drift and selection. In: Journal of Evolutionary Biology. 20. Jahrgang, Nr. 2, März 2007, ISSN 1010-061X, S. 534–542, doi:10.1111/j.1420-9101.2006.01263.x, PMID 17305819.
  12. Yan Thomas, Marie-Thérèse Bethenod, Laurent Pelozuelo, Brigitte Frérot, Denis Bourguet: Genetic Isolation Between Two Sympatric Host-Plant Races of the European Corn Borer, Ostrinia Nubilalis Hubner I. Sex Pheromone, Moth Emergence Timing, and Parasitism. In: Evolution. 57. Jahrgang, Nr. 2, Februar 2003, ISSN 0014-3820, S. 261–273, doi:10.1111/j.0014-3820.2003.tb00261.x, PMID 12683523.
  13. Jan Christian Habel, Thomas Schmitt: The burden of genetic diversity. In: Biological Conservation. 147. Jahrgang, Nr. 1, März 2012, ISSN 0006-3207, S. 270–274, doi:10.1016/j.biocon.2011.11.028.
  14. Sylvia Haider, Christoph Kueffer, Peter J. Edwards, Jake M. Alexander: Genetically based differentiation in growth of multiple non-native plant species along a steep environmental gradient. In: Oecologia. 170. Jahrgang, Nr. 1, September 2012, ISSN 0029-8549, S. 89–99, doi:10.1007/s00442-012-2291-2, PMID 22434406, bibcode:2012Oecol.170...89H (englisch).