Gemeinschaftskraftwerk Kiel

Stillgelegtes Steinkohlekraftwerk

Das Gemeinschaftskraftwerk Kiel (GKK) wurde von Uniper und den Stadtwerken Kiel gemeinsam betrieben. Das mit importierter Steinkohle befeuerte Kohlekraftwerk erzeugte Strom und versorgte mehr als 60.000 Haushalte mit Fernwärme. Im Jahr 2019 wurde das Kraftwerk stillgelegt und durch ein direkt daneben errichtetes, modular aufgebautes Gasmotorenkraftwerk mit dem Namen Küstenkraftwerk ersetzt.[2] Zwischen 2021 und 2023 erfolgte der schrittweise Abriss des Gemeinschaftskraftwerks.

Gemeinschaftskraftwerk Kiel
Gemeinschaftskraftwerk Kiel
Gemeinschaftskraftwerk Kiel
Gemeinschaftskraftwerk Kiel
Lage
Gemeinschaftskraftwerk Kiel (Schleswig-Holstein)
Gemeinschaftskraftwerk Kiel (Schleswig-Holstein)
Koordinaten 54° 20′ 22″ N, 10° 10′ 37″ OKoordinaten: 54° 20′ 22″ N, 10° 10′ 37″ O
Land Deutschland
Daten
Primärenergie Steinkohle
Brennstoff Steinkohle
Leistung 354 Megawatt
Eigentümer Uniper Kraftwerke GmbH, Stadtwerke Kiel AG
Betreiber Uniper Kraftwerke GmbH, Stadtwerke Kiel AG
Projektbeginn 1965
Betriebsaufnahme 1970
Stilllegung 2019[1]
Schornsteinhöhe 129,5 m
Website https://www.gkk-kiel.de
Stand April 2019

Geschichte Bearbeiten

Im Jahr 1965 entwickelten die Stadtwerke Kiel Pläne für ein neues Kraftwerk, das eine Leistung von 100 MW haben sollte. Da neue Kraftwerke nach einem Gesetz jedoch mindestens 300 MW haben sollten, kooperierten die Stadtwerke mit der Nordwestdeutschen Kraftwerke AG, die ebenfalls ein neues Kraftwerk errichten wollten. Hierfür wurde eine Betreibergesellschaft gegründet, die Gemeinschaftskraftwerk Kiel GmbH, an der die Nordwestdeutsche Kraftwerke AG mit zwei Dritteln und die Stadtwerke Kiel AG mit einem Drittel beteiligt waren. 1987 kam es zu einer Änderung der Beteiligungsverhältnisse. PreussenElektra, in der die Nordwestdeutschen Kraftwerke AG inzwischen aufgegangen war, verkaufte einen Teil ihres Anteils an die Stadtwerke Kiel, sodass beide Partner nun 50 % am Kraftwerk hielten. Als im Jahr 2000 PreussenElektra mit der Bayernwerk AG fusionierte, ging deren Anteil auf das daraus neu gegründete Unternehmen E.ON über. 1990 wurde der Fernwärmetunnel Kiel zur anderen Seite der Kieler Förde fertiggestellt, in dem zwei Fernwärmeleitungen mit 700 mm Durchmesser verlaufen.

Technik Bearbeiten

Das Kraftwerk hatte eine Bruttoleistung von 354 MW, die Nettoleistung betrug 323 MW. Darüber hinaus konnten bis zu 295 MWth als Fernwärme ausgekoppelt werden. Dies geschah, indem Dampf vor Durchströmen der Niederdruckturbine abgezweigt und in Wärmetauscher geleitet wurde, in denen das Heizwasser auf eine Temperatur von 130 °C erwärmt wurde. Der elektrische Wirkungsgrad des Kraftwerks lag nach mehreren Modernisierungen zuletzt bei ca. 39,5 %; der Gesamtwirkungsgrad inklusive der Fernwärmeauskopplung lag bei etwas über 50 %. Bei Volllast wurden pro Stunde ca. 110 Tonnen Steinkohle verfeuert. Der Netzanschluss erfolgte auf der Höchstspannungsebene (220 kV) in das Stromnetz der TenneT TSO, ehemals E.ON Netz GmbH.

Die Auslastung des Gemeinschaftskraftwerks folgte im Zeitraum 2015 bis 2019 nicht dem deutschlandweiten Trend, die prozentuale Volllast lag in 2019 höher als im deutschlandweiten Durchschnitt. Dies liegt vor allem an der Versorgung von Fernwärme.

Die prozentuale Volllast des Gemeinschaftskraftwerks Kiel im Vergleich zu den restlichen Steinkohlekraftwerken in Deutschland im Zeitraum 2015–2019
2015 2016 2017 2018 2019
GKK Kiel 49 39,5 37 40,9 48,3
Ø Deutschland 48,6 47,2 40,6 41,5 30,7

Ersatzbau Bearbeiten

 
Das neue Gaskraftwerk, nördlich (hier: links) des alten Kohle-Kraftwerks

Im Frühjahr 2019 wurde das Gemeinschaftskraftwerk stillgelegt und ist durch ein im November 2019 in Betrieb gegangenes Gaskraftwerk mit dem Namen Küstenkraftwerk ersetzt worden. Das Gaskraftwerk besteht aus 20 in Kraft-Wärme-Kopplung betriebenen Gasmotoren mit insgesamt 190 MW elektrischer Leistung. Zudem können 190 MW Fernwärme ausgekoppelt werden. Insgesamt ist somit ein Brennstoffausnutzungsgrad von mehr als 90 % möglich, womit die Kohlenstoffdioxid-Emissionen gegenüber dem kohlebefeuerten Gemeinschaftskraftwerk um 70 % reduziert werden können. Durch die Bauweise kann das Kraftwerk sehr flexibel betrieben werden: Jeder der Gasmotoren ist individuell regelbar und kann binnen 5 Minuten seine Nennleistung erreichen, während das ursprüngliche Kohlekraftwerk mindestens 4 Stunden für das Hochfahren auf Nennleistung benötigte. Ergänzt wird der Kraftwerksneubau durch einen Fernwärmespeicher mit 30.000 Kubikmetern Fassungsvermögen und eine Power-to-Heat-Anlage, die durch Entkopplung von Stromerzeugung und Wärmeversorgung zusätzliche Flexibilität im Betrieb ermöglichen. Die Gesamtkosten des Neubaus werden mit 290 Mio. Euro angegeben.[3][4]

Rückbau Bearbeiten

Seit Ende 2021 wurde das stillgelegte Kraftwerk rückgebaut. Dabei wurden u. a. der Schornstein, das Kesselhaus und der Turbinentisch gezielt gesprengt[5]. Das dann geräumte Grundstück von 14 Hektar wird in der Folge je zur Hälfte vom Seehafen Kiel und von den Stadtwerken Kiel verwendet werden[6].

Die ersten beiden Anlagenteile wurden am 2. April 2023 gesprengt. Dabei flog ein 6 kg schweres Metallteil, das durch einen unter Spannung stehenden Stahlträger in die Luft geschleudert wurde, 1,1 Kilometer weit und schlug in ein Einfamilienhaus, dessen Bewohner zu Hause waren, ein. Es blieb bei Sachschaden,[7] der Vorfall verzögerte, bis die Ursache geklärt war, die weiteren Sprengungen jedoch um zwei Monate. Am 11. Juli 2023 erfolgte die Sprengung des Kesselhauses. Dieses kippte, wie geplant, auf die Seite, doch die unmittelbar daran angebaute Entstickungsanlage, die gleichzeitig einstürzen sollte, sackte, obwohl alle Sprengladungen zündeten, lediglich um einige Zentimeter ab und blieb auf den Schnittflächen der mit Schneidladungen gesprengten Stahlstützen stehen. Ein zweiter Sprengversuch noch am gleichen Tag misslang ebenfalls. Erst eine dritte Sprengung am Tag darauf brachte die Anlage zum Einsturz.[8] Schätzungsweise 12 000 Tonnen Stahl waren danach zu zerlegen und zu beräumen.[9] Am 17. November 2023 wurde der Schornstein problemlos gefällt und damit die finale Sprengung vollzogen.[10] Sprengmeister bei diesem Kraftwerksabriss war Eduard Reisch.[8]

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Commons: Gemeinschaftskraftwerk Kiel – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Seit Sonntag ist Kraftwerk Geschichte . In: Kieler Nachrichten, 1. April 2019. Abgerufen am 1. April 2019.
  2. Gas macht Kohlezüge überflüssig (Memento vom 21. Dezember 2013 im Internet Archive). In: Segeberger Zeitung, 27. Oktober 2013. Abgerufen am 26. Januar 2021
  3. Die modernste Anlage Europas. In: Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag, 11. November 2016. Abgerufen am 23. September 2017.
  4. Jetzt schon stolz auf das Küstenkraftwerk. In: Kieler Nachrichten, 26. Februar 2017. Abgerufen am 23. September 2017.
  5. NDR: Kieler Kohlekraftwerk verschwindet langsam. Abgerufen am 30. November 2022.
  6. Annette Göder: Kiel: So wird das alte Gemeinschaftskraftwerk zurückgebaut. Abgerufen am 30. November 2022.
  7. NDR: Kiel: Unfall bei Sprengung von Gemeinschaftskraftwerk. Abgerufen am 3. Juni 2023.
  8. a b NDR: Kraftwerk in Kiel: Sprengung im dritten Versuch erfolgreich. Abgerufen am 14. November 2023.
  9. Ein Kraftwerk verschwindet – Teil 2: Sprengungen mit Hindernissen | Die Nordreportage | NDR Doku. Abgerufen am 16. April 2024 (deutsch).
  10. NDR: Schornstein im ersten Anlauf gesprengt: Letzter Teil des alten Kieler Kohlkraftwerks ist weg. Abgerufen am 17. November 2023.