Friedrich Bronsart von Schellendorf

deutscher Offizier, zuletzt Generalleutnant; General in der osmanischen Armee

Friedrich (Fritz) Heinrich Bruno Julius Bronsart von Schellendorf (* 16. Juni 1864 in Berlin; † 23. Januar 1950 in Kühlungsborn) war ein preußischer Generalleutnant und im Ersten Weltkrieg Chef des Generalstabs des osmanischen Feldheeres. Er war an führender Stelle am Völkermord an den Armeniern beteiligt.

Friedrich Bronsart von Schellendorf als Oberst (1913)

Herkunft und Familie

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Friedrich war der Sohn des preußischen Generals und späteren Kriegsministers Paul Bronsart von Schellendorff und wuchs auf dessen Rittergut im ostpreußischen Schettnienen auf. Er schlug wie alle seine Brüder eine militärische Laufbahn ein und heiratete 1887 in Schwerin seine Kusine Veronica Bronsart von Schellendorff (1867–1968). Die Botanikerin Huberta von Bronsart (1892–1978) ist ihre gemeinsame Tochter. Ihre ältere Schwester Rosalie (1889–1909) verstarb früh. Ein Vetter (und zugleich Schwager) Friedrichs war der Generalstabsoffizier Bernhard Bronsart von Schellendorff, der im Ersten Weltkrieg Stabschef verschiedener deutscher Armeen, hauptsächlich an der Westfront war.

Militärlaufbahn

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Am 15. April 1882 verließ Bronsart das Kadettenkorps und wurde als Sekondeleutenant dem in Potsdam stationierten 1. Garde-Regiment zu Fuß zugeteilt. Er begann eine Karriere als Generalstabsoffizier und studierte von 1890 bis 1893 an der Kriegsakademie, wo er Ende 1890 zum Premierlieutenant befördert wurde. 1893 gehörte er für etwa zwei Monate der kaiserlichen 1. Matrosen-Artillerie-Abteilung an. Im April 1894 wurde er für ein Jahr zur Dienstleistung beim Großen Generalstab abkommandiert, wo er zum Hauptmann befördert und im März 1895 zum Generalstab der Armee versetzt wurde. Am 12. September 1895 trat er zum Generalstab des IX. Armee-Korps über und ging im Dezember 1895 wieder in den Generalstab der Armee.[1]

Bronsart wurde im September 1896 in das Oberkommando des Kaisermanövers berufen, das in diesem Jahr zwischen dem V. und VI. Armee-Korps ausgetragen wurde. Das Kaisermanöver, bei dem auch Kaiser Wilhelm II. zugegen war, bildete den alljährlichen Höhepunkt des militärischen Lebens im Deutschen Reich, und eine Beteiligung bedeutete für den jungen Generalstabsoffizier großes Prestige.

 
Offiziere der deutschen Militärmission vor der Abreise in die Türkei im Dezember 1913 (Bronsart: 4. von links)

Im März 1898 wurde Bronsart nach Hamburg zum 2. Hanseatischen Infanterie-Regiment Nr. 76 versetzt und zum Chef von dessen 11. Kompanie ernannt. Im März 1900 wurde er in den Generalstab der Armee zurückversetzt und dem Generalstab der 17. Division überwiesen. Am 7. Juli 1901 wurde er in den Generalstab des 1. Garde-Regiments versetzt und am 19. September zum Major befördert. 1904/05 nahm er als Militärbeobachter im Gefolge des Hohenzollernprinzen Karl Anton mit der japanischen Armee am Mandschurischen Feldzug im Russisch-Japanischen Krieg teil und veröffentlichte 1906 ein Buch über diese Erfahrung: Sechs Monate beim Japanischen Feldheer.

Als Oberst wurde Bronsart von Schellendorf am 1. Oktober 1912 nach Württemberg kommandiert und zum Kommandeur des Grenadier-Regiments „Königin Olga“ (1. Württembergisches) Nr. 119 ernannt. Wohl aufgrund seiner Auslandserfahrung wurde er im Oktober 1913, als das Personal für die deutsche Militärmission im Osmanischen Reich zusammengestellt wurde, gefragt, ob er dabei sein wolle. Bronsart sagte zu und reiste im Dezember mit den führenden Offizieren der Mission nach Konstantinopel.[2] Nachdem es gleich zu Jahresanfang 1914 zu unüberbrückbaren Spannungen zwischen dem Leiter der Mission, Otto Liman von Sanders, und der türkischen Militärführung unter dem neu ernannten Kriegsminister Enver Pascha gekommen war, wurde Friedrich Bronsart von Schellendorf als zweiter Mann der Mission anstelle seines Vorgesetzten zur zentralen deutschen Figur im türkischen Hauptquartier und im Februar zum Chef des Generalstabs der osmanischen Armee ernannt. In dieser Funktion war er Organisationschef des türkischen Heeres und leitete insbesondere die Mobilmachungsvorbereitungen. Mit Otto von Feldmann, dem Chef der Operationsabteilung in der osmanischen Heeresleitung, gehörte er während des Ersten Weltkriegs zu den engsten Mitarbeitern des türkischen Kriegsministers Enver Pascha und stimmte alle militärischen Belange mit ihm ab.

Liman von Sanders drängte wegen der schweren osmanischen Niederlage an der Kaukasusfront im Winter 1914/15 (Schlacht von Sarıkamış), bei der Bronsart von Schellendorf überdies verletzt worden war, auf eine Abberufung Bronsarts, da er ihn, Feldmann und den deutschen Stabschef der türkischen Kaukasusarmee, Oberst Felix Guse, für das Fiasko mitverantwortlich machte. Enver hielt jedoch wie auch in den kommenden Jahren an seinem Generalstabschef fest.[3] Bronsart von Schellendorf entwickelte sich in der Folgezeit immer mehr zum Gegenspieler Limans.[4] Erst Ende November 1917 ließ ihn Erich Ludendorff schließlich auf Druck diplomatischer Kreise und des neuen deutschen Oberkommandierenden in Syrien und Palästina, Erich von Falkenhayn, aus der Türkei abberufen. Sein Nachfolger wurde Hans von Seeckt. Bronsart von Schellendorf blieb eine Zeitlang stellungslos und erhielt zum Ende des Krieges im September 1918 das Kommando der 4. Ersatz-Division an der Westfront.[5] Nach Kriegsende schied er 1919 im Rang eines Generalleutnants aus dem Militärdienst aus. In seinen Erinnerungen beurteilte Ludendorff die Abberufung Bronsarts später als Fehler und erklärte, er habe nicht durchschaut, einer Intrige aufgesessen zu sein.

Völkermord an den Armeniern

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Fritz Bronsart (erste Reihe links) als Stabschef neben Enver Pascha bei einem Besuch in Jerusalem (1916)

Als Chef des Generalstabs der osmanischen Armee war Bronsart der wichtigste deutsche Offizier im türkischen Heer und wirkte in dieser Funktion am Völkermord an den Armeniern mit.[6] Bronsart tritt in einigen Quellen sogar als maßgeblicher Architekt des todbringenden Deportationskonzepts und damit als einer der Initiatoren des Völkermords in Erscheinung.[7] Der armenische Völkermordforscher Vahakn N. Dadrian fand in den Archiven viele Berichte, die ihm zufolge zeigen, dass Bronsart den direkten Befehl gab, die armenische Bevölkerung unter Inkaufnahme von Massakern und Massensterben zu deportieren.[8]

Anfang 1919 vermerkte Friedrich Bronsart von Schellendorf in seinen Aufzeichnungen:

„Der Armenier ist, wie der Jude, außerhalb seiner Heimat ein Parasit, der die Gesundheit eines anderen Landes, in dem er sich niedergelassen hat, aufsaugt. Daher kommt auch der Hass, der sich in mittelalterlicher Weise gegen sie als unerwünschtes Volk entladen hatte und zu ihrer Ermordung führte.“[9]

Am 24. Juli 1921 behauptete er in der Deutschen Allgemeinen Zeitung entgegen den inzwischen veröffentlichten Dokumenten, die Armenier hätten im Rücken der türkischen Armee ohne Grund einen Aufstand unternommen und ein Blutbad angerichtet. Daher sei die türkische Seite gezwungen gewesen, Konzentrationslager zu errichten, in denen versucht worden sei, den Armeniern das Leben erträglich zu gestalten. Einzelne Übergriffe seien vorgekommen, aber stets geahndet worden.[10]

Freundschaft mit Ludendorff

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Friedrich Bronsart von Schellendorf war ein Jugendfreund und enger Unterstützer Ludendorffs. 1926 wurde er offizieller Vorsitzender des völkischen Tannenbergbundes, der als persönlicher politischer Verein Ludendorffs und seines rechtsradikalen Unterstützerkreises konzipiert war.[11] Er trat aus der Kirche aus und bekannte sich zur neopaganen Philosophie von Mathilde Ludendorff. Im Herbst 1932 gab er die Führung kurz vor dem Verbot des Bundes auf.[12]

Nach 1919

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Nach dem Ende seiner militärischen Laufbahn studierte Bronsart an der Hochschule Hohenheim Landwirtschaft. Dort war seine Tochter Huberta als Dozentin tätig. Anschließend zog er sich auf seinen Hof Runenberg (eigene Bezeichnung, auch als Angabe in Büchern angegeben, möglicherweise Anspielung auf das ostpreußische Familiengut Ruhnenberg) in Brunshaupten zurück. Während dieser Zeit hielt er Kontakt zu vielen aktiven Offizieren der Reichswehr. 1935 war er mit Reichswehrminister von Blomberg beim 70. Geburtstag Ludendorffs in Tutzing anwesend. Bronsart von Schellendorf publizierte auch noch bis 1941. In Kühlungsborn, wie sein Wohnort ab 1938 hieß, lebte er bis zum Tod. Sein Hof wurde 1947 enteignet.[13]

Schriften

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  • Klarstellungen zu dem Geschichtsbuche „Der Kriegsminister“ von H. O. Meisner, [Runenberg b. Brunshaupten (Mecklbg); Ostseebad Kühlungsborn] Köhler, Berlin 1941.[14]
  • Deutscher Adel und Freimaurerei. K. H. Heine, 1929.
  • Afrikanische Tierwelt II. Novellen und Erzählungen. Haberland, Leipzig 1915.
  • Sechs Monate beim Japanischen Feldheer. E. S. Mittler & Sohn, Berlin 1906.

Literatur

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Commons: Friedrich Bronsart von Schellendorf – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Harry von Rège: Offizier-Stammliste des Infanterie-Regiments Nr. 76. 1902, Nummer 259, S. 184.
  2. Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord: Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier. Ch. Links Verlag, Berlin 2015, S. 125.
  3. Wolfdieter Bihl: Die Kaukasuspolitik der Mittelmächte. Teil 1: Ihre Basis in der Orient-Politik und ihre Aktionen 1914–1917. Böhlau, Wien/Köln/Graz 1975, S. 224.
  4. Wolfdieter Bihl: Die Kaukasuspolitik der Mittelmächte. Teil 1: Ihre Basis in der Orient-Politik und ihre Aktionen 1914–1917. Böhlau, Wien/Köln/Graz 1975, S. 52 und 262.
  5. Wolfdieter Bihl: Die Kaukasuspolitik der Mittelmächte. Teil 1: Ihre Basis in der Orient-Politik und ihre Aktionen 1914–1917. Böhlau, Wien/Köln/Graz 1975, S. 262.
    Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord: Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier. Ch. Links Verlag, Berlin 2015, S. 255.
  6. Wolfgang Gust: Der Völkermord an den Armeniern. Die Tragödie des ältesten Christenvolks der Welt. Carl Hanser Verlag, München 1993, ISBN 3-446-17373-0, Kapitel 7.
    Wolfgang Gust: Partner im Schweigen. Das deutsche Kaiserreich und die Vernichtungspolitik der Jungtürken. In: Huberta von Voss (Hrsg.): Porträt einer Hoffnung. Die Armenier. Lebensbilder aus aller Welt. Verlag Hans Schiler, Berlin 2005, ISBN 3-89930-087-4, S. 79–95, hier: S. 90 in der Google-Buchsuche.
  7. Vahakn N. Dadrian: The history of the Armenian genocide. Ethnic conflict from the Balkans to Anatolia to the Caucasus. Berghahn, New York 2004, ISBN 1-57181-666-6, S. 255–257 („General Bronsart von Schellendorf’s role“, hier: S. 256 in der Google-Buchsuche).
  8. Huberta von Voss: Der Ermittler. Der Genozidexperte Vahakn N. Dadrian. In: Huberta von Voss (Hrsg.): Porträt einer Hoffnung. Die Armenier. Lebensbilder aus aller Welt. Verlag Hans Schiler, Berlin 2005, ISBN 3-89930-087-4, S. 96–102, hier: S. 101 in der Google-Buchsuche.
  9. Andreas Baum: Das Schweigen der Völker. Über den Umgang mit dem Genozid an den Armeniern. Sendung vom 27. April 2005 im Deutschlandradio Kultur; abgerufen am 8. November 2016.
    Teilzitate auch bei Wolfgang Gust: Partner im Schweigen. S. 90.
    Julius Hans Schoeps: „Du Doppelgaenger, du bleicher Geselle...“ deutsch-jüdische Erfahrungen im Spiegel dreier Jahrhunderte, 1700–2000. Philo, Berlin/Wien 2004, ISBN 3-86572-361-6, S. 330.
  10. Axel Meißner: Martin Rades „Christliche Welt“ und Armenien. Bausteine für eine internationale Ethik des Protestantismus. Lit Verlag, Münster 2010, ISBN 978-3-8258-6281-7, S. 265 f.
    Jürgen Gottschlich: Beihilfe zum Völkermord: Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier. Ch. Links Verlag, Berlin 2015, S. 133.
  11. Stefan Breuer: Die Völkischen in Deutschland. Kaiserreich und Weimarer Republik. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-21354-2, S. 255.
  12. Annika Spilker: Geschlecht, Religion und völkischer Nationalismus. Die Ärztin und Antisemitin Mathilde von Kemnitz-Ludendorff (1877–1966). Campus Verlag, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-593-39987-4, S. 208
  13. Ingo Bading: Studiengruppe Naturalismus: Ein deutscher Generalstabschef und die „Armeniergreuel“ von 1915/16. Einiges zum Lebensweg des deutschen Generals Friedrich Bronsart von Schellendorf (1864–1950). Blog Studiengruppe Naturalismus: Naturwissenschaftsnahes Philosophieren und Hintergrundpolitik-Kritik seit 1900/Ludendorff-Bewegung. 29. Dezember 2011.
  14. DNB 57253423X