Eigenbedarf ist ein Grund für die Kündigung eines Mietvertrags durch den Vermieter und liegt vor, wenn der Vermieter die (ganze) Mietwohnung für sich selbst oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person oder für einen Familienangehörigen zu Wohnzwecken benötigt.

Deutschland Bearbeiten

Für Mietverhältnisse über Wohnraum ist die Kündigung wegen Eigenbedarfes in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB geregelt, die Kündigungsfrist ergibt sich sodann aus § 573c BGB. Die Möglichkeit der Eigenbedarfskündigung wurde in der Bundesrepublik Deutschland erstmals im Dezember 1974 durch die Einfügung des § 564b BGB a. F. geschaffen.[1] Diese Gesetzesänderung mit dem Titel „Zweites Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum“ wurde mit den Stimmen der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP im Bundestag beschlossen und im Rahmen der Mietrechtsreform 2001 von Rot-Grün in den § 573 BGB verschoben.

Voraussetzungen Bearbeiten

Die Eigenbedarfskündigung muss ordentlich begründet werden. Ob sie wirksam ist, ist davon abhängig, ob der Vermieter den als Kündigungsgrund geltend gemachten Eigenbedarf nachweisen kann.

Eigenbedarf liegt vor, wenn der Vermieter die (ganze) Mietwohnung für sich selbst oder für eine zu seinem Hausstand gehörende Person, zum Beispiel eine Pflegekraft, oder für einen Familienangehörigen zu Wohnzwecken benötigt.

Um als Familienangehöriger zu gelten, reicht keine Verwandtschaft mit dem Vermieter in irgendeiner Weise. Wie jedoch die Abgrenzung genau vollzogen wird, ist streitig. Früher wurde vereinzelt vertreten, § 8 Abs. 2 WoBauG a.F. als Definition heranzuziehen. Dies wurde jedoch als zu weit abgelehnt. In dem Versuch eine allgemeingültige Definition aufzustellen, wird zunächst als Begründung für die Privilegierung des Vermieters durch die Kündigungsmöglichkeit die enge Verbundenheit zu Familienangehörigen festgestellt. Daher wird zwischen naher Verwandtschaft unterschieden, die bereits alleine aufgrund der Verwandtschaft unter Familienangehörige fallen und sonstigen Verwandten, bei denen die persönliche Verbundenheit positiv festgestellt werden muss. Der Bundesgerichtshof zieht zur Bestimmung naher Verwandtschaft die Regelungen zu Zeugnisverweigerungsrechten aus persönlichen Gründen (§ 383 ZPO, § 52 StPO) als Anknüpfungspunkt heran. Bei entfernten Verwandten kommt es hingegen beispielsweise darauf an, ob der Vermieter sich in einer moralischen Pflicht sieht zu handeln für diesen Verwandten. Als nahe Angehörige wurden der Ehepartner, Schwiegereltern, Kinder, Eltern, Enkel, Geschwister, Nichten und Neffen von der Rechtsprechung anerkannt. Die Definition der nahen Angehörigen anhand der Zeugnisverweigerungsrechte wird in der Literatur kritisiert Als Begründung wird genannt, dass wenn der Gesetzgeber nur die mit solchen Rechten ausgestatteten Personen gemeint hätte, hätte er dies durch einen Verweis klargestellt.[2]

Der Vermieter muss die Wohnung benötigen. Der bloße Wunsch, in den eigenen vier Wänden zu wohnen, reicht nicht aus. Eigenbedarf liegt erst dann vor, wenn der Vermieter vernünftige und nachvollziehbare Gründe nennen kann, warum er oder eine begünstigte Person die Wohnung beziehen will. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Vermieter selbst in der gekündigten Wohnung seinen Altersruhesitz begründen oder wenn der Vermieter seinem Kind die gekündigte Wohnung zur Verfügung stellen will, weil sonst die Gefahr besteht, dass sich das Kind vom Elternhaus löst.

Der Vermieter muss im Kündigungsschreiben schriftlich begründen, für welche Person er die Wohnung benötigt, und er muss einen konkreten Sachverhalt beschreiben, auf den er das Interesse dieser Person an der Wohnung stützt. Dabei gilt jedoch, dass ein Eigenbedarf erst angemeldet werden kann, wenn der Eigentümer erfolgreich im Grundbuch eingetragen und der Kauf somit komplett abgeschlossen ist.[3]

Umgewandelte Wohnungen, also Wohnungen, die während der Mietzeit in Eigentumswohnungen umgewandelt wurden, können frühestens drei Jahre nach Erwerb wegen Eigenbedarfs gekündigt werden. Den Bundesländern ist es gemäß § 577a Abs. 2 BGB möglich, Verordnungen zu erlassen, in denen für bestimmte Gebiete diese Sperrfrist auf bis zu zehn Jahre verlängert wird. Erst nach Ablauf der Sperrfrist kann die Eigenbedarfskündigung mit allen Fristen etc. ausgesprochen werden.

Rechtslage in den einzelnen Bundesländern Bearbeiten

In Nordrhein-Westfalen beträgt die Sperrfrist in Köln, Bonn und 16 weiteren Gemeinden fünf Jahre.[4]

In Bayern beträgt die Sperrfrist in den meisten Ballungsgebieten zehn Jahre nach dem Kaufdatum.[5]

In Baden-Württemberg beträgt die Sperrfrist für 89 Städte bzw. Gemeinden des Bundeslandes fünf Jahre laut Landesverordnung vom Juni 2020, unter anderem für Freiburg im Breisgau, Heidelberg, Heilbronn, Karlsruhe, Konstanz, Ludwigsburg, Mannheim, Neckarsulm, Offenburg, Reutlingen, Stuttgart, Tübingen und Ulm.[6]

In Hannover, Göttingen und 16 weiteren Gemeinden in Niedersachsen beträgt die Sperrfrist fünf Jahre.[7]

In zahlreichen Gemeinden Hessens existiert eine Sperrfrist von acht Jahren.[8]

In Berlin beträgt die Sperrfrist für das gesamte Stadtgebiet zehn Jahre nach dem Kaufdatum.[9]

In Hamburg beträgt die Sperrfrist zehn Jahre.[10]

Reaktionsmöglichkeiten des Mieters Bearbeiten

Der Mieter kann, sofern ihm eine Kündigung ausgesprochen wird, nach § 574 BGB Widerspruch erheben. Der Widerspruch bewirkt, dass das Mietverhältnis noch eine Zeit lang fortgesetzt wird, sofern die Kündigung eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Die Kündigung kann rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam sein, wenn der Vermieter eine freie, ähnliche Wohnung im selben Haus oder in derselben Wohnanlage dem Mieter nicht anbietet[11].

Stellt der Mieter im Nachhinein fest, dass der Eigenbedarf des Vermieters lediglich vorgetäuscht gewesen ist, so stehen ihm grundsätzlich Schadensersatzansprüche zu. Typische Schadenspositionen sind beispielsweise Umzugs-, Makler- und Renovierungskosten sowie höhere Mietausgaben für die neue Wohnung. Anhaltspunkte für einen Missbrauch können sein:

  • Überhöhter Bedarf (Single in 8-Zimmer-Penthouse).
  • Eigenbedarf war bereits bei Abschluss des Mietvertrags vorhersehbar.[12]
  • Vermieter handeln nicht schon dann rechtsmissbräuchlich, wenn sie einen künftigen Eigenbedarf bei Vertragsschluss mit dem Mieter hätten erkennen können.[13]
  • Vermieter stellt vor Ablauf der Kündigungsfrist eine Alternativwohnung zur Verfügung.[14]

Ansprechpartner für Reaktionsmöglichkeiten des Mieters ist meist der Deutsche Mieterbund oder ein Rechtsanwalt in der jeweiligen Region. Eine Räumungsklage des Vermieters kann auch aus gesundheitlichen Gründen abgewiesen werden: So kam im Fall einer Eigenbedarfskündigung ein Sachverständiger zu dem Ergebnis, dass bei einem 73-jährigen Mieter mit Demenz und Suizidgedanken ein solcher Härtefall vorliegt und ein Auszug eine schwerwiegende Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Mieters bedeuten würde. Das Gericht wies die Räumungsklage des Vermieters ab und verpflichtete ihn, das Mietverhältnis mit dem erkrankten Mieter unbefristet fortzusetzen (Az. 10 C 3 / 19 Amtsgericht Berlin-Mitte).[15]

Österreich Bearbeiten

Allgemein ist eine Kündigung wegen Eigenbedarfs in Österreich möglich, wenn eine Wohnung in den Anwendungsbereich des Mietrechtsgesetzes (MRG) fällt. Dann ist eine Kündigung nur aus bestimmten Gründen möglich, beispielsweise, wenn der Mieter den Mietzins nicht bezahlt oder eben auch, wenn der Vermieter selbst die Wohnung benötigt. Ein Vermieter darf gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 12 MRG aus wichtigem Grund kündigen, wenn er den Mietgegenstand für sich selbst oder für nahe Angehörige dringend benötigt. Fällt die Wohnung nicht unter das MRG, können Vermieter generell und ohne Angabe von Gründen Mietverträge kündigen.

Schweiz Bearbeiten

Ein Eigenbedarf liegt in der Schweiz dann vor, wenn der Vermieter das Mietobjekt für sich, nahe Verwandte oder Verschwägerte beansprucht möchte (Art. 261 Abs. 1 Buchstabe a OR).

Literatur (Auswahl) Bearbeiten

  • Hannes Palmen: Eigenbedarfsähnliche Kündigungsgründe und vermietende Gesellschaften. Ein Beitrag zur Systematik eigenbedarfsähnlicher Kündigungsgründe im Wohnraummietrecht unter besonderer Berücksichtigung von vermietenden Gesellschaften. In: Mannheimer Schriften zum Unternehmensrecht. Nr. 59. Nomos, Baden-Baden 2021, ISBN 978-3-7489-2361-9, doi:10.5771/9783748923619 (nomos-elibrary.de [abgerufen am 2. Juni 2021] Dissertation, Universität Mannheim, 2020).
  • Dominik Regelsberger: Die Eigenbedarfskündigung durch juristische Personen und Personengesellschaften. In: Studien zum Privatrecht. Nr. 73. Mohr Siebeck, Tübingen 2018, ISBN 978-3-16-155962-4, doi:10.1628/978-3-16-155962-4 (mohrsiebeck.com [abgerufen am 2. Juni 2021] Dissertation, Ludwig-Maximilians-Universität München, 2017).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bundesgesetzblatt Teil I, Nr. 139 vom 21.12.1974, S. 3603. Abgerufen am 14. Oktober 2019.
  2. Stefan Geib, §573 in Beck-Online Großkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand: 01.10.2023, Rn. 60.
  3. Günther Rademacher, Aktuelles zu Kaufvertrag & Eigenbedarfskündigung (Memento vom 26. März 2014 im Internet Archive)
  4. In diesen Städten und Gemeinden gelten verlängerte Kündigungssperrfristen. Nordrhein-Westfalen. In: dgb.de. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 27. Mai 2020, abgerufen am 25. Juni 2022 (Stand: März 2020).
  5. MiSchuV: Verordnung zur Festlegung des Anwendungsbereichs bundesrechtlicher Mieterschutzvorschriften (Mieterschutzverordnung – MiSchuV) Vom 14. Dezember 2021 (GVBl. S. 674) BayRS 400-6-J (§§ 1–2) - Bürgerservice. Abgerufen am 25. Juni 2022.
  6. Landesrecht BW KSpVO BW | Landesnorm Baden-Württemberg | Gesamtausgabe | Verordnung der Landesregierung zur Bestimmung der Gebiete mit verlängerter Kündigungssperrfrist bei Wohnungsumwandlungen in Eigentumswohnungen (Kündigungssperrfristverordnung Baden-Württemberg - KSpVO BW) vom 16. Juni 2020 | gültig von: 01.07.2020 gültig bis: 30.06.2025. Abgerufen am 25. Juni 2022.
  7. In diesen Städten und Gemeinden gelten verlängerte Kündigungssperrfristen. Niedersachsen. In: dgb.de. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 27. Mai 2020, abgerufen am 25. Juni 2022 (Stand: März 2020).
  8. In diesen Städten und Gemeinden gelten verlängerte Kündigungssperrfristen. Hessen. In: dgb.de. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), 27. Mai 2020, abgerufen am 25. Juni 2022 (Stand: März 2020).
  9. Verordnung im Sinne des § 577a Absatz 2 BGB über den verlängerten Kündigungsschutz bei Umwandlung einer Mietwohnung in eine Eigentumswohnung (Kündigungsschutzklausel-Verordnung) Vom 13. August 2013
  10. Verordnung zur Verlängerung der Kündigungsschutzfrist für Wohnraum (Kündigungsschutzfristverordnung) Vom 12. November 2013. In: Landesrecht Hamburg. Abgerufen am 26. Juni 2022.
  11. Palandt, Kommentar zum BGB, Bearbeiter Walter Weidenkaff, 78. Auflage 2019, Rn. 24 zu § 573 BGB
  12. LG Lüneburg Entscheidung vom 7. Dezember 2011 Az.: 6 S 79/11
  13. BGH Urt. v. 4. Februar 2014, Az. VIII ZR 154/14
  14. BGH, Urteil vom 4. Juni 2008, VIII ZR 292/07
  15. Eigenbedarfskündigung - Fortsetzung Mietverhältnis bei alten und erkrankten Mieter. In: Mietrecht Siegen. 27. April 2022, abgerufen am 2. Juli 2022 (deutsch).