Die Bohemia war ein 1887 für den Transport von Passagieren und Fracht in Dienst gestelltes Schiff des Österreichischen Lloyd, das nach dem cisleithanischen Kronland der Monarchie „Königreich Böhmen“ in seiner lateinischen Namensform benannt wurde. Es wurde während des Ersten Weltkriegs 1917 in Shanghai beschlagnahmt und lief später als chinesisches Handelsschiff (Hwa Ping)[1] sowie als Schiff der chinesischen und japanischen Marine. Ihr genaues Schicksal nach 1941 ist unbekannt.

Bohemia (ca. 1913/1914)
Bohemia
Bohemia
Schiffsdaten
Flagge Osterreich-Ungarn Österreich-Ungarn
Schiffstyp Passagier- und Frachtschiff
Heimathafen Triest
Reederei Österreichischer Lloyd
Bauwerft Lloydarsenal (Triest)
Arsenale Lloyd (Trieste, ital.)
Baunummer 174
Kiellegung 2. Dezember 1895
Stapellauf 24. August 1896
Indienststellung 19. Dezember 1896
Verbleib 1914 Festsetzung in Shanghai, 1917 Konsfiskation durch China
Schiffsmaße und Besatzung
Länge 114,47 m (Lüa)
Breite 13,43 m
Tiefgang (max.) 5,95 m
Verdrängung 4087 t
 
Besatzung 56
Maschinenanlage
Maschinen­leistung 5.300 PS (3.898 kW)
Höchst­geschwindigkeit 17 kn (31 km/h)
Transportkapazitäten
Zugelassene Passagierzahl 157

Bau und Indienststellung beim Österreichischen Lloyd Bearbeiten

Das aus Stahl gebaute zweimastige Dampfschiff Bohemia lief am 24. August 1896 auf der gesellschaftseigenen Werft, dem Lloydarsenal in Triest, vom Stapel und wurde am 19. Dezember 1896 in Dienst gestellt. Im Zustand der Ablieferung an den ÖL verfügte das Schiff noch über Rahsegel am Fockmast, die als Hilfssegel dienten (vgl. Abbildung). Später wurde die Takelage entfernt. Bei den Schiffsbildern von den Vergnügungsfahrten 1906 war die Segeleinrichtung jedenfalls nicht mehr zu sehen.

Technische Daten, Ausstattung Bearbeiten

Die Bohemia wurde mit 4.318 BRT vermessen und erreichte mit ihrer Maschinenleistung von 5300 PS eine Geschwindigkeit von 17 Knoten.[2] Die Bohemia verfügte 1898 über 120 Betten in der 1. Klasse und 40 Betten in der zweiten. In einer Reiseofferte für die III. Vergnügensfahrt im Herbst 1906 (siehe unten) wurde in Heft 9 von Cook’s Welt-Reise-Zeitung von 1906[3] zur Ausstattung Folgendes angemerkt: Auf dem Schiff sind zehn Badezimmer zur kostenlosen Benutzung für alle Passagiere vorhanden, es können die Dienste einer Kammerfrau und eines Bordarztes unentgeltlich in Anspruch genommen werden. Dagegen war der mitreisende Barbier zu entlohnen.

 
Daten der Bohemia (Almanacco di personale di cuccina e camere) del'Lloyd (1898), S. 38

Einsatz des Schiffs Bearbeiten

Linienverkehr Bearbeiten

Die Bohemia war primär zur Verstärkung der Kapazitäten im Eildienst zwischen Triest und Alexandria angeschafft worden. Hier waren schon die in England gebauten Schiffe Semiramis (Dumbarton, 1895) und Cleopatra (Greenock, 1894) sowie die Habsburg (Lloyd Arsenal, 1894) im Einsatz. Diese Linie bildete später neben der Eillinie nach Bombay mit die rentabelste Passagierlinie des Lloyd.[4] Die neue Lloyd-Direktion hatte es nämlich erreicht, dass zunächst der Luxuszug Ostende-Wien vom 1. Januar 1896 an einmal pro Woche bis Triest fuhr und dadurch direkten Anschluss an die Schifffahrtslinien nach und aus Alexandria hatte; zum Sommerfahrplan 1900 trat allerdings wegen schwacher Nachfrage ein Kurswagen in einem normalen Schnellzug der Südbahngesellschaft an die Stelle des gesamten Express'.

Einmal im Monat fuhr die Bohemia auch in die Häfen des Fernen Ostens bis Kobe.

Fahrten des Reisebüros Carl Stangen Bearbeiten

 
Postkarte an einen Pfarrer als Passagier der Bohemia (Reisebüro Stangen, Spezialreise nach Jerusalem: Eröffnung der Erlöserkirche 1898)

Regelmäßig belegte der Berliner Reiseunternehmer Carl Stangen für seine Orientfahrten Kabinenkapazitäten der ersten und zweiten Klasse auf diesem Schiff. Da damals solche Reisen aufgrund ihrer Kosten nur von den begüterten Schichten durchgeführt werden konnten, waren die Reisegruppen, die zumeist mit der Eisenbahn von Berlin Anhalter Bahnhof aus über Wien und sodann bis Triest fuhren und dort die Seereise begannen, entsprechen klein. Eine Buchung der gesamten Passagierkapazitäten einer Fahrt kam daher nicht in Betracht.
Allerdings ergab sich für die im Herbst 1898 angebotene Fahrt nach Ägypten und von dort aus nach Jerusalem[5] aufgrund der zu diesem Zeitpunkt anstehenden Eröffnung der Erlöserkirche in Jerusalem am 31. Oktober 1898 durch den Deutschen Kaiser Wilhelm II. eine solche Nachfrage[6], dass Stangen mit allen ihm auf der Bohemia zur Verfügung stehenden Plätzen ausgebucht war und er zusätzlich Plätze auf der ebenfalls im Eildienst zwischen Triest und Alexandria laufenden Thalia buchen musste. Zuvor hatte Stangen seine Herbstfahrt mit der Teilnahme an der am 1. Oktober 1898 anstehenden Kircheneröffnung werbewirksam in der Presse verknüpft.[7]

Vergnügungsfahrten Bearbeiten

Postkarten zu Vergnügungsfahrten der Bohemia im April und Oktober 1906 jeweils mit einer Abbildung der Koerber mit weißem Tropenanstrich[8]

Mit der Bohemia wurden insbesondere im Jahr 1906 zwei[9] der drei sogenannten Vergnügungsfahrten auf dem Mittelmeer durchgeführt. Der Lloyd wollte mit diesen erkunden, ob für solche Reisen, die zuvor nur sporadisch unternommen worden waren, hinreichender Bedarf für eine laufende Durchführung gegeben und wie ein Schiff für diese vorzubereiten wäre. Die 2. Schiffsklasse wurde dazu durch entsprechende Anpassungsarbeiten so aufgewertet, dass insgesamt nur Plätze in der einheitlichen 1. Schiffsklasse angeboten wurden. Die Nachfrage schon nach der I. Fahrt vom 2. April bis 16. April 1906[10] war sehr rege. Ein Reisebericht des österreichischen Schriftstellers Adam Müller-Guttenbrunn belegt, dass Passagiere, die zuvor Reisen mit dem Norddeutschen Lloyd vorgezogen hatten, durch die angebotenen Leistungen während der Fahrt zu künftigen Buchungen beim Österreichischen Lloyd animiert wurden.[11][12] Ein in Dillinger’s Reisezeitung veröffentlichter weiterer ausführlicher Fahrtbericht von der Oktoberfahrt (III.), die vom 2. bis 21. Oktober 1906 dauerte[13] und u. a. über Malta, Tripolis und Tunis führte, bestätigte das Qualitätsurteil.[14]

Für die noch in den Kinderschuhen steckenden Vergnügungsreisen 1906 wurde intensiv geworben. Die Teilnehmer der ersten, recht schnell ausgebuchten Fahrt im April 1906 wurden sogar in der offiziellen Reedereischrift Service de la Méditerranée für das Frühjahr 1906[15] aufgelistet. Üblicherweise wurden die Reiseteilnehmer nur in gesondert gedruckten Passagierlisten aufgeführt, die auch nur den jeweiligen Reiseteilnehmern ausgehändigt wurden, um für die folgenden beiden Fahrten zu Buchungen zu animieren. Unter den Teilnehmern befanden sich Hugo Fischer von Röslerstamm (Direktor der Nesselsdorfer Wagenbau-Fabriks-Gesellschaft), der Rechtssoziologe Eugen Ehrlich, der Redakteur des Neuen Wiener Tagblatts Adolf Gelber und der Abgeordnete Anton Buchmüller (1847–1924, Arzt)

Im Ergebnis des Versuchs entschied sich der Lloyd, die Thalia zu einem reinen Kreuzfahrtschiff umzubauen und ab 1907 vor allem mit diesem Schiff entsprechende Fahrten auf dem Mittelmeer und der Nordsee bis nach Spitzbergen anzubieten.

Verbleib nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs Bearbeiten

Nach Kriegsausbruch suchte die Bohemia, die zu diesem Zeitpunkt im Fernen Osten unterwegs war, im Hafen von Shanghai, im zunächst neutralen China, Schutz, um der Kaperung durch britische Kriegsschiffe zu entgehen. Der Österreichische Lloyd versuchte dann, die Bohemia neben den auch dorthin geflüchteten Dampfern Silesia und China zu verkaufen, was aber zunächst misslang. Der mit dem chinesischen Reeder Ko Te-ching schließlich am 13. August 1917 abgeschlossene Kaufvertrag konnte jedoch nicht mehr realisiert werden, da am Folgetag China Österreich-Ungarn den Krieg erklärte und alle drei Dampfer von den chinesischen Behörden beschlagnahmt wurden. Der nach Kriegsende italienische Lloyd Triestino als Rechtsnachfolger des Österreichischen Lloyd – Italien war unter den Siegermächten – bemühte sich noch um eine Herausgabe des Schiffs auf dem Gerichtsweg, was aber letztlich misslang.[16] Das Schiff lief dann unter chinesischer Flagge als Hwah Ping.[17] 1923 wechselte es zur Marineabteilung, wo es 1930 in Poo An und 1936 in Poyang umbenannt wurde. Später kam das Schiff in japanische Hände und diente von 1940 bis Dezember 1941 als Hayo der japanischen Marine. Sein späteres Schicksal ist unbekannt, wahrscheinlich wurde es verschrottet.[18]

Poststempel, Werbung Bearbeiten

Für die Vergnügungsreisen 1906 wurden Werbebroschüren aufgelegt und Inserate in Zeitungen und Zeitschriften vom Lloyd aufgegeben. Das Schiff wurde auf mehreren Postkarten abgebildet. Für das Schiffspostamt bestand ein Stempel mit dem Namenszug „BOHEMIA“, und es gab einen Bordstempel auf „Auf hoher See“ (siehe oben).

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Autorenkollektiv: Der Lloyd in Triest gestern – heute – morgen. Vom Österreichischen Lloyd zu Lloyd Triestino. Lloyd Triestino di Navigazione, Triest 1987
  • Robert Gabriel: The Indian and Far Eastern lines of the Austrian Lloyd. in: maritime history, Newton Abbot, David & Charles 1974, No. 2, p. 110–125 (Vol. 4)
  • Miroslav Hubert: Do světa s parníky Rakouského Lloydu. Mare-Czech, Praha 2010 (Hinaus in die Welt mit Dampfern des Österreichischen Lloyd)
  • Lloyd triestino: Dall'Adriatico al mondo. mostro del centocinquantenario. Lloyd triestino di navigazione, Trieste 1986 (ital.)
  • Horst Friedrich Mayer, Dieter Winkler: In allen Häfen war Österreich – Die Österreichisch-Ungarische Handelsmarine. Edition S, Verlag der Österreichischen Staatsdruckerei, Wien 1987, ISBN 3-7046-0079-2
  • Publizistisches Bureau des Österreichischen Lloyd (Hrsg.): Fünfundsiebzig Jahre österreichischer Lloyd 1836–1911. Österreichischer Lloyd, Triest 1911

Anmerkungen, Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Paolo Valenti: Dal Lloyd Austriaco a Italia Marittima. Navi e servizi dal 1836 ad oggi. Luglio Editore, San Dorligo della Valle – Trieste 2016, S. 171
  2. Almanacco per il Personale di Camera e Cucina addetto al servizio del Lloyd Austriaco, Tip. Morterra & C., Trieste 1898, S. 39 (Flotta del Lloyd Austriaco)
  3. Vergleiche den Artikel (Anno-Digitalisat).
  4. Publizistisches Bureau des Österreichischen Lloyd (Hrsg.): Fünfundsiebzig Jahre Österreichischer Lloyd 1836–1911. Österreichischer Lloyd, Triest 1911, S. 105.
  5. Vergleiche dazu unter anderen den Reisebericht von Richard Bärwinkel, der auf der Bohemia in einer 142-köpfigen Reisegruppe mitgefahren war, in: Maibritt Gustrau (Hrsg.): Orientalen oder Christen? Orientalisches Christentum in Reiseberichten deutscher Theologen. V&R unipress, Göttingen 2016, S. 288, 310 ff.
  6. Vergleiche deren Programm: Sonderfahrt nach dem Orient mit dem hocheleganten, grössten Mittelmeerdampfer des Oesterreichischen Lloyd „Bohemia“ (4000 Tons Gehalt, 5300 induzierte Pferdestärke, Abreise aus Triest 8. Oktober 1898, Dauer: 34 Tage; Stangen 1898, 2. verb. Auflag, 32 S., Illustrationen, 1 Faltkarte).
  7. Vergleiche sein Inserat in der Neuen Preußischen Zeitung vom 31. Juli 1898 (Nr. 353, Beilage).
  8. Obwohl der ÖL Schiffspostkarten auch mit Abbildungen der Bohemia aufgelegt hatte, wurde für die Fahrten 1906 - vielleicht aus Gründen der besseren optischen Wirkung - die ursprünglich im rasch wieder eingestellten Ostafrika-Dienst des ÖL eingesetzte Koerber, die über einen weißen Tropenanstrich verfügte, abgebildet und hier mit dem irreführenden Schiffsnamen „BOHEMIA“ versehen. Die Schiffskonturen und -aufbauten sowie der weiße Anstrich lassen zweifelsfrei erkennen, dass es sich nicht um die, auch stets mit einem schwarzen Anstrich versehene, Bohemia handelt.
  9. Die zweite Fahrt im Mai 1906 wurde mit der Koerber durchgeführt.
  10. Vergleiche Cook's Welt-Reise-Zeitung 1906, Heft 2 (Anno-Digitalisat).
  11. Reisebericht im Neuen Wiener Tagblatt vom 23. April 1906 (Anno-Digitalisat)
  12. Vergleiche auch den Artikel im „Deutschen Volksblatt“ vom 13. April 1906 (Anno-Digitalisat)
  13. Vergleiche den Artikel in Arbeiterwille (Anno-Digitalisat).
  14. Dillinger's Reisezeitung vom 15. Mai 1907 (Anno-Digitalisat)
  15. Société de la Navigation à vapeur du Lloyd Autrichien: Service de la Méditerranée. Trieste, Printemps 1906, S. 124 ff.
  16. Vergleiche die italienischsprachige Webseite Prassi Italiana di diritto internationale.
  17. Siehe die Abbildung auf Pinterest.
  18. Vergleiche zu diesen Angaben: Mitja Lamut: Parniki jadrana na raz glednicah. V.B.Z., Zagreb 2013, S. 84.