Der Begriff Phrasenstrukturgrammatik (englisch phrase structure grammar) bezeichnet formale Grammatiken, die nach dem Konstituenten-Prinzip einen Satz schrittweise in kleinere Einheiten zerlegen. Die Phrasenstrukturgrammatik ist Teil der Generativen Grammatik und wird sowohl im Umfeld der theoretischen Informatik als auch der Linguistik verwendet. Die Grundidee hinter einer Phrasenstrukturgrammatik ist es unter anderem, die sprachliche Kompetenz eines Sprechers anhand von universellen Regeln zu beschreiben, mit denen Sätze generiert werden. Von der Phrasenstrukturgrammatik zu unterscheiden ist die Dependenzgrammatik mit ihrer stringenten Mutter-Tochter Zuordnung der Wörter bei der Analyse von Sätzen.

Phrasenstrukturgrammatik und Phrasenstrukturregeln

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Eine Phrasenstrukturgrammatik ist ein System von Produktionsregeln (sogenannte Phrasenstrukturregeln), mit denen syntaktische Strukturen in ihre Konstituenten zerlegt werden können.[1] Mit den Phrasenstrukturregeln kann man syntaktische Strukturen nach dem folgenden Schema erzeugen:

A → B C

Diese Regel legt fest, dass eine Konstituente A durch die Konstituenten B und C ersetzt wird. Anhand dieses Schemas können ganze Sätze erzeugt werden:

S → NP VP
NP → D N
D → das
N → Kind
VP → V NP
V → trinkt
NP → D N
D → eine
N → Kola

Der Satz (S) gliedert sich in Phrasen (P), in diesem Beispiel eine Nominalphrase (NP) und eine Verbalphrase (VP). Im Beispiel besteht die NP aus einem Determinierer (D) und einem Nomen (N). Die VP besteht im Beispiel aus einem Verb (V) und einer weiteren NP. Mit den Produktionsregeln kann man den folgenden Satz erzeugen: Das Kind trinkt eine Kola. In der Sprachwissenschaft versteht man unter Phrasenstrukturgrammatiken daher Grammatiken, die aus solchen (oder ähnlichen) Regeln bestehen.[2] Man kann die Struktur des Satzes mit dem folgenden Baumdiagramm darstellen; der Baum zeigt wiederum die Ableitungsgeschichte (Derivation) des Satzes:

 

Dieser Baum zeigt somit auch den Aufbau eines Satzes aus Phrasen und deren weitere Zerlegung bis zu den kleinsten Konstituenten, normalerweise den Wörtern. Dieser Prozess spielt sich nach dem Prinzip der Konstituenz ab, das auch Grundlage der IC-Analyse ist (immediate constituent analysis).[3]

Mit der Verwendung von Phrasenstrukturregeln können auch grammatische Relationen wie Subjekt oder Prädikat definiert werden:

S, NP = Subjekt des Satzes
S, VP = Prädikat des Satzes[1]

Phrasenstrukturgrammatik in der Generativen Grammatik und Weiterentwicklungen

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Die Phrasenstrukturgrammatik ist Teil der Generativen Grammatik, die vor allem auf Publikationen von Noam Chomsky zurückgeht. Grundidee der Generativen Grammatik ist, ein Modell der sprachlichen Kompetenz eines Sprechers einer Sprache zu entwerfen. Zur sprachlichen Kompetenz eines Sprechers gehört das unterbewusste Wissen einer begrenzten Zahl von grammatischen Regeln, die festlegen, wie sprachliche Äußerungen aufgebaut, interpretiert und ausgesprochen werden können. Ziel der frühen Modelle der Generativen Grammatik war es, dieses Regelsystem zu beschreiben, mit einem Fokus auf syntaktische Regeln, also den Regeln für den Satzbau.[4]

Die Generative Grammatik nach Noam Chomsky hat mehrere Entwicklungsphasen durchlaufen. In den 1960er und 1970er Jahren war der Fokus der Generativen Grammatik darauf, möglichst umfassend ein System von Phrasenstrukturregeln zusammenzustellen, mit dem der Aufbau grammatischer Strukturen beschrieben werden kann. In den 1970er Jahren reifte die Erkenntnis, dass nicht alle syntaktischen Strukturen durch Phrasenstrukturregeln beschrieben werden können. Insbesondere war es nicht möglich, die Beziehungen zwischen Aktiv- und Passivsätzen oder Aussagesätzen und Fragen ausschließlich durch Phrasenstrukturregeln zu beschreiben. Deshalb sind in späteren Versionen in den 1970er Jahren Transformationen zusätzlich zu den Phrasenstrukturregeln eingeführt worden (Generative Transformationsgrammatik).[5][6]

In späteren Versionen der Generativen Grammatik wurde zwar weiter mit Phrasenstrukturregeln gearbeitet, aber diese Regeln wurden stark verändert: In der Rektions- und Bindungstheorie, der Version der Generativen Grammatik der 1980er Jahre, wurde die Phrasenstrukturgrammatik durch die X-Bar-Theorie ersetzt. Transformationen werden nur noch von einer Regel beschrieben, move α.[7]

Phrasenstruktur- und Dependenzgrammatiken

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Die folgenden Grammatiken basieren auf dem Konstituenzmodell:

Phrasenstrukturgrammatiken (= Konstituentengrammatiken)
Generalized Phrase Structure Grammar
Head-driven Phrase Structure Grammar
Kategorialgrammatik
Lexikalisch-funktionale Grammatik
Minimalistisches Programm
Rektions- und Bindungstheorie

Es gibt Autoren, die streng zwischen Phrasenstruktur- und Dependenzgrammatiken unterscheiden:[8] Während die Erste auf dem Prinzip der Konstituenz aufbaut, geht die Zweite vom Grundsatz der Dependenz aus. In einer Dependenzgrammatik sieht die Zerlegung des obigen Satzes wie folgt aus:

 

Die folgenden Grammatiken fußen auf dem Prinzip der Dependenz:

Dependenzgrammatiken
Bedeutung-Text-Modell
Extensible Dependency Grammar
Funktionale generative Beschreibung
Lexicase Grammar
Word Grammar

Phrasenstrukturregeln in der Informatik

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Noam Chomsky definierte die Phrasenstrukturgrammatik formal als eine Menge von Produktionsregeln (= Phrasenstrukturregeln) über einem Alphabet und einer Menge von Anfangs-Zeichenketten für den Einbau linguistischer Elemente an jeder Stelle einer bestehenden Kette.[9] Die von Chomsky in seine eigene Grammatiktheorie eingebauten Produktionsregeln schränkte Chomsky so ein, dass in einem Ersetzungschritt nur genau ein Symbol einer Zeichenkette ersetzt und dabei nicht gelöscht werden darf. Durch diese Einschränkung entsprechen die Phrasenstrukturgrammatiken den kontextsensitiven Grammatiken. Die Produktionsregeln sind im Sinne der Chomsky-Hierarchie kontextsensitiv, üblicherweise sogar kontextfrei. Entsprechend werden manchmal auch in der theoretischen Informatik Typ-1- und Typ-2-Grammatiken (also kontextsensitive und kontextfreie) als Phrasenstrukturgrammatiken angesehen.[10] Andere Autoren verstehen aber unter Phrasenstrukturgrammatiken alle uneingeschränkten formalen Grammatiken.[11][12]

Literatur

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Wiktionary: Phrasenstrukturgrammatik – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Phrasenstrukturregel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

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  1. a b Theodor Lewandowski: Linguistisches Wörterbuch 2, 6. Auflage. Quelle & Meyer, Wiesbaden 1994, ISBN 978-3-494-02173-7, S. 810-811.
  2. Jule Philippi: Einführung in die generative Grammatik. In: Studienbücher zur Linguistik. Band 12. Vandenhoeck + Ruprecht, 2008, ISBN 3-525-26548-4, S. 35 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Otto Vollnhals: A multilingual dictionary of artificial intelligence: English, German, French, Spanish, Italian. Routledge Chapman & Hall, 1992, ISBN 0-415-07465-7, S. 185 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Andrew Radford: Transformational Grammar: A First Course. Cambridge University Press, Cambridge 1988, ISBN 0-521-34750-5, S. 122-123.
  5. Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien (= UTB. Sprachwissenschaften. Band 3319). 6. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, ISBN 978-3-8252-3711-0; S. 127-128.
  6. Theodor Lewandowski: Linguistisches Wörterbuch 2, 6. Auflage. Quelle & Meyer, Wiesbaden 1994, ISBN 978-3-494-02173-7, S. 812.
  7. Christa Dürscheid: Syntax. Grundlagen und Theorien (= UTB. Sprachwissenschaften. Band 3319). 6. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2012, S. 130.
  8. Was die Dependenzgrammatik betrifft, vgl. Ágel et al. (2003/6)
  9. Noam Chomsky: Three models for the description of language. In: IRE Transactions on Information Theory. Vol. 2, 1956, S. 117 (PDF).
  10. D. J. Hand: Artificial Intelligence and Psychiatry. In: The Scientific Basis of Psychiatry. Nr. 1. Cambridge University Press, 1993, ISBN 978-0-521-25871-5 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Grzegorz Rozenberg, Arto Salomaa: Word, language, grammar. In: Handbook of Formal Languages. Vol. 1. Springer, 1997, S. 176 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Roland Hausser: Mensch-Maschine-Kommunikation in natürlicher Sprache. In: Grundlagen der Computerlinguistik. Springer, Berlin 2000, ISBN 3-540-67187-0, S. 156 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

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