Die kontextsensitiven Grammatiken (kurz CSG, von engl. context-sensitive grammar) sind eine Klasse formaler Grammatiken und identisch mit den Typ-1-Grammatiken der Chomsky-Hierarchie. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass einzelne Nichtterminalsymbole nur in einem vorgegebenen Kontext ersetzt werden dürfen.

Definition Bearbeiten

Eine kontextsensitive Grammatik ist eine formale Grammatik   mit

  • einer endlichen Menge   (Vokabular),
  • Terminalsymbolen  
  • Nichtterminalsymbolen  , darunter das
  • Startsymbol  
  • Produktionsregeln   der Form   oder der Form  , wenn gilt:
    •  
    •  
    •  
    •   kommt auf keiner rechten Seite einer Produktionsregel vor.

Manche Autoren bezeichnen alternativ das Quadrupel   als Grammatik  .

Beschreibung Bearbeiten

Bis auf eine Ausnahme hat jede Produktionsregel der Definition nach die Form   und  .

Das bedeutet, dass das Nichtterminalsymbol   im Kontext der Zeichenketten   und   durch   ersetzt wird. Aber während   aus mindestens einem Symbol (Terminal- oder Nichtterminalsymbol) bestehen muss, kann sowohl   als auch   leer sein. Folgende Sonderfälle sind daher gemäß der Definition möglich:

  •  
  •  
  •  

Um das leere Wort   erzeugen zu können, erlaubt man die Regel  , sofern   auf keiner rechten Seite einer Produktionsregel vorhanden ist. Durch das Hinzufügen des leeren Wortes wird erreicht, dass die kontextsensitiven Sprachen eine echte Obermenge der kontextfreien Sprachen sind. Ansonsten hätte man als Resultat die umständlicher zu beschreibende Situation, dass nur die kontextfreien Grammatiken ohne leere-Wort-Produktionen auch kontextsensitive Grammatiken sind.

Kontextsensitive und monotone Grammatiken Bearbeiten

Die Produktionsregeln kontextsensitiver Grammatiken verkürzen die linke Seite nicht. Bis auf die Ausnahmeregel   erfüllen also alle Regeln   die Bedingung  . Eine kontextsensitive Grammatik ist deshalb (bis auf die genannte leere-Wort-Produktion) immer auch eine monotone Grammatik. Kontextsensitive und monotone Grammatiken erzeugen aber die gleiche Sprachklasse.

Einige Autoren definieren kontextsensitive Grammatiken im Sinne monotoner Grammatiken[1]. Die Produktionsregeln der Form   werden gelegentlich nur als typische oder kanonische Form kontextsensitiver Regeln betrachtet,[2] im Gegensatz zu  .

Normalformen Bearbeiten

Zu jeder kontextsensitiven Grammatik existiert eine Grammatik in Kuroda-Normalform mit Produktionsregeln der Form

  •  
  •  
  •  
  •  

Eine Grammatik in Kuroda-Normalform ist im Allgemeinen zwar monoton aber nicht mehr kontextsensitiv.

Eine kontextsensitive Normalform ist die einseitige Normalform mit Regeln der Art:

  •  
  •  
  •  

Zu jeder kontextsensitiven Grammatik gibt es eine Grammatik in einseitiger Normalform[3][4].

Alternative Notation Bearbeiten

Im Bereich der Sprachwissenschaften findet man eine alternative Notation der Produktionsregeln[5]. Man gibt die Ersetzungsregeln ähnlich wie bei kontextfreien Regeln an und nennt den Kontext, in dem die Regel angewendet werden darf, am rechten Ende der Regel:  

Von kontextsensitiven Grammatiken erzeugte Sprachen Bearbeiten

Mit Hilfe kontextsensitiver Grammatiken lassen sich genau die kontextsensitiven Sprachen erzeugen. Das heißt: Jede kontextsensitive Grammatik erzeugt eine kontextsensitive Sprache und zu jeder kontextsensitiven Sprache existiert eine kontextsensitive Grammatik, die diese Sprache erzeugt.

Die kontextsensitiven Sprachen sind genau die Sprachen, die von einer nichtdeterministischen, linear beschränkten Turingmaschine erkannt werden können; d. h., von einer nichtdeterministischen Turing-Maschine, deren Band linear durch die Länge der Eingabe beschränkt ist (d. h., es gibt eine konstante Zahl   so dass das Band der Turing-Maschine höchstens   Felder besitzt, wobei   die Länge des Eingabewortes ist).

Darum ist auch das Wortproblem (die Frage, ob   gilt) für kontextsensitive Sprachen   entscheidbar.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. zum Beispiel Uwe Schöning: Theoretische Informatik – kurz gefasst. 5. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, 2008, ISBN 978-3-8274-1824-1, Abschnitt 1.1.2, S. 9.
  2. Klaus W. Wagner: Theoretische Informatik: Eine kompakte Einführung. Springer, 2003, ISBN 978-3-540-01313-6, Kapitel 6, S. 187 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. M. Penttonen, One-Sided and Two-Sided Context in Formal Grammars, Information and Control, 25 (1974), 371–392
  4. siehe auch Rozenberg und Salomaa, Handbook of Formal Languages, S. 190
  5. Daniel Jurafsky, James H. Martin: Speech and Language Processing: An Introduction to Natural Language Processing, Computational Linguistics, and Speech Recognition. Prentice Hall, 2009, ISBN 978-0-13-187321-6, Kapitel 16, S. 531 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Literatur Bearbeiten