Unter Krampfbehandlung werden in der Psychiatrie Methoden verstanden, die darauf abzielen, beim psychisch erkrankten Patienten absichtlich epileptische Anfälle auszulösen.[1] Hierzu wird der Erkrankte bestimmten zusätzlichen Noxen (d.h. symptomauslösenden Einwirkungen) ausgesetzt. Je nach der Natur dieser Auslöser werden verschiedene Formen der Krampfbehandlung unterschieden.

Formen der Krampfbehandlungen

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Zur Wirkungsweise der Krampfbehandlungen

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Otfried K. Linde führt in seiner pharmakologisch-geschichtlich orientierten Darstellung der Psychopharmakotherapie aus, dass es weinge Jahre nach Einführung des Insulins als Arneimittlel bei Diabetes mellitus durch Frederick Banting und John Macleod (1923 Nobelpreis für Medizin) auch zur Anwendung dieses Mittels bei nahrungsverweigernden Patienten in der Psychiatrie kam.[2] Johannes Lange wies hierauf bereits 1927 in seinem Lehrbuch der Psychiatrie hin.[3] Es waren auch weitere Indikationen für den Gebrauch von Insulin in der Psychiatrie bekannt, so bei Delirium tremens und Morphinentzug (Entwöhnung). Diese psychische Wirksamkeit wurde von Fleischhaeker als „Auslöschphänomene“ beschrieben.[2]

Zeitgleich damit veröffentlichte Manfred Sakel Beobachtungen, wonach durch hohe Insulindosen („Grenzdosen“) gelegentlich epiletiforme Krämpfe auftreten können, diese aber therapeutisch möglichst zu vermeiden seien. Andere Autoren berichteten bereits 1936 über zwei Todesfälle bei 84 aufgrund psychiattrischer Indikation behandelter Patienten. Trotz dieser Warnungen wurden krampfauslösnede Behandlungen (epiletogene Insulingaben) immer häufiger praktiziert. Ein bekanntes leider ebenfalls ungünstiges Beispiel dieser Behandlung ist der Tänzer Vaslav Nijinsky.[2]

  • Eine eher neurophysiologische Ansicht zur Wirksamkeit der Elektrokrampfbehandlung führt Rainer Tölle aus. Er hält die Wirkungsweise zwar als im einzelnen nicht bekannt, vermutet jedoch eine Transmitterstimulation im Hypothalamus. Diese entspreche der Noradrenalin-Serotonin-Hypothese der antidepressiven Pharmakotherapie. Die Krampfbehandlung bewirke eine Verminderung der REM-Schlafphasen ebenso wie dies andere antidepressive Verfahren auch bewirken. Der Wirkungsmechanismus könne hierdurch jedoch nicht näher erklärt werden.[4]
  • Eine psychopathologische Interpretation besage, dass die Krampfbehandlung der psychotischen Symptomatik gleichsam den Boden entziehe, also ein „Nichthabenkönnen“ der Psychose (V.Baeyer) bedinge.[4] Von Baeyer war Vertreter einer anthropologisch ausgerichteten Psychiatrie.
  • Tölle vertritt schließlich auch eine psychologisch-psychotherapeutsche Auffsssung zur Wirksamkeit der Insulinkomabehandlung. Dieser billigt er grundsätzliche Bedeutung zu. Er führt die Erfolge zumindest z.T. zurück auf die „Erfahrung einer intensiven somatischen Behandlung, die sorgfältige Pflege und persönliche Zuwendung, die erlaubte Regression (Rückgriff auf kindliche Verhaltensmuster) und die Möglichkeit psychotherapeutischer Kontaktaufnahme während des Erwachens aus dem Koma“.[4]

Wie ist es daher zu erkären, dass die Methoden der künstlichen Krampfauslösung ab 1930 trotz erheblicher Warnungen, bekanntem Todesrisiko und ungeklärtem Wirkungsmechanismus eine so verbreitete Anwendung fanden? Abgesehen von kulturgeschichtlichen Theorien, die auch im zeitgeschichtlichen Rahmen einer naturwissenschaftlich ausgelegten Medizin ihre Erklärung finden,[2] gibt es hierfür noch weitere Modellvorstellungen.

Symptomwandel als Modellvorstellung

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Schizophrenie und Epilesie als einander entgegengesetze Erkrankungen (Meduna und Mikorey 1933/34 nach Degkwitz Seite 320). ...

Symptomwandel nach Tölle Seite 221[4]

Einzelnachweise

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  1. Peters, Uwe Henrik: Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie. Urban & Schwarzenberg, München 3. Auflage 1984, Seite 316
  2. a b c d Linde, Otfried K.: Pharmakopsychiatrie im Wandel der Zeit. Erlebnisse und Ergebnisse. Tilia-Verlag Klingenmünster 1988; Seiten 97 f. (a-b), 100 (c), 112 f.(d) - Textauszug zu (c):„Der Patient konnte nicht geheilt werden.“ - Nijinsky ist ein bekannter Fall von Anwendung der Insulin-Therapie in der Psychiatrie. / Textauszug zu (d):„Der Enthusiasmus, der in einem extrem kurzen Zeitraum des vierten Dezenniums unseres Jahrhunderts fast gleichzeitig mehreren Erschütterungstherapien zum therapeutischen Durchbruch verholfen hat, löste bei vielen Menschen Reflexionen über die Zusammenhänge von Medizin, Kultur und Politik aus.“ - Zusätzlich allgemeine Warnungen auf einm medizinischen Kongress in Holland ("Amsterdamer Kongress") unter Teilname von Meduna, Staerke und Rümke. Dort berichtete Staerke von "Erniedrigung des Persönlichkeitsniveaus" und warnte vor der endgültigen Empfehlung der Cardiazol-Schockbehandlung, die er anhand von 68 Fällen studiert hatte, "bevor wir uns schweren Herzens dazu entschließen, dem Kranken diese Verstümmelung anzutun. - Wer ein chronisch gewordenes Geschwür der Zehe mit Amputation der Zehe behandelt, wird gewiß Erfolg haben, wir versuchen lieber erst bessere Schuhe."“
  3. Kraepelin, Emil und Johannes Lange: Lehrbuch der Allgemeinen Psychiatrie. J.A. Barth Leipzig 1927, nach dem Tod von Kraepelin allein von Lange bearbeitete Ausgabe
  4. a b c d Tölle, Rainer: Psychiatrie. Kinder- und jugendpsychiatrische Bearbeitung von Reinhart Lempp. Springer Verlag, Berlin 71985, ISBN 3-540-15853-7, Seite 368 (a+b), 369 (c), 221 (d)