Als Leitmedien werden in der Publizistik- und Medienwissenschaft Einzelmedien bezeichnet, denen eine ausgeprägte „Hauptfunktion in der Konstitution gesellschaftlicher Kommunikation und von Öffentlichkeit zukommt“.[1] Der Begriff wird für einzelne Medienangebote gebraucht, die einen besonders starken Einfluss auf die öffentliche Meinung und auf andere Massenmedien ausüben.

Mitunter wird der Begriff auch benutzt, um den Übergang der hauptsächlichen Mediennutzung vom Buch und der Zeitung hin zu Rundfunk und Fernsehen und später zu Internet und Sozialen Medien zu beschreiben.

Leitmedien in der Definition der Wissenschaft

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In den Sozialwissenschaften wird der Begriff Leitmedium im Sinne von Qualitätsmedien benutzt.[2] Synonyme sind Meinungsführermedien[3][4] und publizistische Leitmedien[5].

In den Kulturwissenschaften wird unter einem Leitmedium das zu einer gegebenen Zeit hauptsächlich genutzte Transportmedium für zu publizierende Inhalte verstanden: Zu früherer Zeit gab es lediglich Print-Produkte, später kam Radio und Fernsehen hinzu, zuletzt Internet und Sozialen Medien.[4]

Leitmedien im Sinne von Qualitätsmedien

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Als bestimmendes Kriterium für ein Qualitätsmedium wird an erster Stelle Glaubwürdigkeit genannt[6][7] und die Fähigkeit des Agenda-Settings[7].

Daneben wird die Nutzung der Leitmedien von Journalisten, für die Themensuche, die Themenauswahl, als Quelle für die Recherche, die Bewertung und das eigene Hintergrundwissen hervorgehoben.[8] Auch die Redakteure der TV-Nachrichtensendungen orientieren sich an den renommierten Print-Presseorganen und tragen so deren Botschaft in die breite Öffentlichkeit.[8]

Bestimmend ist auch die Reichweite bei Entscheidern. Die Reichweite in der allgemeinen Öffentlichkeit wird demgegenüber eher nicht als Kriterium angesehen.[9]

Gänzlich uneinheitlich wird die Zitierhäufigkeit bewertet: Häufige Zitate sprechen zwar für die Fähigkeit Themen zu setzen,[9] ein viel zitiertes Boulevard-Blatt wird durch viele Zitate jedoch nicht zu einem Qualitäts-Medium.

Einordnung der Boulevard-Presse

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Der deutschen Boulevard-Presse wurde im Jahr 2023 in der Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen lediglich von drei Prozent der erwachsenen Bevölkerung Glaubwürdigkeit entgegengebracht.[10] Obwohl die Boulevard-Presse also zweifelsfrei die Kriterien von Leitmedien nicht erfüllen, werden sie von Medienschaffenden als Leitmedium eingestuft[11][12] und tauchen in entsprechenden Aufzählungen auf.[13]

Presse-Ranking in Deutschland

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Presse-Ranking International

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Leitmedium im Sinn des vorherrschenden Transportmediums

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Soziale Medien als Leitmedien der jungen Generation

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YouTube, Instagram und TikTok dominieren den Medienkonsum Jugendlicher und junger Erwachsenen deutlich vor den sonstigen Internet-Angeboten, vor dem Fernsehen und vor der Print-Presse.[14][15] Sowohl durch das hohe Misstrauen gegenüber journalistischen Medien,[16] als auch durch den Trend hin zu videolastigen Angeboten,[17] werden in der jüngeren Generation auch politische Nachrichten bevorzugt über Instragram und TikTok konsumiert.[18][19] YouTube und TikTok wird deshalb eine Rolle bei der politischen Meinungsbildung von Kindern und Jugendlichen attestiert.[20][21]

Kontrovers diskutiert wird, ob die starke Präsenz der AFD in den Sozialen Medien ursächlich für Veränderungen der politische Einstellung bei jüngeren Wählern ist,[22][23] oder ob ein allgemeiner Stimmungswandel Auslöser ist.[22][24] Die Kritik an den Sozialen Medien und speziell an TikTok mündet auf der einen Seite in Verbots-Initiativen[18] und auf der anderen Seite in Aufrufe, sich mit eigenen Inhalten zu beteiligen.[25][26] Mit der Kampagne #ReclaimTikTok (deutsch: "TikTok zurückgewinnen"[26]) sollen vermehrt seriöse Inhalte gefördert werden.[27] Mit dem Medienangebot funk engagiert sich bereits das öffentlich-rechtliche Fernsehen in den Sozialen Medien, wobei eingeräumt wird, dass die staatliche Finanzierung es erleichtert, den dafür nötigen Aufwand zu treiben.[28]

  1. Udo Göttlich: Massenmedium. In: Helmut Schanze (Hrsg.): Metzler Lexikon. Medientheorie Medienwissenschaft. Verlag J.B. Metzler, Stuttgart / Weimar 2002, S. 193–194.
  2. Otfried Jarren und Martina Vogel: Leitmedien als Qualitätsmedien - Theoretisches Konzept und Indikatoren. Springer, Januar 2011, abgerufen am 6. Juli 2024.
  3. Jürgen Wilke: Leitmedien und Zielgruppenorgane. In: Mediengeschichte der Bundesrepublik Deutschland. Böhlau Verlag, Köln 1999, ISBN 978-3-412-14898-0, S. 302–329, doi:10.7788/9783412328733-014 (vr-elibrary.de [abgerufen am 6. Juli 2024]).
  4. a b Daniel Müller, Annemone Ligensa und Peter Gendolla: Leitmedien: Konzepte – Relevanz – Geschichte. Transcript-Verlag, November 2009, abgerufen am 6. Juli 2024.
  5. Matthias Künzler: Leitmedien in der Onlinewelt: Globaler Medienwandel und lokale Medienkrisen. Freie Universität Berlin, Januar 2017, abgerufen am 6. Juli 2024.
  6. Michael Meyen: Die Leitmedien als Problem. Journalistik - online, 8. Dezember 2020, abgerufen am 6. Juli 2024.
  7. a b Ernst Elitz: Zukunft der Leitmedien. Konrad-Adenauer-Stiftung, 2011, abgerufen am 6. Juli 2024.
  8. a b Klaus Wolschner: Versagen die Qualitätszeitungen? In: Texte zur Geschichte und Theorie von Medien & Gesellschaft. 2014, abgerufen am 6. Juli 2024.
  9. a b Thomas Mathis, Edda Humprecht: Werden Leitmedien häufiger zitiert? www.nomos-elibrary.de, 2018, abgerufen am 6. Juli 2024.
  10. Oliver Quiring et al.: Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2023. Johannes Gutenberg-Universität Mainz, April 2024, abgerufen am 6. Juli 2024.
  11. Leitmedien - gibt es sie noch? Deutscher Medienverband (DMV), 13. Mai 2015, abgerufen am 6. Juli 2024.
  12. Michael Meyer: Das Leitmedium mit den vier Buchstaben. deutschlandfunkkultur.de, 1. Januar 2011, abgerufen am 6. Juli 2024.
  13. Britta Boeck: Leitmedienzählung: „Stern“ vor „Spiegel“ und „Zeit“. ProQuote Medien e.V., 5. August 2020, abgerufen am 6. Juli 2024 (deutsch).
  14. Schüler machen Zeitung: TikTok ist die neue "Zeitung" der Jugend. Kleine Zeitung, 4. Mai 2023, abgerufen am 10. Juli 2024.
  15. Nahost-Krieg auf Tiktok: Wenn Influencer plötzlich Propaganda machen. Die Welt, 3. November 2023, abgerufen am 10. Juli 2024.
  16. Mehr als zwei Drittel der Jugendlichen misstrauen den Medien. Zeit online, 30. August 2022, abgerufen am 10. Juli 2024.
  17. Manon Harenberg: Social Media als Nachrichtenquelle der Generation Z. Mediennetzwerk Bayern, 29. Januar 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  18. a b Alexander Amon: Warum Tiktok den Nahost-Krieg so einseitig darstellt. Der Standard, 16. Dezember 2023, abgerufen am 10. Juli 2024.
  19. Anna Sophie Kümpel, Diana Rieger: Kann Instagram auch Politik? Konrad Adenauer Stiftung, 20. August 2020, abgerufen am 10. Juli 2024 (deutsch).
  20. Das TikTok-Universum der (extremen) Rechten. Bildungsstätte Anne Frank, 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  21. Isolde Ruhdorfer: Die Teenie-Querdenker:innen. Krautreporter, 10. Januar 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  22. a b TikTok ist nicht schuld am Rechtsruck. JACOBIN Magazin, 29. Juni 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  23. AfD regiert das TikTok-Terrain der politischen Landschaft. politik&kommunikation, 18. April 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  24. Philipp Wundersee: Jugend in Deutschland laut Studie pessimistisch wie noch nie. Tagesschau, 23. April 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  25. Bildungsstätte: AfD-Ergebnis ernst nehmen. Die Zeit, 9. Oktober 2023, abgerufen am 10. Juli 2024.
  26. a b TikTok und Instagram: Politik im Wettbewerb um Reichweiten. NDR, 10. April 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  27. Maurice Konrad: Werdet endlich auf Tiktok aktiv! taz, 24. März 2024, abgerufen am 10. Juli 2024.
  28. „Wir müssen neue Erzählformen finden”. edit.Magazin, 6. Februar 2023, abgerufen am 10. Juli 2024.