Krakauer Aufstand des Vogtes Albert

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Im so genannten Aufstand des Vogtes Albert in Krakau in den Jahren 1311/12, an dem auch die verbündeten Städte Sandomir und Wieliczka teilnahmen, versuchte die 1257 nach Magdeburger Recht wiedergegründete Stadt Krakau unter Führung ihres Bürgertums, sich von landesherrlicher Bevormundung zu befreien.[1] Dies kam beispielsweise durch die vom Vogt (lat. Advocatus, poln. Wójt) ausgeübte Rechtsprechung über die wichtigen Krakauer Salinen (Salzbergwerk Wieliczka und Bochnia) zum Ausdruck.[2] An dem Aufstand nahmen allerdings nicht alle Patrizier teil.[3]

Vorgeschichte Bearbeiten

Der Aufstand geschah fünf Jahre nachdem jahrelange Streitigkeiten um den polnischen Thron durch den gewaltsamen Tod Wenzels III. von Böhmen ein Ende gefunden hatten. Nach dem Mongolensturm hatten die polnischen Herrscher viele deutsche Siedler ins Land geholt, um die betroffenen Gebiete wieder aufzubauen. Im wiedergegründeten Krakau durften nur Deutsche das Bürgerrecht erwerben.[4] Schlesien hatte sich Böhmen bzw. dem Reich zugewandt, 1308 erfolgte die Übernahme von Danzig durch den Deutschen Orden.

Aufstand und Niederschlagung Bearbeiten

Der Aufstand der Krakauer Bürger war prodeutsch und antipolnisch, sowohl in politischer als auch in kultureller Hinsicht.[5] Auf kirchlicher Seite beteiligt waren Johann Muskata, der deutschstämmige[6] Bischof von Krakau, sowie einige von deutschen Mönchen dominierte Klöster in Kleinpolen.[7] Zu den Unterstützern des Aufstands gehörte auch der Oppelner Herzog Bolko I., der 1312 vom böhmischen König Johann von Luxemburg zum Statthalter von Krakau ernannt wurde.[8] Der Herzog von Krakau Ladislaus Ellenlang –  (später ab 1320 König von Polen) – schlug den Aufstand nach einjähriger Belagerung mit großer Strenge nieder,[9][5] nicht zuletzt um eine Hinwendung der Stadt nach Westen zu unterbinden. Die nachfolgenden Repressionen brachen die politischen Aspirationen der Städte, insbesondere Krakaus, dauerhaft.[7]

Folgen für die Deutschen Bearbeiten

Das Haus des Vogtes Albert, der ins böhmische Exil flüchtete und dort 1317 starb,[10] wurde abgerissen.[11] Die Loyalität der Bürger wurde durch einen einfachen polnischen Sprachtest überprüft: wer soczewica, koło, miele, młyn nicht fehlerfrei nachsprechen konnte, galt als schuldig.[9] Viele Deutsche wurden verbannt oder wurden Opfer von Ausschreitungen. Über Vogt Albert wurde mit De quodam advocate Cracoviensi Alberto ein „germanophobes“ Gedicht verfasst.[5] Jakub Świnka, der Erzbischof von Gnesen, klagte Bischof Johann Muskata als „Feind des polnischen Volkes“ an,[9] drängte den Einfluss ausländischer (insbesondere deutscher) Kleriker zurück und förderte die Besetzung kirchlicher Ämter mit Polen. Laut dem britischen Historiker Norman Davies zeigten sich bei dieser Auseinandersetzung erste Anzeichen eines polnischen Chauvinismus.[9] Dennoch hatten Deutsche noch in den nächsten Jahrzehnten das Amt des Stadtvogts inne und besaßen die Mehrheit im Stadtrat. Weiterhin wurden die Ratsdokumente auf Deutsch verfasst.[12] Der Anteil der Deutschen an der Krakauer Bürgerschaft blieb bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts bei etwa 35 Prozent.[13] Polnische Historiker schätzten die Zahl der Deutschen in Krakau für die Mitte des 14. Jahrhunderts auf etwa 3.500 Personen.[12]

Krakau wurde für einige Zeit eine Hansestadt, auch viele deutsche Studenten kamen nach Krakau. Noch im Jahre 1505 wurden die Gesetze der Handwerkergilden in Krakau[14] in deutscher Sprache geschrieben, wie man im noch vorhandenen Balthasar-Behem-Kodex erlesen kann.

Literarische Verarbeitung Bearbeiten

Der Historiker Raimund Friedrich Kaindl verarbeitete 1914 das Thema des Aufstands in seinem ersten Roman Die Tochter des Erbvogts. Roman aus Krakaus deutscher Zeit.[15] Das Werk von „recht schlichter Qualität“ steht in der Tradition deutscher Professorendichtung, wie beispielsweise Felix Dahn.[16] Die Geschichte wird dabei einseitig aus deutscher Sicht dargestellt, die Niederlage schreibt er der inneren „Zwietracht“ unter den Deutschen zu.[17]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Georg Michels: Handel und Handwerk in Krakau und Wien im Vergleich. In: Marina Dmitrieva, Karen Lambrecht: Krakau, Prag und Wien. Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat. (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa. 10). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07792-8, S. 80.
  2. Józef Piotrowicz: Die Versorgung der Krakauer Salinen … vom 13. bis 16. Jahrhundert. In: Ekkehard Westermann: Bergbaureviere als Verbrauchszentren im vorindustriellen Europa. Fallstudien zu Beschaffung und Verbrauch von Lebensmitteln sowie Roh- und Hilfsstoffen (13.–18. Jahrhundert). (= Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte. Beihefte 130). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-515-07005-2, S. 332.
  3. Wilhelm Rausch (Hrsg.): Stadt und Stadtherr im 14. Jahrhundert. Entwicklungen und Funktionen. (= Beiträge zur Geschichte der Städte Mitteleuropas. 2). Österreichischer Arbeitskreis für Stadtgeschichtsforschung, Linz 1972.
  4. In Krakau konnten nur Deutsche das Bürgerrecht erwerben. In: Edith Ennen: Die europäische Stadt des Mittelalters. (= Sammlung Vandenhoeck). 4., verbesserte Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1987, ISBN 3-525-01341-8, S. 196.
  5. a b c Proceedings of the American Philosophical Society. Vol. 120, No. 2, 1976, ISSN 0003-049X: „The second example of secular literature is the 126 Leonine verses in 21 stanzas which constitute the poem De quodam advocate Alberto (early fourteenth century, post 1311). Albert had been the civil administrator of Cracow under Duke W. Lokietek and had led an unsuccessful revolt against Piast leadership in conjunction with the bishop of Cracow, Jan Muskata. The orientation of this uprising was anti-Polish and pro-German, in both a cultural and a political sense, and it had been repressed with great severity. The poem itself, from the hand of an anonymous Pole whose Germano- phobia prevades the text, is cast in the form of a posthumous confession by an Albert conjured from the grave. Its worth as a historical source is clearly limited, but as a literary endeavor it is a clever piece of satire and political propaganda.[1]
  6. George J. Lerski: Historical dictionary of Poland. 966–1945. Greenwood Press, Westport CT u. a. 1996, ISBN 0-313-26007-9, [2]
  7. a b Slawomir Gawlas: Die Probleme des Lehnswesens und des Feudalismus aus polnischer Sicht. In: Michael Borgolte, Ralf Lusiardi: Das europäische Mittelalter im Spannungsbogen des Vergleichs. (= Europa im Mittelalter 1). Akademie Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-05-003663-X, S. 120.
  8. Rudolf Žáček: Dějiny Slezska v datech. Libri, Praha 2004, ISBN 80-7277-172-8, S. 62.
  9. a b c d "A revolt by the Germans of Cracow, headed by one Albert, and by Bishop Jan Muskata, who thought of returning to their earlier Bohemian allegiance, was suppressed after a year-long siege. In this struggle, the first signs of Polish chauvinism appear. The Czechs were denounced as foreigners, serving the 'German' Emperor, allies of the 'German' knights in Prussia, and of the 'German' Piasts of Silesia. The Archbishop of Gniezno, Jakub Swinka, brought Bishop Muskata, the 'enemy of the Polish people', before an ecclesiastical court. He excommunicated the princes of Glogau, who 'were turning Silesia into a new Saxony' and had resigned their claim to Pomerania in favour of the Teutonic Order. Investigations into the Cracovian revolt were assisted by a simple language test. Any suspect who could repeat and correctly pronounce soczewica, koło, miele, młyn was judged loyal; he who faltered was guilty. The knights who took to the field in Lokietek's cause, and were duly rewarded with grants of land, developed the first hesitant notions of a corporate 'Polish' estate." In: Norman Davies: God's Playground. Revised edition. Oxford University Press, Oxford 2005, ISBN 0-19-925339-0, S. 77.
  10. Jerzy Jan Lerski, Piotr Wróbel, Richard J. Kozicki: Historical Dictionary of Poland, 966-1945 [3]
  11. Der König nahm grausam Rache: der Abtrünnigkeit beschuldigte Bürger wurden hinter Pferden durch die Stadt geschleift und schließlich am Galgen gehängt. Wo früher das Haus von Albert stand, wurde eine Burg errichtet, inzwischen das Hotel Grodek: „The first unquestionable historic data come from the years 1311–1312 – the time of the mutiny of the German burghers of Krakow against King Władysław Łokietek (Ladislas the Short, also known as Ladislas the Elbow-High). It is believed that a large, brick-and-stone house existed on this spot. This belonged to Albert, the mayor of Krakow and leader of the mutiny. The King, having suppressed the revolt, took cruel revenge. Albert’s seat was demolished and the disloyal burghers were dragged by horse hither and thither through the streets of the city. Finally they were relieved by the hangman’s noose. Such was the ill fate of those who – due to their German origin – were unable to correctly pronounce the admittedly rather tricky Polish words: soczewica, koło, miele młyn. Following these dramatic events a small castle was constructed on the site of the mayor’s house.“ Piotr Duma, Archivierte Kopie (Memento vom 11. Mai 2008 im Internet Archive)
  12. a b Thomas Urban: Von Krakau bis Danzig. Eine Reise durch die deutsch-polnische Geschichte. (= Beck'sche Reihe 1580). Beck, München 2004, ISBN 3-406-51082-5, S. 22.
  13. Allgemein gebräuchlich war mit Sicherheit das Deutsche in seinen beiden Hauptdialekten, dem Nieder- und dem Oberdeutschen. Das letztere wurde nicht nur von Unternehmern benutzt. Man nimmt an, daß in den Jahren 1480–1489 in Krakau 36 % der Bevölkerung mit Stadtrecht der deutschsprachigen Gruppe angehörten, in den Jahren 1490–1499 waren es 34 %, 1500/01 24 % und in den Jahren 1513–1602 22 % (insgesamt in den Jahren 1507–1611 durchschnittlich 23 %). Nach einer ungefähren Berechnung betrug die deutsche Bevölkerung in Krakau im 14. Jahrhundert etwa 3 500 Personen (die polnische zählte etwa 5 000 Köpfe) und bildete somit etwa 35 % der gesamten Population. Die Analyse der Vornamen, die Anfang des 16. Jahrhunderts in den Büchern des Stadtrates auftreten, führt zu ähnlichen Ergebnissen. ... Man bediente sich entweder der lateinischen (41 % Eintragungen) oder der deutschen Sprache (59 % Eintragungen). - Henryk Samsonowicz: Gesellschaftliche Pluralität und Interaktion in Krakau. In: Marina Dmitrieva, Karen Lambrecht (Hrsg.): Krakau, Prag und Wien. Funktionen von Metropolen im frühmodernen Staat. (= Forschungen zur Geschichte und Kultur des östlichen Mitteleuropa. 10). Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2000, ISBN 3-515-07792-8, S. 121–122
  14. Baltasar Behem Kodex, Gesetzbuch (Memento vom 15. April 2005 im Internet Archive)
  15. Raimund Friedrich Kaindl: Die Tochter des Erbvogts – Roman aus Krakaus deutscher Zeit. Deutsche Verlags-Anstalt. Stuttgart/ Berlin 1914.
  16. Hartmut Merkt: Poesie in der Isolation. Deutschsprachige jüdische Dichter in Enklave und Exil am Beispiel von Bukowiner Autoren seit dem 19. Jahrhundert. Zu Gedichten von Rose Ausländer, Paul Celan und Immanuel Weissglas. Harrassowitz, Stuttgart 1999, ISBN 3-447-04174-9, S. 51f.
  17. Isabel Röskau-Rydel (Hrsg.): Galizien. (= Deutsche Geschichte im Osten Europas. Band 8). Siedler, Berlin 1999, ISBN 3-88680-206-0, S. 443.