Amavadin ist eine anionische Komplexverbindung des Vanadiums.

Strukturformel
Struktur von Amavadin
Allgemeines
Name Amavadin
Andere Namen

Bis[N-[(1S)-1-(carboxy-κO)ethyl]-N-(hydroxy-κO)-L-alaninato(2−)-.κNO]-vanadium

Summenformel [V{NO[CH(CH3)CO2]2}2]2−
Kurzbeschreibung

in Lösung hellblau[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 12705-99-6
PubChem 119025631
ChemSpider 52085372
Wikidata Q4740693
Eigenschaften
Molare Masse 398,94 g·mol−1
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung
keine Einstufung verfügbar[2]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Vorkommen

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Amanita muscaria enthält Amavadin

Die Verbindung wurde in drei Pilzarten der Gattung Amanita nachgewiesen. Der Fliegenpilz (A. muscaria), der Königs-Fliegenpilz (A. regalis) und A. velatipes reichern Vanadium in bis zu 400-mal höheren Konzentrationen an als andere Pilze oder Pflanzen.[1] Amavadin wurde erstmals 1972 von Kneifel und Bayer isoliert.[3]

Synthese

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Die Synthese von Amavadin gelingt über die Komplexbildung von Vanadylacetat mit dem vierzähnigen Liganden N-Hydroxyimino-2,2'-dipropionsäure.[4]

  

Bei dem Anion handelt es sich um eine achtfach koordinierte Vanadiumverbindung. Lösungen der Verbindung erscheinen blau.[1] Mit einem Calcium-Ion (Ca2+) als Gegenion gelang es, Kristalle für die Kristallstrukturanalyse zu erhalten.[1]

Struktur und Eigenschaften

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Der protonierte Ligand H3(HIDPA) (links), der deprotonierte Ligand (HIDPA) (Mitte) und zum Vergleich der nicht chirale Ligand H3(HIDA) (rechts).

Das Vanadium-Ion in Amavadin ist vierfach positiv geladen (V4+). Die Einkristall-Strukturanalyse dieser Verbindung zeigte, dass es sich um einen achtfach koordinierten Vanadiumkomplex handelt.[5] Das Vanadium-Ion ist darin an zwei vierzähnige Liganden gebunden. Diese leiten sich von der N-Hydroxyimino-2,2′-dipropionsäure ab, H3(HIDPA). Der Ligand wurde erstmals 1954 synthetisiert.[6] Die Liganden koordinieren über das Stickstoffatom und über drei Sauerstoffatome an das Vanadium-Ion. Das Vanadiumatom in dieser Komplexverbindung kann auch zum Vanadium(V) oxidiert werden. Der oxidierte Komplex wurde mittels NMR-Spektroskopie untersucht.[7]

Amavadin besitzt fünf chirale Zentren. Eins am Vanadium-Ion und vier an den α-Kohlenstoffatomen der Liganden. Die chiralen Kohlenstoffatome der Liganden haben S-Konfiguration.

Anwendung

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Die homologen Amavadinverbindungen [V(HIDPA)2]2- und [V(HIDA)2]2- zeigen eine Reduktion von Nitrit zu NO2 und eine Oxidation von Wasser zu Sauerstoff. Da Nitrit als Schadstoff in Trinkwasser und Abwasser enthalten ist, bietet die katalytische Wirkung von Amavadin eine Möglichkeit zur Reinigung des Wassers.[8] Die Reaktion ist leicht endergonisch und stark vom pH-Wert abhängig. Die Rückreaktion findet erst nach Stunden oder Tagen statt.[8]

Biologische Funktion

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Die biologische Funktion von Amavadin ist immer noch unbekannt. Es wird vermutet, dass die Verbindung unter Verwendung von Wasserstoffperoxid als Peroxidase zur Regeneration von beschädigtem Gewebe wirkt.[7] Amavadin könnte auch als Toxin zum Schutz des Pilzes dienen.[9]

Bei der Nitrit Reduktion mittels Amavadinkatalysator ist NO als Intermediat beteiligt. Da dieses Molekül bei vielen Organismen, wie auch beim Menschen, als Neurotransmitter dient, wird eine biologische Wirkweise beim Fliegenpilz vermutet.[8]

 
Schematische Darstellung der Oxidation von Wasser und der Reduktion von Nitrit mittels Amavadin als Katalysator. {V(IV)} steht für die reduzierte Amavadinspezies, {V(V)} steht für die oxidierte Amavadinspezis.

Einzelnachweise

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  1. a b c d Robert E. Berry, Elaine M. Armstrong u. a.: The Structural Characterization of Amavadin. In: Angewandte Chemie International Edition. 38, 1999, S. 795, doi:10.1002/(SICI)1521-3773(19990315)38:6<795::AID-ANIE795>3.0.CO;2-7. PMID 29711812.
  2. Dieser Stoff wurde in Bezug auf seine Gefährlichkeit entweder noch nicht eingestuft oder eine verlässliche und zitierfähige Quelle hierzu wurde noch nicht gefunden.
  3. H. Kneifel, E. Bayer: Stereochemistry and total synthesis of amavadin, the naturally occurring vanadium compound of Amanita muscaria. In: Journal of the American Chemical Society. 108, 1986, S. 3075, doi:10.1021/ja00271a043.
  4. Simone Braeuer, Martin Walenta, Lorenz Steiner, Walter Goessler: Determination of the naturally occurring vanadium-complex amavadin in Amanita muscaria with HPLC-ICPMS. In: Journal of Analytical Atomic Spectrometry. Band 36, Nr. 5, 12. Mai 2021, S. 954–967, doi:10.1039/D0JA00518E.
  5. Elaine M. Armstrong, Roy L. Beddoes, Louise J. Calviou, John M. Charnock, David Collison, Nigar Ertok, James H. Naismith, C. David Garner: The chemical nature of amavadin. In: Journal of the American Chemical Society. 115, 1993, S. 807, doi:10.1021/ja00055a073.
  6. Shou-Cheng J. Fu, Sanford M. Birnbaum, Jesse P. Greenstein: Influence of Optically Active Acyl Groups on the Enzymatic Hydrolysis of N-Acylated-L-amino Acids. In: Journal of the American Chemical Society. 76, 1954, S. 6054, doi:10.1021/ja01652a057.
  7. a b Ton Hubregtse, Ernst Neeleman u. a.: The first enantioselective synthesis of the amavadin ligand and its complexation to vanadium. In: Journal of Inorganic Biochemistry. 99, 2005, S. 1264, doi:10.1016/j.jinorgbio.2005.02.004. PMID 15833352.
  8. a b c Lúcia Dias, Nihel Bekhti, Maxim L. Kuznetsov, José A. B. Ferreira, Maria C. Bacariza, José Armando L. da Silva: Nitrite Reduction in Aqueous Solution Mediated by Amavadin Homologues: N2O Formation and Water Oxidation. In: Chemistry - A European Journal. Band 24, Nr. 10, 19. Januar 2018, S. 2474–2482, doi:10.1002/chem.201705385.
  9. C. David Garner, Elaine M Armstrong, Robert E Berry, Roy L Beddoes, David Collison, J.Jon A Cooney, S. Nigar Ertok, Madeleine Helliwell: Investigations of Amavadin. In: Journal of Inorganic Biochemistry. 80, 2000, S. 17, doi:10.1016/S0162-0134(00)00034-9. PMID 10885458.