Alfred Götzl (Mediziner)

österreichischer Internist

Alfred Götzl (* 1. Dezember 1873 in Wien, Österreich; † 21. Januar 1946 in San Francisco, Kalifornien) war ein österreichischer Hochschullehrer für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien, Sozialmediziner, sowie Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien.

Leben Bearbeiten

Die Eltern von Alfred Götzl waren der aus Böhmen (Jungbunzlau) stammende Salomon Götzl (1827–1891) jüdischen Glaubens und dessen Ehefrau Marie Schüssler (1839–1932). Er war das fünfte und jüngste Kind. Alfred Götzl studierte Medizin an der Universität Wien, die medizinische Promotion erfolgte im Jahr 1898. Anschließend war er bis 1903 Assistent bei Leopold Schrötter von Kristelli (1837–1908) an der Lungen-Heilanstalt Alland in Niederösterreich. Götzl wurde noch vor dem Ersten Weltkrieg Mitarbeiter des Sozialmediziners Ludwig Teleky (1872–1957), der die „Wiener sozialmedizinische Schule“ entwickelte. Eine erste gemeinsame sozialmedizinische Studie mit Ludwig Teleky entstand im Jahr 1905 und beschäftigte sich mit den Perlmutterdrechslergehilfen und Kohleabladern der k.k. Kaiser Ferdinand Nordbahngesellschaft. Alfred Götzl wandte sich nun vermehrt der Tuberkuloseforschung zu. Noch im Jahr 1867 verstarben ein Viertel der Wiener Bevölkerung an der Tuberkulose, weshalb diese Krankheit auch die „Wiener Krankheit“ genannt wurde. Götzl prangerte die schlechte Ernährungssituation und desolate Wohnsituation der Bevölkerung als Ursachen an und forderte einen Ausbau der öffentlichen Gesundheitspflege. Er erarbeitete, in Fortführung der Arbeiten von Ludwig Teleky und Anton Löw (1847–1907), ein umfassendes Fürsorgekonzept für die Stadt Wien, das dezentrale TBC-Fürsorgestellen vorsah.[A 1] Auch forderte er die Ausbildung von so genannten Fürsorgeschwestern. Noch im Januar 1917 wurden diese Fürsorgestellen vom Sanitätsdepartement des Ministeriums des Inneren festgeschrieben, da während des Ersten Weltkriegs die Anzahl der Tuberkulosekranken in Wien erneut nach oben schnellte. Die Fürsorgeschwestern wurden in staatlichen Krankenpflegeschulen ausgebildet. Nach der Bestellung des Sozialmediziners Julius Tandler (1869–1936) zum Stadtrat für das Wohlfahrts- und Gesundheitswesen, wurde im Jahr 1920 Alfred Götzl zum Chefarzt der Tuberkulosefürsorge der Stadt Wien ernannt. 1926 erfolgte die Habilitation Götzls und er wurde zum Dozenten im Fach Innere Medizin mit Schwerpunkt Tuberkuloseforschung an die Medizinische Fakultät der Universität Wien berufen. Im Jahr 1929 gab es bereits 12 der geforderten dezentralen Fürsorgestellen. Auch die Neubeschaffung von saniertem Wohnraum wurde in die Wege geleitet. Nach dem „Anschluss Österreichs“ an das nationalsozialistische Deutsche Reich wurde Alfred Götzl 1938 von allen Ämtern enthoben. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Paula und den Kindern Johanna und Franz Rudolf[1] gelang die Flucht in die USA. Alfred Götzl unterrichtete an der „University of California School of Medicine“ in San Francisco. Hier verstarb er im Jahr 1946.

Schwester und Schwager Lucie und James Neumann Bearbeiten

Der Schwager von Alfred Götzl, der Mediziner James Benjamin Neumann (1863–1941), war Chefarztstellvertreter der Krankenkasse der Gemeinde Wien. Er beschäftigte sich ebenfalls mit der Tuberkulosebekämpfung. Nach dem Berufsverbot für jüdische Ärzte arbeitete er in der Wiener Ärzteberatung in der „Auswanderungsabteilung“ mit. Ihm und seiner Ehefrau gelang die Auswanderung nicht mehr rechtzeitig. James Neumann beging am 21. Februar 1941 mit seiner Ehefrau Lucie Neumann, der Schwester von Alfred Götzl, in Wien Selbstmord.[2]

Engagement für die Krankenpflege Bearbeiten

Götzl forderte eindringlich, im Bereich der Ausbildung und Qualifizierung des Pflegeberufs Nachbesserungen vorzunehmen. Der „Verein Wiener Settlement“, der 1901 im Wiener Arbeiterbezirk Ottakring gegründet worden war und unter dem Vorsitz von Marie Lang (1858–1934) und der Feministin und Sozialarbeiterin Else Federn (1874–1946) stand, widmete sich der Bildungsarbeit sowie der Kinder- und Jugendfürsorge. Else Federn war die Tochter des Wiener Arztes Josef Salomon Federn. Marie Lang und Else Federn bestärkten Götzl, neben einer Ausbildungsoffensive auch eine Aufwertung der Pflegeberufes herstellen zu wollen, sowie eine enge Zusammenarbeit zwischen ärztlichen Personal und pflegerischen Pflegepersonal einzufordern. So kam es im April 1919 auf der Tuberkulosetagung in Wien zu einem Vortrag von Götzl einerseits und der im Verein Settlement arbeitenden Fürsorgeschwester Lotte Beichler andererseits.[3] Beichler skizzierte die Problemstellungen aus Sicht des Pflegepersonals und berichtete von ihren Erfahrungen einer Studienreise nach Deutschland zu vergleichbaren modernen Tuberkulosefürsorgeorganisationen.[4][A 2]

Werke (Auswahl) Bearbeiten

  • Götzl, Alfred und Ludwig Teleky: Die Kohlenablader der k.k. priv. Kaiser Ferdinand-Nordbahngesellschaft. Eine sozialmedizinische Studie aufgrund von gemeinsam mit Dr. Alfred Bass vorgenommenen Untersuchung. In: Archiv für soziale Medizin und Hygiene. (1) 1905, S. 193 f.
  • Götzl, Alfred und Ludwig Teleky: Die Gesundheitsverhältnisse der Wiener Perlmutterdrechsler. In: Allgemeine Wiener medizinische Zeitung, 25. Oktober 1910, S. 470 f.
  • Götzl, Alfred: Die Behandlung der Lungentuberkulose. In: Arbeiter Zeitung, 19. Juli 1924, S. 11.
  • Götzl, Alfred: Das Schicksal der Kinder aus offentuberkulösen Familien. Sonderabdruck aus der Wiener klinischen Wochenschrift, Nr. 23. 1928.
  • Götzl, Alfred: Zur Entwicklung der Tuberkulosefürsorge in Österreich. Rückblick und Aussichten. In: Mitteilungen des Volksgesundheitsamtes 1935, S. 106 f.
  • Götzl, Alfred und Ralph Arthur Reynolds: Julius Tandler: a biography, San Francisco, 1944.

Literatur Bearbeiten

  • Judith Bauer-Merinsky: Die Auswirkungen der Annexion Österreichs durch das Deutsche Reich auf die Med.Fak. der Uni Wien im Jahr 1938. Dissertation Wien 1980. S. 78 f.
  • Malleier, Elisabeth: Das Ottakringer Settlement. Zur Geschichte eines frühen internationalen Sozialprojekts. Edition Volkshochschule. Wien 2003.
  • Walter Mentzel: Götzl, Alfred. In: Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“. Bd. 10, Hungen 2022.

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Anton Löw und Ludwig Teleky publizierten ihre Vorstellungen zur Tuberkulosebekämpfung in den Schriften „Grundzüge zur Errichtung von Erholungsstätten“ sowie die „Grundzüge zur Errichtung von Hilfsstellen“. Es schwebte ihnen das Zusammenwirken von Medizin, Verwaltung und Sozialpolitik in der Bekämpfung der Tuberkulose vor. Dies sollte in staatlich organisierten Fürsorge- und Heilstätten, die Kinderasyle und Tageserholungsstätten umfassen sollten, geschehen. Alfred Götzl erweiterte dieses Konzept um die Einrichtung von dezentralen Fürsorgestellen. – Siehe Walter Mentzel: Götzl, Alfred. In: Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“. Bd. 10, Hungen 2022. S. 98.
  2. Lotte Beichler hatte die Tuberkulosefürsorgeorganisationen in Chemnitz und Stettin (Heute: Szczecin/Polen) besichtigt. Es ging nun darum, die dort gewonnenen Erkenntnisse mit der Situation im Verein Wiener Settlement zusammenzubringen.

Weblinks Bearbeiten

  • Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938: Alfred Götzl Digitalisat
  • VanSwietenBlog. Universitätsbibliothek MedUni Wien: Alfred Götzl Digitalisat
  • Northwestern Archival and Manuscript Collections: Alfred Götzl Digitalisat

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien. Vertriebene Studierende: Franz Rudolf Götzl
  2. Walter Mentzel: VanSwietenBlog, Universitätsbibliothek MedUni Wien: James Neumann – Chefarztstellvertreter der Krankenkasse der Gemeinde Wien, 2021. James Neumann
  3. Lotte Beichler: Die Tätigkeit und Ausbildung der Fürsorgeschwester. Vortrag gehalten am I. deutsch-österreichischen Tuberkulosetag in Wien am 6. April 1919. Verlag des Deutschösterreichischen Zentralkomitees zur Bekämpfung der Tuberkulose. Wien 1919.
  4. Walter Mentzel: Götzl, Alfred. In: Hubert Kolling (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte „Who was who in nursing history“. Bd. 10, Hungen 2022, S. 99 f.