Adiabatisches Theorem der Quantenmechanik

mathematischer Satz

Die Quantenmechanik beschreibt physikalische Systeme mit einem System-spezifischen Hamiltonoperator und Eigenzuständen dieses Operators. Das adiabatische Theorem der Quantenmechanik, auch Adiabatensatz der Quantenmechanik genannt, besagt, dass ein quantenmechanisches System in guter Näherung in einem Eigenzustand verbleibt, wenn der Hamiltonoperator explizit von der Zeit abhängt, sich aber nur langsam ändert. Die zeitliche Änderung beruht dabei auf außerhalb vom System vorgegebenen Parametern, z. B. magnetischen oder elektrischen Feldern oder geometrischen Größen.

Geschichte Bearbeiten

Das adiabatische Theorem der Quantenmechanik geht zurück auf Arbeiten von Max Born und Wladimir Fock aus dem Jahr 1928. Eine vollständige mathematische Formulierung gelang jedoch erst Tosio Kato (1950) im Zusammenhang mit der Störungstheorie linearer Operatoren.

Michael Berry zeigte 1984, dass bei zyklischer adiabatischer Änderung der Parameter das System zwar in seinen Ausgangszustand zurückkehrt, aber unter Umständen einen von der Geometrie des Parameterraums abhängigen Phasenfaktor erhält (Berry-Phase).

Beispiele Bearbeiten

Born-Oppenheimer-Näherung Bearbeiten

Eine Anwendung ist die Born-Oppenheimer-Näherung für die Berechnung der Wellenfunktionen von Atomkernen und Elektronen in einem Molekül. Die auf Max Born und Robert Oppenheimer zurückgehende Methode basiert auf der Annahme, dass sich die Wellenfunktionen von Atomkernen und Elektronen separat behandeln lassen. Der Grund dafür ist die viel größere Masse der Atomkerne, die sich daher viel langsamer bewegen als die Elektronen. Die Elektronen befinden sich daher und verbleiben in Eigenzuständen in dem von den Atomkernen erzeugten quasistatischen elektrischen Feld.

Adiabatische Quantencomputer Bearbeiten

Die Spielregel bei dieser Art von Quantencomputer besteht darin, ein System mit bekanntem einfachem Grundzustand durch langsames Ändern von Parametern aus diesem Grundzustand adiabatisch in den Grundzustand eines anderen komplizierteren Systems zu überführen.[1] Es ist bewiesen, dass jeder konventionelle Quantenalgorithmus äquivalent zur Ermittlung des Grundzustands eines entsprechenden Hamiltonoperators ist. Man kann daher im Prinzip in einem adiabatischen Quantencomputer alle Quantenalgorithmen ausführen. Man könnte daran denken, den fraglichen Grundzustand einfach durch Absenken der Temperatur zum Vorschein zu bringen. Eine adiabatische Annäherung an den Grundzustand aus anderer Richtung ist in vielen Fällen aber aussichtsreicher.

Bezug zum Adiabatentheorem der klassischen Mechanik Bearbeiten

Das Adiabatentheorem der klassischen Mechanik besagt, dass bei adiabatischen Änderungen von Systemparametern die Wirkungsvariablen    invariant sind. Nach der Quantisierungsvorschrift der alten Quantenmechanik ist nach Sommerfeld zu setzen   mit ganzen Zahlen   Die Invarianz von   bedeutet daher, dass die Zahlen   konstant bleiben. Dies entspricht der Aussage des Adiabatentheorems der Quantenmechanik, wonach keine Übergänge zwischen Quantenzuständen erfolgen.

Physikalisch und anschaulich impliziert ein sich im Verlauf einer Zeit   ändernder Hamiltonoperator eine von außen aufgezwungene Frequenz der Größenordnung   und somit eine Energie der Größenordnung  . Ist diese Energie kleiner als alle Energiedifferenzen  , kann kein Übergang erfolgen.

Beweis-Schema Bearbeiten

Ein Beweis des Adiabatentheorems ist nicht einfach, und es gibt Beweisvarianten mit unterschiedlichen Voraussetzungen oder anderer quantitativer Abschätzung der Abweichung vom Grenzfall. Der Beweis nach Born und Fock gilt nur, wenn es keine Entartung gibt, ist dafür aber geradlinig.

Ein zeitabhängiger Hamiltonoperator   hat für jeden Wert der Zeitvariable   Eigenzustände   mit Energie  . Ein beliebiger Zustandsvektor lässt sich nach diesen Basisvektoren entwickeln. Es interessiert die Lösung   der zeitabhängigen Schrödingergleichung   (die Plancksche Konstante ist   weggelassen). Die (reellen) Phasen   sind frei wählbar, haben bei geeigneter Wahl aber auch eine physikalische Bedeutung. Das Amplitudenquadrat   ist die Wahrscheinlichkeit, das System zur Zeit   im entsprechenden Eigenzustand vorzufinden. Einsetzen von   in die Schrödingergleichung liefert

 

Die zweite Zeile ist das Skalarprodukt der ersten Zeile mit dem konjugierten Eigenvektor  . Mit der Wahl

 

hebt der   -Term die r. S. und den Diagonalterm der Summe weg. Dabei ist   die „triviale“ Phasenänderung entsprechend der Energie  ,   ist die Berry-Phase. Es verbleibt

 

Es sei   über eine große Zeitskala   von der Zeit abhängig, d. h.   mit   und  . Die aus der statischen Schrödingergleichung abgeleiteten Zustandsvektoren  , Energien   und Berryphasen   sind dann Funktionen von  . Die trivialen Phasen enthalten dagegen einen Faktor  ,

 

Zur Zeit   befinde sich das System im Zustand  . Die Strategie ist jetzt, für große   den Ansatz   zu machen und   iterativ zu bestimmen. Mit   folgt für  

 

mit einer stetigen Funktion  . Nach Voraussetzung sei   mit positivem  . Das Integral   ist dann eine monotone Funktion und invertierbar. Dies liefert

 

Das Integral dieser Gleichung von   bis   wird nach dem Lemma von Riemann-Lebesgue mit wachsendem   beliebig klein. Sofern der Integrand differenzierbar ist, ist das Integral von der Größenordnung   Somit werden die Wahrscheinlichkeiten  , das System in einem Zustand   vorzufinden, beliebig klein, und es verschwinden auch alle endlichen Summen,  . Dass auch die Restsummen klein werden folgt schon daraus, dass für Übergänge in Zustände mit hoher Energie nicht genug Energie zur Verfügung steht.

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • M. Born, V. Fock: Beweis des Adiabatensatzes. In: Zeitschrift für Physik. Band 51, Nr. 3–4, März 1928, S. 165–180, doi:10.1007/BF01343193.
  • Tosio Kato: On the Adiabatic Theorem of Quantum Mechanics. In: Journal of the Physical Society of Japan. Band 5, Nr. 6, 1950, S. 435–439, doi:10.1143/JPSJ.5.435.
  • V. S. Buslaev, E. A. Grinina: Remarks on the quantum adiabatic theorem. In: St. Petersburg Mathematical Journal. Band 16, Nr. 04, 21. Juni 2005, S. 639–648 (Siehe auch darin angegebene Referenzen).

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. T. Albash, D. A. Lidar: Adiabatic Quantum Computing. In: Rev. Mod. Phys. Band 369, Nr. 90, 2018, S. 015002, doi:10.1103/RevModPhys.90.015002, arxiv:1611.04471v2.