Wilhelm Winkler (Statistiker)

österreichischer Statistiker

Wilhelm Winkler (geboren 29. Juni 1884 in Prag, Österreich-Ungarn; gestorben 3. September 1984 in Wien) war ein österreichischer Statistiker und Demograph.

Wilhelm Winkler trat 1909 in das Böhmische statistische Büro ein.[1] Als Kriegsfreiwilliger wurde er 1915 schwer verwundet, er war bis Kriegsende Mitglied der wissenschaftlichen Kommission für die Kriegswirtschaft. 1918 fand er eine beamtete Stellung im Bundesamt für Statistik.[1] In diesem Bundesamt war er bis 1938 tätig. 1929 wurde er zum Universitätsprofessor in Wien ernannt. Im Jahre 1934 war er Leiter der österreichischen Volkszählung. Zum 1. Juni 1938 wurde er emeritiert, weil er sich nicht von seiner jüdischen Frau Klara trennen wollte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde er rehabilitiert und zum Vorstand des Instituts für Statistik bestellt. 1950 bis 1951 war er Dekan an der Universität Wien. 1965 verlieh ihm die Universität Wien ein Ehrendoktorat.

Wilhelm Winkler war der Gründer der Österreichischen Statistischen Gesellschaft, der er mehrere Jahre als Präsident vorstand. In seinen Werken befasste sich Winkler vor allem mit der Bevölkerungsstatistik und der Logik statistischer Verhältniszahlen. Er gilt als der Begründer der Wissenschaft Statistik in Österreich.

Winkler betätigte sich auch als ein deutschnationaler Volkstumspolitiker, der große Teile Ostmitteleuropas „heim ins Reich“ holen wollte; hierzu gründete er 1924 an der Universität ein „Institut für Statistik der Minderheitsvölker“, schrieb über das „gesamte Deutschtum“ im Osten oder vom „Schutz der nationalen Minderheiten“ (womit er Menschen ursprünglich deutscher Herkunft meinte) und betrieb namens einer Wiener „Südostdeutschen Forschungsgemeinschaft“ völkische Propaganda. Mitarbeiter Winklers in diesem irredentistischen Verein waren Hugo Hassinger, Hans Hirsch, Otto Brunner und Wilfried Krallert; zu dem Münchener Gegenstück namens Südost-Institut bestanden enge Beziehungen.[2] Reisen in die deutschen „Volkstumsgebiete“ sollten die Gebietsansprüche untermauern.[3]

Emigrationsversuche

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Winkler geriet durch seine Zwangsemeritierung in eine angespannte materielle Lage (er hatte fünf Kinder zwischen 11 und 17 Jahren zu versorgen). Er ersuchte mehrere amerikanische Institutionen um Hilfe beim Finden einer akademischen Position.[4][5] Friedrich August von Hayek (der Winkler kannte) setzte sich nicht für ihn ein.[4]

Winkler schrieb nach dem Krieg in seiner Autobiografie:

Ich hatte gleich am Anfang der Hitlerei die gute Eingebung gehabt, mich an den Dekan meiner Fakultät um eine Art Geleitbrief – im Hinblick auf meine wissenschaftlichen Leistungen und mein Ansehen im Ausland – zu bemühen. Der Fakultätsbeschluss kam auch zustande und Prof. Ernst Schönbauer, der als führender Nationalsozialist kommissarischer Dekan geworden ist, stellte mir ein sehr vorteilhaftes Zeugnis aus, das nicht verfehlte, immer wenn vorgezeigt, Eindruck zu machen.[6]

Werke (Auswahl)

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  • Deutschböhmens Wirtschaftskraft. In: Rudolph Lodgman: Deutschböhmen. Verlag Ullstein & Co, Berlin 1919.
  • mit Walter Breisky: Die Weltlage der Statistik. J. Springer, Wien 1930
  • Grundriss der Statistik, 2 Bände. (1931–33)
  • Statistisches Handbuch der europäischen Nationalitäten (1931–33)
  • Demometrie (1969)
  • The Population of the Austrian Republic
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Literatur

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  • Walter Piesch: Winkler, Wilhelm. In: Harald Hagemann, Claus-Dieter Krohn (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration nach 1933. Band 2: Leichter–Zweig. Saur, München 1999, ISBN 3-598-11284-X, S. 749–751.
  • Alexander Pinwinkler: Wilhelm Winkler (1884-1984) – eine Biographie. Zur Geschichte der Statistik und Demographie in Österreich und Deutschland. Duncker & Humblot: Berlin 2003 (=Schriften zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte; 75).
  • Alexander Pinwinkler: Wilhelm Winkler und der Nationalsozialismus 1933–45 – Aspekte zum Verhältnis von Werk und Biographie, in: Rainer Mackensen (Hg.), Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik im „Dritten Reich“. Leske + Budrich: Opladen 2004, 165-179.
  • Alexander Pinwinkler: Der österreichische Demograph Wilhelm Winkler und die Minderheitenstatistik, in: Rainer Mackensen (Hg.), Bevölkerungslehre und Bevölkerungspolitik vor 1933. Arbeitstagung der Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft und der Johann Peter Süßmilch-Gesellschaft für Demographie mit Unterstützung des Max Planck-Instituts für demographische Forschung, Rostock; Opladen: Leske + Budrich 2002, 273-296.
  • Alexander Pinwinkler: Wilhelm Winkler (1884–1984) – Ein Leben für die Statistik. In: Newsletter, Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich. Nr. 24, 2003, S. 7–20, doi:10.25364/28.16:2003.1.3 (uni-graz.at [PDF]).

Fußnoten

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  1. a b Johannes Feichtinger (2001): Wissenschaft zwischen den Kulturen. Österreichische Hochschullehrer in der Emigration 1933–1945, S. 221–233 (Kapitel Österreichische Wirtschaftswissenschaftler im Zufluchtsland England), S. 226 (online).
  2. Winkler, als Hg.: Aus Österreichs Grenzsaum. Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde. Reihe: Geographischer Jahresbericht aus Österreich des Geographischen Institutes der Universität Wien, Bd. 16f. Deuticke, Leipzig 1933. Zum ganzen Komplex
  3. Schrift: Die Südostdeutsche Forschungsgemeinschaft 1931 - 1935. Schriftführer E. Rieger. U. a. mit dem Protokoll der Studienfahrt Wiener und Prager Hochschullehrer ... durch das Waldviertel und angrenzende Südböhmen vom 28. - 30. April 1935. Im Bestand der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
  4. a b Johannes Feichtinger (2001): Wissenschaft zwischen den Kulturen. Österreichische Hochschullehrer in der Emigration 1933–1945, S. 227 (online).
  5. siehe auch Christian Fleck (2015): Etablierung in der Fremde: Vertriebene Wissenschaftler in den USA nach 1933, S. 390 (online)
  6. zitiert nach Feichtinger (2001), S. 228.