Abkürzung: WP:TP
"Von einem Autor abzuschreiben ist Plagiat, von mehreren abzuschreiben ist Forschung."
Wilson Mizner (1876–1933)


Ein paar Worte zum deutschen Urheberrecht

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Dass es ein Urheberrecht gibt, wissen wohl die meisten Menschen. Die wenigsten aber verstehen genau, was alles geschützt ist – und sind sich nicht darüber im Klaren, dass sie selbst dagegen leicht aus Nichtwissen oder Unachtsamkeit verstoßen können oder die Rechtslage falsch einschätzen.

Aber schließlich reicht auch ein schneller Blick (oder auch zwei) in den Gesetzestext des deutschen UrhG nicht aus, um das alles zu verstehen. Kein Wunder, behandelt es doch die unterschiedlichsten „Werke“, die seinem Schutz unterliegen. § 2 (1) UrhG erklärt uns, was zu den so genannten „geschützten Werken“ gehört, nämlich Werke aus Literatur, Wissenschaft und Kunst. Für diesen Zusammenhang interessiert Abschnitt 1: „Sprachwerke, wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme“.

Um ein Textplagiat zweifelsfrei zu bestimmen, bedarf es der Experten, die Feinheiten kennen und einzuschätzen vermögen und vor allem das Schrifttum und die Rechtsprechung überschauen. Im Folgenden soll allerdings, abgeleitet von praktischen Erfahrungen, ein Leitfaden für die Behandlung von Textplagiaten in der Wikipedia gegeben werden.

Geschützte Schriftwerke

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Wann genau liegt bei Texten eine Urheberrechtsverletzung im Sinne des deutschen Urheberrechts vor?

Einige Wikipedianer sind der Meinung, schon ein einziger „geklauter“ Satz sei verboten und müsse vielleicht gar zur Löschung des gesamten Artikel führen. Doch so einfach ist die Sache nicht – der oben zitierte Artikel § 2 enthält nämlich noch einen zweiten Absatz, der lautet:

„Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“

Nun ergibt sich die Frage, was genau im Falle eines Textwerkes eine „persönliche geistige Schöpfung“ ist. Verschiedene Gerichtsurteile geben Auskunft, z. B. hier oder hier. Zusammenfassend gesagt:

Bei „Textklau“ liegt eine Urheberrechtsverletzung im Sinne des deutschen Urheberrechtsgesetzes (UrhG) dann vor, wenn

  1. die übernommenen Passagen für sich genommen den Rang einer persönlichen geistigen Schöpfung erreichen und
  2. der entlehnte Teil für sich genommen als „Werk“ betrachtet werden kann.

Man wird also immer im Einzelfall prüfen müssen, was erlaubt ist und was nicht. Die Übernahme kurzer Textpassagen stellt nicht immer eine Urheberrechtsverletzung dar. Insbesondere sind Zitate mit Quellenangabe zulässig, wenn sie einige Voraussetzungen erfüllen, siehe Wikipedia:Zitate.

Ein wörtliches Zitat ist zulässig, wenn es eine eigene Aussage untermauert. Entscheidend ist dabei, dass die geistige Leistung, die in den eigenen Text geflossen ist, gegenüber der charakteristischen Eigenart des Zitats deutlich überwiegt. Daraus ergibt sich, dass ein Zitat in der Regel auf wenige Sätze zu beschränken ist.

Gemeinfreie oder freie Werke

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Das Urheberrecht endet 70 Jahre nach dem Tod des Autors, daher kann man Ausführungen in alten Büchern aus dem 19. Jahrhundert in der Regel wörtlich zugrundelegen. Eine Quellenangabe ist aus Sicht des Urheberrechts nicht, aus Sicht von Wikipedia:Quellenangaben jedoch sehr wohl erforderlich. Viele Wikipedianer sind allerdings der Ansicht, dass solche Übernahmen eigentlich nicht wünschenswert sind, weil wir aktuelles Wissen bereitstellen sollten, und sehen in den etwa mit {{Meyers}} gekennzeichneten Artikeln, die aus dem alten Meyers-Lexikon entnommen sind, nur eine befristete Notlösung.

Eine Liste von hier verwendbaren Textquellen findet sich unter Wikipedia:Public-Domain-Quellen.

Übernahmen aus der Presse

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Die wörtliche Übernahme kurzer Meldungen aus der Presse ist nach § 49 (2) UrhG erlaubt. Es muss sich dabei um „Nachrichten tatsächlichen Inhalts“ (aus allen Fachgebieten, auch der Kultur, daher im Gesetzestext „vermischten Nachrichten“) bzw. um Tagesneuigkeiten (beides bezieht sich auf dieselbe Gruppe von Nachrichten) handeln. Es dürfen keinerlei Meinungen, Kommentare, Erläuterungen usw. übernommen werden, auch keine Bilder. Meinungen und Aussagen von interviewten Personen sind als Zitate hingegen zulässig.

Eine Überarbeitung von Fremdtexten zur Anpassung an den in der Wikipedia üblichen Sprachstil ist in der Regel notwendig.

Erlaubt wäre beispielsweise die Übernahme folgender Meldung: Mit 115 Jahren ist in Kanada Julie Winnifred Bertrand gestorben. Bis zuletzt wehrte sie sich gegen den Medienrummel um ihre Person. Das Interesse der Medien war Julie Winnifred Bertrand eher unangenehm. Seit im Dezember die Amerikanerin Elizabeth Bolden gestorben war, galt sie als älteste Frau der Welt. Nun ist die Kanadierin im Alter von 115 Jahren in einem Pflegeheim in Montréal gestorben, wie die Heimleitung am Freitag mitteilte. Quelle: Netzeitung "Älteste Frau der Welt ist tot". Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 24. Juni 2015. Von der Übernahme von Nachrichten, die länger sind als dieses Muster, sollte man eher absehen.

Grauzonen

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Werden ganze Absätze nur geringfügig umformuliert in der Reihenfolge der Vorlage übernommen, wird man in der Regel zum Schluss kommen, dass eine Urheberrechtsverletzung (URV) vorliegt. Auch erfahrene Juristen werden aber im Einzelfall nicht immer entscheiden können, ob bei eher geringfügigen Übernahmen die Grenze bereits überschritten ist. Wie ein Richter den Fall entscheiden würde, ist in diesen Fällen nicht vorherzusagen. Obwohl das Risiko gering ist, wegen der Entnahme weniger Sätze vor den Kadi gezerrt zu werden, sollte für die Mitarbeiter hier als Grundsatz gelten: Halte dich im Zweifel auf der sicheren Seite und sage das, was du darstellen möchtest, mit eigenen Worten (auch um externer Kritik, die Wikipedia nehme es mit dem Urheberrecht nicht genau oder schreibe ab, entgegenzuwirken). Geschützt sein kann auch eine besondere Gedankenführung oder Gliederung, daher sollte man generell darauf achten, dass man genügend Abstand von der Vorlage einhält.

Vor allem bei Fachpublikationen ist der Wortschatz eingeschränkt, daher muss man hier nicht zwanghaft nach Synonymen suchen, nur um den Eindruck einer Urheberrechtsverletzung zu vermeiden.

Wenn sich Übernahmen im Bereich ganz weniger Sätze (in einem längeren Artikel nicht mehr als 5–10) bewegen, die nicht wortwörtlich übernommen werden und auch keine besondere individuelle Gestaltung oder kreative Eigenheit aufweisen, sondern lediglich nüchterne Fakten enthalten, kann dies aus urheberrechtlicher Sicht nicht beanstandet werden. Werden solche Anlehnungen festgestellt, kann man sie, wenn man sie mit Blick auf den oben angesprochenen Grundsatz nicht für wünschenswert hält, stillschweigend umformulieren.

Anmerkung: In diesem Fall ist es nicht erforderlich, eine Versionslöschung durch einen Admin zu beantragen oder diese durchzuführen. Auch ist es nicht notwendig oder sachdienlich, den Urheber einer Übernahme als Plagiator zu beschimpfen oder aufzufordern, künftige URVs zu unterlassen.

Ein konkretes zufällig ausgewähltes Beispiel

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Von der Pressestelle der Universität Augsburg entnehmen wir zur Veranschaulichung die folgende Passage aus dem Jahr 1999 als Zitat (Quelle):

„Ralph Claessen, 1960 in Düsseldorf geboren und in Schleswig-Holstein aufgewachsen, studierte von 1980 bis 1986 Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, unterbrochen von einem einjährigem Studienaufenthalt am Cavendish Laboratory der University of Cambridge. Eine dort entstandene Studienarbeit wurde in Kiel als Diplomarbeit in Theoretischer Physik anerkannt. 1987 erfolgte ein Wechsel an das Kieler Institut für Experimentalphysik, wo Claessen 1991 bei Prof. Dr. M. Skibowski über elektronenspektroskopische Untersuchungen an Hochtemperatursupraleitern promovierte. Als Feodor-Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung ging er anschließend als Postdoktorand an die University of Michigan, Ann Arbor, wo er bei Prof. Dr. J. W. Allen Vielteilcheneffekte in der elektronischen Struktur metallischer Materialien mit Hilfe von Synchrotronstrahlung untersuchte. Diese Arbeiten führte Claessen ab Ende 1992 an der Universität des Saarlandes fort. Hier habilitierte er 1998 bei Prof. Dr. S. Hüfner zum Thema "Photoelektronenspektroskopie niederenergetischer Anregungen in niedrigdimensionalen Festkörpern". In die Saarbrücker Zeit fallen mehrere Forschungsaufenthalte am Stanford Synchrotron Radiation Center (USA) und an der Photon Factory in Tsukuba, Japan.“

Würde man diese 7 Sätze nur leicht gekürzt übernehmen, wäre das wohl eine URV. Die Gedankenführung an sich erscheint nicht schützenswert, es handelt sich um die übliche Darstellung eines Lebenslaufs (Curriculum vitae) in Textform. Man kann die im Text enthaltenen Fakten durchaus in der gleichen – chronologischen – Reihenfolge übernehmen. Ebenso sind auch Satzbestandteile wie z.B. Eigennamen urheberrechtlich unproblematisch und sollten im Original übernommen werden:

  • Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
  • Cavendish Laboratory der University of Cambridge
  • Kieler Institut für Experimentalphysik
  • elektronenspektroskopische Untersuchungen an Hochtemperatursupraleitern
  • Feodor-Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung
  • University of Michigan, Ann Arbor
  • Vielteilcheneffekte in der elektronischen Struktur metallischer Materialien mit Hilfe von Synchrotronstrahlung
  • Universität des Saarlandes
  • "Photoelektronenspektroskopie niederenergetischer Anregungen in niedrigdimensionalen Festkörpern"
  • Stanford Synchrotron Radiation Center (USA)
  • Photon Factory in Tsukuba, Japan.

Selbstverständlich sind Namen von Institutionen und Fachbegriffe ohne weiteres unverändert übernehmbar.

Aber auch häufig verwendete Verben wie studieren, untersuchen oder habilitieren müssen nicht zwangsläufig gemieden werden, wenn sie bereits in der Vorlage stehen. Will man alle sachlichen Informationen übernehmen, kann man das obige Zitat beispielsweise in folgenden Text umwandeln (siehe auch entsprechenden Wikipediaartikel über Ralph Claessen):

Ralph Claessen (* 1960 in Düsseldorf) ist ein deutscher Physiker.
Er studierte von 1980 bis 1986 Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Während eines Aufenthalts am Cavendish Laboratory der Universität Cambridge fertigte er eine Studienarbeit an, die in Kiel als Diplomarbeit in Theoretischer Physik anerkannt wurde. 1987 ging er an das Kieler Institut für Experimentalphysik. Seine Dissertation schrieb Claessen bei M. Skibowski über elektronenspektroskopische Untersuchungen an Hochtemperatursupraleitern (1991). Als Feodor-Lynen-Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung wechselte er an die University of Michigan, Ann Arbor. Dort untersuchte er bei J. W. Allen Vielteilcheneffekte in der elektronischen Struktur metallischer Materialien mit Hilfe von Synchrotronstrahlung. Ab Ende 1992 an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken tätig, wurde er 1998 bei Stefan Hüfner mit einer Arbeit über Photoelektronenspektroskopie niederenergetischer Anregungen in niedrigdimensionalen Festkörpern habilitiert. Während der Saarbrücker Tätigkeit hielt er sich mehrfach zu Forschungszwecken am Stanford Synchrotron Radiation Center (USA) und an der Photon Factory in Tsukuba auf.

Das ist vergleichsweise nah am Original, aber die Entlehnungen nehmen keine individuellen Eigentümlichkeiten des Textes auf. Bei weiterer stilistischer Überarbeitung, die aber nicht aus urheberrechtlichen Gründen geboten erschiene, und vor allem Hinzuziehung weiterer Quellen, würde die Abhängigkeit noch weiter verblassen.

Die Passage studierte von 1980 bis 1986 Physik an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist wortwörtlich übernommen, denn es ist nicht zwingend erforderlich, die gebräuchlichste Formulierung studierte durch mögliche Alternativen wie absolvierte ein Studium zu ersetzen. Wer ausreichende Fachkenntnisse hat, könnte das aus der Vorlage stammende Verb untersuchen durch ein spezifischeres Verb ersetzen. Ohne Fachkenntnisse wird es schwer fallen, die Formulierung Vielteilcheneffekte in der elektronischen Struktur metallischer Materialien mit Hilfe von Synchrotronstrahlung zu umschreiben. Aus Sicht des Urheberrechts ist das aber gar nicht erforderlich, da es sich um einen physikalischen Fachbegriff handelt, möglicherweise einen Projekt- oder Publikationstitel.

Rein stilistisch könnte die Aussage Während der Saarbrücker Tätigkeit beispielsweise durch Ab 1992 ersetzt werden. Je weitergehend man sich sprachlich (und inhaltlich) mit einem Text befasst und bewusst die beste eigene Formulierung sucht, desto weiter entfernt man sich von der Vorlage und um so besser genügt man dem oben aufgestellten Grundsatz.

Es existiert keine allgemeine Regel, die helfen würde, die Grauzone weiter einzugrenzen. Wörtliche Übernahmen, die irgendwo in einer Versionsgeschichte schlummern und nicht als grobe Plagiate erkennbar sind, werden in der Regel zu keinerlei juristischen Konsequenzen führen. Wer eine wörtliche Übernahme entdeckt, sollte den Text umgehend umformulieren oder in ein kurzes Zitat verwandeln. Falls dies nicht möglich ist, kann er durch die Zeichenfolge   <!--   ...   -->   vorübergehend unsichtbar gemacht oder notfalls gelöscht werden.

Im Zweifel: Experten fragen!

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Bei Wikipedia gibt es einige ausgewiesene Fachleute im Urheberrecht, die in Zweifelsfragen weiterhelfen können. Fragen zum Thema Urheberrecht stellt man am besten unter Wikipedia:Urheberrechtsfragen.

Siehe auch

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