Alvensleben (Adelsgeschlecht)

ehemaliges Adelsgeschlecht
(Weitergeleitet von Von Alvensleben)

Alvensleben ist der Name eines niederdeutschen Adelsgeschlechtes, dessen ältester bekannter Vertreter Wichard 1163, 1175, 1185 und 1187 als Ministerialer des Bistums Halberstadt in den Urkunden erscheint und sich spätestens seit 1175 nach der bischöflich-halberstädtischen Burg Alvensleben (heute Veltheimsburg) bei Haldensleben benennt, so dass anzunehmen ist, dass er dort als Burgvogt eingesetzt war.

Wappen derer von Alvensleben

Geschichte Bearbeiten

 
Schloss Erxleben um 1935

Die gesicherte Stammreihe des Geschlechtes beginnt mit Gebhard von Alvensleben, urkundlich 1190–1216, der vermutlich Wichards Sohn war. Er erscheint 1195 als Stadtpräfekt von Halberstadt und ab 1202 bis 1216 als Truchsess des Bischofs von Halberstadt, ein in der Familie erbliches Amt. Durch den Erwerb der Burg Erxleben um 1270/1282[1] und der Burg Kalbe um 1324 sowie der zeitweisen Besitzung der Burg Calvörde um 1396 stieg die Familie in den schlossgesessenen Adel der Mark Brandenburg auf.

Friedrich von Alvensleben (um 1265 bis 1313) war der letzte Ordensmeister des Templerordens in Alemannien und Slawien. Seine beiden älteren Brüder Gebhard IV. (urk. 1299) und Albrecht I. (urk. 1304–1334) waren die Stammväter der Weißen bzw. Schwarzen Linie. Eine weitere, die rote Linie, stirbt 1553 aus. Die schwarze erfuhr die größte Ausdehnung und teilte sich in zahlreiche Zweige. Ihr Lehns- und Pfandbesitz lag nicht nur im Bistum Halberstadt, sondern auch im Erzbistum Magdeburg, in der Mark Brandenburg und im Herzogtum Braunschweig. Mit Busso VIII. († 1493) und Busso X. (1468–1548) stellte die Familie zwei Bischöfe von Havelberg. Gebhard XIV., Herr auf Gardelegen und Landeshauptmann der Altmark (erwähnt 1393–1425), gehörte zur Adelsopposition gegen den neuen brandenburgischen Markgrafen Friedrich VI. von Hohenzollern.

Die von Alvensleben gehörten im 14. und 15. Jahrhundert, zusammen mit den Bartensleben, Bismarck, Jagow, von dem Knesebeck, Platen, Schenck (von Flechtingen und Dönstedt) sowie von der Schulenburg zu den acht schlossgesessenen Geschlechtern der Altmark, die unmittelbar dem Landeshauptmann unterstanden. Die Familie stellte zahlreiche Amts- und Landeshauptmänner in der Altmark sowie eine Reihe von Generälen, Ministern, Diplomaten, Domherren und auch einige Künstler und Wissenschaftler.

Die Familie besaß seit etwa 1200 bis zum Erlöschen der Truchsesslinie 1369 das Amt eines Erbtruchsessen des Bistums bzw. ab 1648 Fürstentums Halberstadt. Am 16. Oktober 1840 erneuerte König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen dieses Amt und verlieh es an Graf Albrecht von Alvensleben (1794–1858) – gebunden an den Besitz von Erxleben II.[2] Außerdem hatte die Familie von 1854 bis 1918 das Präsentationsrecht zum Preußischen Herrenhaus.[3] Johann Ernst von Alvensleben-Erxleben II wurde 1798 in den Grafenstand erhoben und der preußische Premierminister Philipp Karl von Alvensleben im Jahre 1800; der Sohn des Ersteren, Albrecht, starb 1858 kinderlos, Letzterer hatte keine weiteren Nachkommen. Mit Ferdinand von Alvensleben wurde ab 1840 auch der jeweilige Fideikommißherr auf Schloss Erxleben I und Eimersleben in den primogenen preußischen Grafenstand erhoben, mit Albrecht von Alvensleben-Schönborn 1888 auch die Erbenlinie auf Erxleben II und Ostrometzko sowie mit Werner von Alvensleben 1901 der Zweig auf Schloss Neugattersleben.

 
Wappengrafik von Otto Hupp im Münchener Kalender von 1905

Wappen und Erbstücke Bearbeiten

Blasonierung des Stammwappens: „In Gold zwei rote Balken, der obere belegt mit zwei, der untere mit einer silbernen Rose. Auf dem Helm mit rot-goldenen Decken ein daraus wachsender, von Rot und Gold gespaltener, rechts zweimal und links einmal geasteter und oben mit einer silberne Rose besteckter Aststumpf.“

Zu den Reliquien der Familie gehören ein Goldreif, von dem der Sage nach Fortbestehen und Glück des Geschlechts abhingen, und der bis in das 15. Jahrhundert zurückzuverfolgen ist, aufbewahrt in einem romanischen Täufer-Johannes-Kopf aus Gold; ferner ein gotischer Kelch, der der Überlieferung nach mit einem Teil eben dieses Ringes vergoldet war. Beide Stücke, die in Erxleben II (Reif) und Erxleben I (Kelch) aufbewahrt wurden, konnten 1945 gerettet werden; den Ring nahm das Domkapitel zu Paderborn in Verwahrung. Heute sind beide Stücke Bestandteile des Domschatzes zu Halberstadt.[4]

Persönlichkeiten Bearbeiten

 
Busso X. von Alvensleben (1468–1548), Bischof von Havelberg
 
Joachim I. von Alvensleben (1514–1588), Gelehrter, Reformator und Diplomat
 
Valentin von Alvensleben (1529–1594), Herr auf Gardelegen und Erxleben, und Anna von Veltheim in der Nikolaikirche in Gardelegen
 
Johann Friedrich II. von Alvensleben (1657–1728), hannoverscher Minister, Erbauer von Schloss Hundisburg
 
Philipp Karl Graf von Alvensleben (1745–1802), preußischer Premierminister
 
Udo von Alvensleben (1897–1962), Kunsthistoriker

Historische Besitze Bearbeiten

Auf der bischöflich halberstädtischen Burg Alvensleben saßen die ersten Namensträger als Burgvögte, später – seit etwa 1300 – als Burgmänner (Castellani)[5]

Schloss Erxleben (um 1270 bis 1945 im Besitz der Familie) und Burg Kalbe (1324–1945) sind die ältesten Stammsitze der Familie. Erxleben wurde bereits vor 1300 bei der Linienteilung aufgeteilt. Doch wurde das Band der Blutsverwandtschaft zwischen den anfänglich drei, später zwei Linien durch Querheiraten über Jahrhunderte stets neu geknüpft. Die häufig umkämpfte Burg Erxleben blieb eine brandenburgische Enklave und ein strategischer Vorposten am Schnittpunkt wichtiger Heerstraßen inmitten des Erzstifts Magdeburg, nahe den Grenzen des Bistums Halberstadt und des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel.

Die Familie erwarb sodann Vienau (1324–1816), Burg Rogätz (1369–1850), Uhrsleben (ab 1372), Burg Gardelegen (1378–1857), Schloss Randau (1391–1850), Burg Calvörde (1404–1528), Letzlingen (1404–1555), Gut Zichtau (1420–1847), Berge (1420–1813), Groß Engersen (1420–1812), Schenkenhorst (1420–1812), Schloss Hundisburg (1452–1811), wo Johann Friedrich II. von Alvensleben ab 1693 das große Barockschloss errichten ließ, Eichenbarleben (1453–1858), Weteritz (1472–1857), Gut Woltersdorf (vor 1500, 1713–1881). 1573 erwarben die Alvensleben aus Hundisburg Burg und Herrschaft Neugattersleben und bauten 1657–1665 das Schloss neu auf (das Gut blieb bis zur Enteignung 1945 im Familienbesitz).

Redekin wurde 1780 von den Weißen Alvensleben aus Erxleben I erworben, die es 1787 an die Schwarze Linie abgaben (bis 1945). 1783 kam Schloss Schochwitz in die Familie, alle seine Besitzer bis 1912 wurden preußische Generäle. 1832–1863 war Gohlis, ab 1835 Wittenmoor in der Familie, ab 1859 Rodehlen im Kreis Rastenburg im heute polnischen Teil von Ostpreußen, ab 1860 Schloss Schollene, ab 1869 der Oberhof Ballenstedt (nach 1990 restituiert), ab 1873 Ostrometzko und Glauchau im westpreußischen Kreis Kulm, ab 1879 Schloss Rusteberg (das zum Sitz der 1914 erloschenen Hundisburger Linie wurde, nachdem Letzteres 1811 verkauft worden war), ab 1884 Sülldorf (nach 1990 teilweise zurückgekauft) und ab 1894 Falkenberg im Odervorland (seit 1991 teilweise zurückerworben) sowie ab 1933 Tankow (Neumark).

Briefadelige Linien Bearbeiten

Es gab zum Ende des 19. Jahrhunderts vier briefadelige Zweige der Familie von Alvensleben, aus den Jahren 1787, 1798 und 1801. Zumeist erfolgte die Adelslegitimation in Preußen, teils auch unter Beilegung des jeweils väterlichen Namens und Wappens.[6][7] Das jeweilige Fortbestehen verband sich mit wenigen Personen.[8] Der genealogische Zweig 1787 bestand Mitte der 1950er Jahre nicht mehr.[9]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Siegmund Wilhelm Wohlbrück: Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlecht von Alvensleben und dessen Gütern. Drei Bände, Berlin 1819–1829.
  • George Adalbert von Mülverstedt: Codex Diplomaticus Alvenslebianus. Urkundensammlung des Geschlechts von Alvensleben. Fünf Bände, Magdeburg 1879, 1882, 1885, 1896, 1900.
  • Udo August Ernst von Alvensleben: Uebersicht der Geschichte und Genealogie des Geschlechtes von Alvensleben. Donath, Genthin 1892. (Digitalisat)
  • Marcelli Janecki (Red. zug.): Jahrbuch des Deutschen Adels, Band 1, Hrsg. Deutsche Adelsgenossenschaft (DAG), Verlag W. T. Bruer, Berlin 1896, S. 35 ff. (Digitalisat)
  • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch (GGT). (Auszug):
    • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1894. 67. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1893. (Digitalisat)
    • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser 1908. 81. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1907. (Digitalisat)
    • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser. 1942, A (Uradel). Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft. 115. Auflage. Justus Perthes, Gotha 1941. (Digitalisat)
    • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel (Uradel). 1900, 1. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1900; S. 10 ff. (Digitalisat)
    • Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. 1941, A (Uradel). Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft. 40. Auflage. Justus Perthes, Gotha 1940, S. 11 ff.
  • Hellmut Kretzschmar: Geschichtliche Nachrichten von dem Geschlecht von Alvensleben seit 1800. Hrsg. Familienverband von Alvensleben, Druck August Hopfer, Burg 1930.
  • Redaktion: Alvensleben, von. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 1, Duncker & Humblot, Berlin 1953, ISBN 3-428-00182-6, S. 321 (Digitalisat). (kurz)
  • Udo von Alvensleben-Wittenmoor: Alvenslebensche Burgen und Landsitze. 1. Auflage, Ruhfus, Dortmund 1960. 2. Auflage Wallstein, Göttingen 1991.
  • Genealogisches Handbuch des Adels. (GHdA. ISSN 0435-2408; Auszug):
    • Hans Friedrich von Ehrenkrook, Jürgen Thiedicke von Flotow, Friedrich Wilhelm Euler: Genealogisches Handbuch der Gräflichen Häuser, A (Uradel), Band II, Band 10 der Gesamtreihe GHdA, Glücksburg/Ostsee 1955.
    • Hans Friedrich von Ehrenkrook, Jürgen Thiedicke von Flotow, Friedrich Wilhelm Euler: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser, A (Uradel), Band II, Band 11 der Gesamtreihe GHdA, Glücksburg/Ostsee 1955.
    • Walter von Hueck: Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon. Band I, Band 53 der Gesamtreihe GHdA, C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1972.

Weitere Literatur Bearbeiten

  • Wirtschafts-Akten aus dem Hausbuche der Familie von Alvensleben in Gardelegen, aus den Jahren 1661 bis 1673, Hrsg. A. Boeckler, Druck Julius Könecke, Gardelegen 1913. (Digitalisat)

Weblinks Bearbeiten

Commons: Alvensleben – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser. Der in Deutschland eingeborene Adel (Uradel). 1941. Teil A, Adelige Häuser des spätestens um 1400 nachgewiesenen ritterbürtigen deutschen Landadels. Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft,. 40. Auflage. Justus Perthes, Gotha 1941, S. 11.
  2. Genealogisches Handbuch des Adels. Adelslexikon, Band I, Band 53 der Gesamtreihe GHdA, C. A. Starke, Limburg an der Lahn 1972, S. 66. ISBN 3-7980-0753-5.
  3. Hartwin Spenkuch: Das Preußische Herrenhaus. Adel und Bürgertum in der Ersten Kammer des Landtages. 1854 - 1918, in: Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien; Band 110, Droste-Verlag, Düsseldorf 1998, S. 174. ISBN 3-7700-5203-X.
  4. Mehr als die Geschichte einer Familie in: Kalbe - Von Conny Kaiser. „Es war einmal…“ So beginnen sie meistens, die Geschichten aus der Feder der Gebrüder Grimm. Sie haben im 19. Jahrhundert auch die Ring-Sage der Familie von Alvensleben zu Papier gebracht. Doch im Gegensatz zu vielen anderen Grimm-Märchen scheint diese wirklich wahr zu sein. Immerhin gibt es den sagenumwobenen Ring tatsächlich. Und am Wochenende kehrt er für einen Tag an den Ursprungsort der Sage zurück: In die Milde-Stadt.
  5. Wohlbrück I, S. 121. Nach einer Urkunde vom Jahre 1301 war Gebhard auch Burgmann zu Alvensleben.
  6. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Briefadeligen Häuser 1916. 10. Jahrgang, Justus Perthes, Gotha 1915, S. 5 f.
  7. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1934, B (Briefadel). Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft. Justus Perthes, Gotha 1933.
  8. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Adeligen Häuser 1940, B (Briefadel). Zugleich Adelsmatrikel der Deutschen Adelsgenossenschaft. Justus Perthes, Gotha 1939.
  9. Hans Friedrich von Ehrenkrook, Jürgen Thiedicke von Flotow, Friedrich Wilhelm Euler, Walter von Hueck: Genealogisches Handbuch der Adeligen Häuser, B (Uradel) 1961, Band V, Band 26 der Gesamtreihe GHdA, Limburg an der Lahn 1961, S. 6. ISBN 3-7980-0726-8.