Subverteilungsfunktion

Verallgemeinerung einer Verteilungsfunktion (im Sinn der Wahrscheinlichkeitstheorie) und eine spezielle Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn

Eine Subverteilungsfunktion ist eine Verallgemeinerung einer Verteilungsfunktion (im Sinn der Wahrscheinlichkeitstheorie) und eine spezielle Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn. Jede Verteilungsfunktion ist auch eine Subverteilungsfunktion, aber nicht jede Subverteilungsfunktion ist eine Verteilungsfunktion. Jede Subverteilungsfunktion ist eine Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn, aber nicht jede Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn ist eine Subverteilungsfunktion. Eine Subverteilungsfunktion kann zur Charakterisierung der Verteilung einer erweiterten Zufallsvariablen verwendet werden, analog dazu, wie eine Verteilungsfunktion die Verteilung einer reellen Zufallsvariablen charakterisiert. Ein zweiter Anwendungsbereich einer Subverteilungsfunktion ist die Charakterisierung eines Sub-Wahrscheinlichkeitsmaßes.

Definition

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Eine Funktion   heißt Subverteilungsfunktion (engl. sub distribution function) genau dann, wenn sie die folgenden drei Eigenschaften hat:

  1.   ist monoton steigend (im Sinn von monoton nicht fallend),
  2.   ist rechtsseitig stetig,
  3.   und  .[1]

Für eine erweiterte Zufallsvariable   mit Werten in   ist durch die Funktion

 

die Subverteilungsfunktion von   definiert.[2] Für die Stellen   und   gilt

 

und

 .[2]

Beispiele

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Beispiel 1

Die erweiterte Zufallsvariable   mit der durch   und   auf   festliegenden Wahrscheinlichkeitsverteilung hat die Subverteilungsfunktion

 

für die

 

gilt.

Beispiel 2

Die Subverteilungsfunktion

 ,

wobei   eine Verteilungsfunktion ist, definiert für die erweiterte Zufallsvariable   die Wahrscheinlichkeiten

 ,
 

und

 .

Eigenschaften

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  • Jede Subverteilungsfunktion kann als die Subverteilungsfunktion einer erweiterten Zufallsvariablen aufgefasst werden, deren Verteilung auf   durch die Subverteilungsfunktion festliegt. Dabei bezeichnet   die borelsche σ-Algebra auf den erweiterten reellen Zahlen.
  • Eine Verteilungsfunktion im Sinn der Wahrscheinlichkeitstheorie verlangt anstelle der dritten Eigenschaft in der Definition einer Subverteilungsfunktion die stärkere Eigenschaft
  und  ,
so dass jede Verteilungsfunktion eine Subverteilungsfunktion ist, während die Umkehrung der Aussage nicht gilt.
  • Wenn die Subverteilungsfunktion einer erweiterte Zufallsvariablen eine Verteilungsfunktion ist, dann liegt der Spezialfall einer erweiterten Zufallsvariablen mit   und   vor. Eine solche erweiterte Zufallsvariable wird bei wahrscheinlichkeitstheoretischen Untersuchungen üblicherweise mit einer gewöhnlichen reellwertigen Zufallsvariablen identifiziert.
  • Eine Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn verlangt anstelle der dritten Eigenschaft in der Definition einer Subverteilungsfunktion die schwächere Eigenschaft der Beschränktheit, also die Existenz von zwei reellen Zahlen   und  , so dass
 
gilt. Da eine Subverteilungsfunktion durch 0 nach unten und durch 1 nach oben beschränkt ist, ist jede Subverteilungsfunktion eine Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn, während die Umkehrung nicht gilt.
  • Durch eine Subverteilungsfunktion   ist über
 
ein endliches Maß auf   eindeutig definiert, das sogar ein Sub-Wahrscheinlichkeitsmaß ist. Dabei bezeichnet   die borelsche σ-Algebra auf den reellen Zahlen und gilt
 
  • Eine Subverteilungsfunktion   kann also entweder ein Wahrscheinlichkeitsmaß   auf   und damit den Wahrscheinlichkeitsraum   festlegen oder als Verteilungsfunktion im maßtheoretischen Sinn ein Sub-Wahrscheinlichkeitsmaß   auf   und damit den Maßraum   festlegen. Das Wahrscheinlichkeitsmaß   und das Sub-Wahrscheinlichkeitsmaß   hängen eng zusammen, da
  für alle  
gilt.

Anwendungen

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  • Eine Subverteilungsfunktion kann verwendet werden, um die Verteilung einer erweiterten Zufallsvariablen zu definieren oder zu beschreiben.
  • Eine Subverteilungsfunktion kann verwendet werden, um die Verteilung eines Sub-Wahrscheinlichkeitsmaßes zu definieren oder zu beschreiben.
  • Bei der Überlebenszeitanalyse mit zufällig zensierten Daten betrachtet man einen Zufallsvektor  , wobei   die zufällige Lebenszeit und   eine Indikatorvariable ist, die mit   den Fall einer zensierten und   den Fall einer nicht zensierten Beobachtung anzeigt. Durch
 
ist dann eine Subverteilungsfunktion   mit der Eigenschaft
 
definiert.[3]
  • Subverteilungsfunktionen mit der Eigenschaft   ergeben sich bei der Lebesgue-Zerlegung einer Verteilungsfunktion.[4] Der sogenannte Darstellungssatz für Verteilungen[5] vermeidet Subverteilungsfunktionen, indem er anstatt mit einer Zerlegung in additive Komponenten mit einer Konvexkombination von Verteilungen arbeitet, die eine analoge Konvexkombination von Verteilungsfunktionen impliziert.
  • Subverteilungsfunktionen sind ein Hilfsmittel bei Konvergenzuntersuchungen und Beweisen zur Verteilungskonvergenz, da sie ermöglichen, die schwache Konvergenz von Verteilungsfunktionen so zu erweitern, dass Folgen von Verteilungsfunktionen, die sonst nicht konvergieren – im Sinn der vagen Konvergenz – gegen eine Subverteilungsfunktion konvergieren.[6]

Einzelnachweise

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  1. Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S. 35, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.
  2. a b Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S. 193, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.
  3. Ludger Rüschendorf: Mathematische Statistik. Springer Spektrum, Berlin / Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41996-6, S. 395–396.
  4. Siehe Theorem 1.1 in Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S. 108, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.
  5. Satz 12.1.15 in Klaus D. Schmidt: Maß und Wahrscheinlichkeit. 2., durchgesehene Auflage. Springer, Berlin / Heidelberg 2011, ISBN 978-3-642-21025-9, S. 262.
  6. Galen R. Shorack: Probability for Statisticians (= Springer Texts in Statistics). 2. Auflage. Springer, Cham 2017, ISBN 978-3-319-52206-7, S. 193, 194, doi:10.1007/978-3-319-52207-4.