Die sog. Stahlbronze oder Uchatiusbronze ist eine von Franz von Uchatius entwickelte Hartbronze, die insbesondere in der Österreichisch-Ungarischen Artillerie verwendet wurde. Mit dieser Geschützbronze schuf Uchatius einen Geschützrohrwerkstoff, der erheblich preiswerter als Stahl war und der Österreich bei der Geschützerzeugung vom Ausland unabhängig machte.[1] Das erste Geschütz aus Uchatius-Bronze wurde 1874 gegossen. Bald war die gesamte Feldartillerie mit Geschützen aus diesem Material ausgestattet.[2] Von der Stahlbronze ist das sog. Uchatius-Verfahren streng zu unterscheiden. Beim Uchatius-Verfahren geht es um die Herstellung von Stahl, während Stahlbronze hingegen Bronze ist, die stahlähnliche Eigenschaft aufweist.

Franz Freiherr von Uchatius
(1811–1881)

Herstellung Bearbeiten

Die Stahlbronze bestehend aus 92 % Kupfer und 8 % Zinn wurde in Kokillen gegossen. Durch Kaltstrecken mit Walzen erlangt sie die eine mit Stahl vergleichbare Festigkeit, Elastizität und Härte.[3][4] (Vergleich hierzu auch Autofrettage).

Hintergrund Bearbeiten

Österreich-Ungarn Bearbeiten

 
Die 7-cm-Gebirgskanone M. 75 erwies sich im Serbienfeldzug 1914 als unterlegen.
 
Die 12-cm-Kanone M. 80 wurde von Oskar Potiorek angefordert um die Unterlegenheit der M. 75 auszugleichen.

Die Gemeinsame Armee war sehr an einer Modernisierung ihrer Artillerie interessiert, hatte doch der Deutsch-Französische Krieg in den Jahren 1870 und 1871 gezeigt, das eine veraltete Artillerie chancenlos war. Im Jahr 1873 lud man die Firma Krupp ein und ließ sich die modernsten Geschütze zeigen. Eine Anschaffung von Krupp-Geschützen wurde diskutiert, aber verworfen.[5] Stattdessen entschied man sich für die Stahlbronze von Uchatius. Uchatius konnte anhand von Tests zeigen, dass seine Rohre aus Stahlbronze den Stahlrohren gegenüber ebenbürtig waren. Im Vergleich zu früheren Bronzerohren war dies eine deutliche Verbesserung.[6] An Krupp musste man eine hohe Entschädigung zahlen, und Uchatius Stahlbronze sollte das Material der Wahl für die Geschütze werden.

Uchatius behauptete, seine Stahlbronze sei eine Weiterentwicklung. Er nennt in seinem Vortrag hierzu die Gusstechniken des Franzosen Lavessiere und die Arbeiten des russischen Oberst Lawrow.[7] In der US-Literatur hingegen geht man von einer Kopie eines US-amerikanischen Patentes aus. Samuel B. Dean hatte für die Firma South Boston Iron Company im Jahr 1869 ein Verfahren zur Bronzeverarbeitung entwickelt und patentieren lassen.[8] Ohne Lizenz hätten angeblich die Österreicher dieses Verfahren kopiert und als Eigenentwicklung vorgestellt.[9] Es ist im Nachhinein nicht klar, ob Uchatius dieses amerikanische Patent bekannt war, wurde es doch auf dem amerikanischen Kontinent nicht verwendet. Der Erfinder der Phosphorbronze Carl Künzel behauptet hingegen, er habe Uchatius auf die Eigenschaften der Bronze hingewiesen. Uchatius habe dann auf Grundlage seiner Forschungsergebnisse die Stahlbronze entwickelt.[10][11] Uchatius stritt dies ab, da bei seiner Erfindung gar kein Phosphor verwendet wurde.[12]

Uchatius' Erfindung galt als großer Wurf. Die Aussicht, eine vom Ausland unabhängige Produktion von Geschützen zu haben, die auch deutlich günstiger waren, faszinierte und wurde in den Zeitungen sehr beworben. In einigen Artikel wurde die Stahlbronze sogar als Stahl überlegen dargestellt. In die Verbesserung und Verfeinerung des Verfahrens wurden große Summen investiert. Es wurde u. a. damit geworben, dass Bronze deutlich weniger wetteranfällig sei als Stahl. So könnten Stahlbronze-Kanonen das ganze Jahr draußen stehen im Gegensatz zu Stahlrohr-Kanonen, die rosten würden. Pläne, aus der Uchatius-Bronze nicht nur leichte, sondern auch schwere 30,5 cm-Schiffsgeschütze herzustellen, wurden nicht realisiert; die Geschütze für die SMS Kronprinz Erzherzog Rudolf wurden bei Krupp bestellt. Kurz nach dieser Entscheidung beging Uchatius Selbstmord. Es wurde darüber spekuliert, dass verletztes Ehrgefühl wegen der Bestellung der Schiffsgeschütze bei Krupp Anlass für die Selbsttötung war.[13]

In Österreich blieb die Stahlbronze bei den Artilleriegeschützen bis 1914 in Verwendung.[14] Verschiedene Autoren betrachten die Verwendung von Stahlbronze als einen Hauptgrund für die Unterlegenheit der österreichischen Artillerie im Weltkrieg. Nicht nur, dass das Material weniger dauerhaft als Stahl war, es war auch deutlich schwerer. Im Serbienfeldzug 1914 galt z. B. die 7-cm-Gebirgskanone M. 75 den französischen Geschützen wie der Canon de 75 mm modèle 1912 Schneider als deutlich unterlegen.[15] In der Folge entstanden eine ganze Reihe neuer Konstruktionen von Geschützen wie etwa die 10-cm-Feldhaubitze M. 14 oder die 10-cm-Gebirgshaubitze M. 16. Geschütze mit Rohren aus Stahlbronze wurden im weiteren Verlauf des Krieges nicht mehr gebaut.

Christian Ortner bestreitet, dass die M.-75-Kanone unterlegen waren. Zum Zeitpunkt seiner Konzeption habe man mit dem Geschütz Vergleiche mit den damaligen Krupp-Geschützen erstellt. Dabei seien im Langzeittest keine Unterschiede mit den Gussstahlgeschützen aufgefallen. Gleichzeitig habe die Verwendung von Stahlbronze einen erheblichen Kostenvorteil gehabt, so hätten die Kosten nur rund 30 % eines Krupp-Stahlrohrs betragen. Hieraus folge, dass die Stahlbronze-Geschütze in den 1870er und 1880er Jahren Stand der Technik gewesen waren.[16]

Alfred Jansa berichtet in seinen Memoiren, dass den Österreichern die Unterlegenheit der 7-cm-Gebirgskanone M. 75 schon 1912 bekannt war. Man hatte sich sogar die Canon de 75 mm modèle 1912 Schneider vorführen lassen. Während die alte österreichische Kanone eine Schussweite von 3 km hatte, konnte das moderne französische Geschütz 7,5 km weit schießen. Zwischen beiden Konstruktionen lagen 40 Jahre Entwicklungszeit. Auf Druck von Franz Conrad von Hötzendorf wurde die Neukonstruktion der 7,5-cm-Gebirgs-Kanone M.15 forciert. Erik von Merizzi und Oskar Potiorek verzögerten aber die Einführung um mindestens ein Jahr durch Einwendungen und Anforderungen von weiteren Gutachten. Jansa beschreibt, dass dies bewusst gemacht wurde, da zwischen Potiorek und Conrad ein starker Konkurrenzkampf vorhanden war. Merizzi soll dies gegenüber Jansa zugegeben haben.[17] Die Folge dieser Intrige war, dass man im Krieg mit veralteten Geschützen kämpfen musste und die neuen Geschütze verzögert eingeführt wurden.

Deutschland Bearbeiten

In Deutschland war man sehr interessiert an den Innovationen von Uchatius und wollte herausbekommen, wie sich diese im Vergleich mit den Krupp-Kanonen schlugen. 1877 war es zwei preußischen Offizieren gelungen, zwei leitende Mitarbeiter von Uchatius abzuwerben. Man baute daraufhin in Spandau zwei Kanonen aus Uchatiusbronze mit dem Kaliber 120 mm nach. Bei intensiven Tests versagte einer der beiden Kanonen recht schnell, die andere Kanone konnte sich durchaus bewähren. Aufgrund der gemachten Erfahrungen wurde die Technik nicht weiter vergfolgt.[18]

Spanien Bearbeiten

Auch Spanien war sehr interessiert an der Stahlbronze und veranstaltete Vergleichstests mit Krupp-Kanonen. Im Ergebnis waren die Stahlkanonen von Krupp und die Uchatius-Stahlbronze-Kanonen ähnlich leistungsfähig. Man baute ab 1878 Kanonen aus Stahlbronze.[19] Die Spanier gaben aber die weitere Entwicklung mit Entdeckung des raucharmen Schwarzpulvers auf und widmeten sich in der Folge nur noch Stahlrohrkanonen.[20]

Weiteres Bearbeiten

  • Bei der Österreichisch-Ungarische Nordpolexpedition wurde die Mannschaft mit speziell angefertigten Waffen aus Uchatiusbronze ausgestattet. Man wollte Störungen von nautischen Instrumenten vermeiden.[21]
  • Joseph Uchatius, der Bruder von Uchatius schrieb zu Ehren der Erfindung der Stahlbronze ein Lied mit dem Titel „Das Lied vom Uchatius“.[22]

Auszeichnungen für die Erfindung für Uchatius Bearbeiten

  • Commandeurkreuz des St. Stefan-Ordens
  • die geheime Rats-Würde
  • Erhebung in den Freiherrenstand

Literatur Bearbeiten

Galerie Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Das Militär und der Aufbruch 1860-1890 Seite 236, abgerufen am 5. Mai 2009.
  2. Manfred Reinschedl: Die Aufrüstung der Habsburgermonarchie von 1880 bis 1914 im internationalen Vergleich, Verlag P. Lang, 2001, ISBN 978-3-631-36924-1, S. 116, 121
  3. Meyers Konversationslexikon
  4. Meyers Konversationslexikon
  5. Die österreichisch-ungarische Artillerie von 1867 bis 1918. Technik, Organisation und Kampfverfahren, Verlag Militaria, Wien 2007, ISBN 978-3-902526-12-0, S. 75
  6. Rigasche Industrie-Zeitung, Band 3, 1878, S. 7
  7. Anton Dolleczek, Geschichte der österreichischen Artillerie von de frühesten Zeiten bis zur Gegenwart, 1887, S. 517
  8. Patent US90244A: Improvement in Bronze Ordnance. Veröffentlicht am 18. Mai 1869, Erfinder: Samuel B. Dean.
  9. Van Slyck, New England Manufacturers and Manufactories: Three Hundred and Fifty ..., Band 2, 1879, S. 591
  10. Künzel, Die Bronzelegierungen und ihre Verwendung für Geschützrohre u. technische Zwecke (Dresd. 1875)
  11. Militär-Literatur-Zeitung, Band 56, 1875, S. 512
  12. Jahres-Bericht über die Leistungen der chemischen Technologie, mit besonderer Berücksichtigung der Gewerbestatistik, Band 21, 1876, S. 215
  13. Zum Selbstmord des Feldmarschall-Lieutenant Uchatius und Leitartikel Krupp und Uchatius in: Wiener Allgemeine Zeitung, Nr. 457, 5. Juni 1881.
  14. John A. Dredger - Tactics and Procurement in the Habsburg Military, 1866-1918: Offensive Spending, ISBN 978-3-319-57678-7. S. 110
  15. Rudolf Jeřábek - Potiorek, General im Schatten von Sarajevo, Styria, Graz/Köln 1991, ISBN 3-222-12067-6, S. 142
  16. Christian Ortner, Die österreichisch-ungarische Artillerie von 1867 bis 1918: Technik, Organisation und Kampfverfahren. Verlag Militaria, Wien 2007, ISBN 978-3-902526-12-0. ab S. 73
  17. Alfred Jansa, Peter Broucek: Feldmarschalleutnant Alfred Jansa ein österreichischer General gegen Hitler : Erinnerungen Böhlau, Wien u. a. 2011, ISBN 978-3-205-78148-6, S. 223
  18. Oesterreichische Militär-Veteranen-Zeitung, 1878, S. 412
  19. Hans Maudry, Waffenlehre für Officiere aller Waffen, 1895, S. 85
  20. Academia de Artillería.
  21. Die Osterreichische Arktische Beobachtungs-Station Auf Jan Mayen, S. 21
  22. biographien.ac.at