Die Zeitschrift Staat und Recht, zunächst herausgegeben von der Deutschen Verwaltungsakademie „Walter Ulbricht“ und dem (später integrierten) Deutschen Institut für Rechtswissenschaft, erschien erstmals im Dezember 1952 im Volkseigenen Betrieb Deutscher Zentralverlag Berlin, versehen mit einem Geleitwort von Otto Grotewohl. Der dort formulierte Auftrag und die Bindung an die Politik der DDR waren eindeutig[1]. Die Zeitschrift begann mit einer Stalin-Rede und einem dröhnenden nationalistischen und antiwestlichen Artikel von Herbert Kröger[2], Karl Polak schrieb zum Karl-Marx-Jahr 1953 und gegen den „Bonner-Separatstaat“[3], Hermann Klenner argumentierte im Namen von Marx und Engels gegen den „Sozialdemokratismus“[4].

Die Zeitschrift blieb von den fünfziger Jahren bis zum Ende der DDR ein getreuer Spiegel der Wechselbäder der Politik, aber auch der Reaktionen der Rechtswissenschaften hierauf. In der Zeit nach der Babelsberger Konferenz (1958) reihten sich die Stellungnahmen der Fachvertreter zu der Frage aneinander, in welcher Weise man der neuen durch Walter Ulbricht gewiesenen Richtung gerecht werden wolle. Karl Polak selbst zensierte die Beiträge[5], andere folgten ihm[6].

In großer Regelmäßigkeit erschienen aggressive Artikel gegen die Staatsrechts- und Verwaltungsrechtslehre sowie das Völkerrecht der Bundesrepublik, etwa gegen Carl Schmitt[7], Erich Kaufmann[8] und Ernst Forsthoff[9].

Nach dem Bau der „Berliner Mauer“ mäßigte sich der aggressive Ton gegen den Westen schrittweise. Die Erfahrung von „Babelsberg“ verblasste langsam, nicht zuletzt wegen des moderateren Chefredakteurs Hans Leichtfuss (1925–1982).[10] Die Kommentierung der Verfassung von 1968 und deren Neufassung von 1974, die Anerkennung der Bundesrepublik als Dialogpartner und die völkerrechtliche Anerkennung der DDR im Ausland wurden in einem Klima der „Koexistenz“ mit leiseren Tönen vorgetragen[11]. 1988, kurz vor dem Ende der DDR, verdichteten sich die Rufe nach einem rechtsstaatlichen Verwaltungsrecht, nach kontrollierten Verfahren und gerichtlichem Rechtsschutz, stets unter der Prämisse „Nutzung der Vorzüge des Verwaltungsrechts für die weitere Festigung der Staat-Bürger-Beziehungen“[12].

1991 erschienen noch drei Hefte, das letzte eingeleitet von einem ehrlichen und bilanzierenden Editorial von Chefredakteur Rolf Steding[13]. Zuvor hatte Karl-Heinz Schöneburg dem früheren Rektor der Akademie für Staats- und Rechtswissenschaft, Rolf Steding, vorgeworfen, sich „nicht selten als willfähriges Werkzeug zur Beschränkung der wissenschaftlichen Meinungsfreiheit erwiesen zu haben“[14].

Zu den langjährigen Mitgliedern des Redaktionskollegiums von Staat und Recht gehörten u. a. Ulrich Dähn, John Lekschas, Karl-Heinz Röder, Karl-Heinz Schöneburg und Wolfgang Weichelt. Lekschas war seit dem 23. April 1954 als Geheimer Hauptinformator (GHI) „Hans Jäger“ beim Ministerium für Staatssicherheit der DDR registriert[15], Röder wird nach der politischen Wende von dem renommierten Heidelberger Politikwissenschaftler Klaus von Beyme als „Stasi-Offizier in den höchsten Rängen“ identifiziert[16].

Literatur Bearbeiten

  • Staats- und Rechtsgeschichte der DDR. Staatsverlag, Ost-Berlin 1983.
  • Inga Markovits: Die Abwicklung. Ein Tagebuch zum Ende der DDR-Justiz. C.H. Beck, München 1993.
  • Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Vierter Band, Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in West und Ost 1945–1990, C.H.Beck München, 2012.
  • Matthias Voigt: Rechtsgeschichtliche Studien. Band 64: Staats- und rechtswissenschaftliche Forschungsplanung zwischen II. und III: Sozialistischer Hochschulreform, Anspruch und Wirklichkeit am Beispiel der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Dr. Kovac, Hamburg 2013.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland. Vierter Band, Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in West und Ost 1945–1990, C.H.Beck München, 2012, Seite 566
  2. Herbert Kröger: Die Aufgaben des Deutschen Volkes im Kampf für einen unabhängigen, einheitlichen demokratischen und friedliebenden deutschen Staat. In: Staat und Recht 1/1952, Seite 13–35
  3. Karl Polak: Das Vermächtnis und unsere Aufgaben. In: Staat und Recht 2/1953, Seite 11–24; ders.: 4 Jahre Bonner Separatstaat. In: Staat und Recht 2/1953, Seite 456–475
  4. Hermann Klenner: Karl Marx und Friedrich Engels gegen Lasalles Verfassungstheorie und Realitätspolitik. In: Staat und Recht 2/1953, Seite 223–249
  5. Karl Polak: Zur Lage der Staats- und Rechtswissenschaft in der Deutschen Demokratischen Republik, in: Staat und Recht 9/1960, Seiten 1–17
  6. Rainer Arlt: Die Dialektik in der Staats- und Rechtswissenschaft durchsetzen!, in: Staat und Recht 6/1960, Seite 230–248; Eberhard Poppe: Zu den Hauptfragen der ideologischen Konzeption der Staatsrechtswissenschaft der DDR, in: Staat und Recht 9/1960, Seite 81–95
  7. Roland Meister: Mittler faschistischen Staatsdenkens: Carl Schmitt, in: Staat und Recht 16/1967, Seite 942–962
  8. Roland Meister: Erich Kaufmann - der "Theoretiker" des Vertragsbruches und des Angriffskrieges, in: Staat und Recht 9/1960, Seite 1834–1847
  9. Karl-Heinz Röder: Ernst Forsthoffs Anpassung an den Imperialismus der siebziger Jahre, in: Staat und Recht 20/1971, Seite 1145–1158, zu: "Der Staat der Industriegesellschaft"
  10. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Vierter Band, Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in West und Ost 1945–1990, C.H.Beck München, 2012, Seite 568
  11. Michael Stolleis: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Vierter Band, Staats- und Verwaltungsrechtswissenschaft in West und Ost 1945–1990, C.H.Beck München, 2012, Seite 568
  12. Wolfgang Bernet: Verwaltungsarbeit-Bürger-Recht, in: Staat und Recht 37/1988, Seite 376–384
  13. Rolf Steding: Editorial, in: Staat und Recht 40/1991, Seite 161–164
  14. C.H. Ule: Zur Beharrlichkeit sozialistischer Rechtsvorstellungen in der DDR, in: Deutsches Verwaltungsblatt, Heft 15, 1. August 1990, zu Karl-Heinz Schöneburg in: Staat und Recht 2/1990, Seite 25
  15. BStU, MfS AIM 3286, P-Akte, Blatt 29 ff., in: Matthias Voigt: Rechtsgeschichtliche Studien, Band 64: Staats- und rechtswissenschaftliche Forschungsplanung zwischen II. und III: Sozialistischer Hochschulreform, Anspruch und Wirklichkeit am Beispiel der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Dr. Kovac, Hamburg 2013, Seite 114, Rdnr. 539
  16. Klaus von Beyme: Bruchstücke der Erinnerung eines Sozialwissenschaftlers, Wiesbaden 2016, S. 182; vgl. auch: Klaus von Beyme: Die DVPW und die International Political Science Association. In: Jürgen W. Falter, Felix W. Wurm (Hrsg.): Politikwissenschaft in der Bundesrepublik Deutschland. 50 Jahre DVPW, Wiesbaden 2003, S. 70 ff.