St. Annen (Seelitz)

Anlage von großer ortsgeschichtlicher und ortsbildprägender Bedeutung Beschreibung des Friedhofes und seiner Bestandteile siehe Einzeldenkmalliste obj 09235785, gleiche Anschrift

Die evangelische Kirche St. Annen ist eine spätgotische Saalkirche in Seelitz im Landkreis Mittelsachsen in Sachsen. Sie gehört zur Kirchengemeinde Seelitzer Land im Kirchenbezirk Leisnig-Oschatz der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Sie steht unter Denkmalschutz[1] und kann in der Regel nicht besichtigt werden.

Annenkirche Seelitz (2019)

Lage Bearbeiten

Die Kirche St. Annen befindet sich am Westrand von Seelitz und hat die Adresse Kolkauer Straße 10. Sie steht auf leicht erhöhtem Gelände und ist – auch wegen ihrer Größe – schon von Weitem sichtbar.[2] Sie wird vom 0,9 Hektar großen Friedhof umgeben.[3] Sie ist nicht streng geostet, ihre Achse weicht um etwa 17 Grad nach Norden ab.[4]

Geschichte Bearbeiten

 
Die Kirche um 1840

Die Geschichte der Seelitzer Kirche soll gemäß der Meißnischen Chronika bis ins Jahr 720 zurückreichen.[5] Um 1000 entstand die Pfarrei Seelitz, die dem Bistum Meißen zugewiesen wurde. Die Kirche entwickelte sich zu einer viel besuchten Wallfahrtskirche. Nach der Zerstörung durch die Hussiten um 1430 und einer Überbrückungszeit mit einer Behelfskirche wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der romanische Vorgängerbau durch die heutige gotische Saalkirche ersetzt (Jahreszahlen 1516 am südwestlichen Strebepfeiler und 1529 am Turmfundament). Begonnen wurde aber mit der Errichtung des Chores. Als Architekt wird der Rochlitzer Steinmetzmeister und Ratsherr Wolf Mathesius angenommen, der Vater des Pfarrers Johannes Mathesius.[6]

Unter der Leitung von Johann Michael Mäßig aus Wiederau wurde in den Jahren 1767–1772 eine Umgestaltung des Inneren vorgenommen und ein barocker Abschluss des Turms sowie ein Dachreiter auf dem Chor hinzugefügt. 1770–1773 wurde die innere Ausstattung der Kirche mit Altar, Kanzel und Taufbecken durch den Peniger Bildhauer Johann Gottfried Stecher (1718–1776) erneuert.

Im Jahr 1954 wurden einige Patronatslogen entfernt. Restaurierungen erfolgten in den Jahren 1957–1961 an Turm und Decke und 1976, wobei im Chor die Bemalung von 1713 freigelegt wurde, sowie 1980.

Architektur Bearbeiten

Das Bauwerk ist ein verputzter Bruchsteinbau mit Porphyrgliederungen und Strebepfeilern. Der Grundriss ähnelt demjenigen der Kunigundenkirche Rochlitz. An einen breiten Saal schließt sich ein stark eingezogener, im Inneren um drei Treppenstufen erhöhter Chor mit einem Fünfachtelschluss an. Der Chor ist gegen die Saalachse nach Süden versetzt und besitzt ein Netzgewölbe mit marmorierten Rippen. Das Chordach ziert ein schlanker Dachreiter. Kleine Anbauten sind im Winkel zwischen Chor und Saal eingefügt.

Der ins Gebäude eingestellte Westturm ist im Kern möglicherweise romanisch und schließt nach einem oktogonalen Aufsatz mit Laterne und Zwiebelhaube. An der Westseite befindet sich ein großes gotisches Spitzbogenportal mit verschränktem Stabwerk. Am Rippenansatz sind zwei Wappen angebracht. Die Turmhalle in Saalhöhe ist rippengewölbt und öffnet sich in einem großen Spitzbogen zum Saal.

Der auffallend hohe Saal wird von einer überwiegend in Weiß und Blau sowie marmoriert gefassten Ausstattung geprägt. An der flachen Decke (über welcher noch die ebenfalls marmoriert gefasste Holzbalkendecke erhalten ist) sind geschnitzte Rocailleverzierungen aufgelegt. An der Nord- und Südseite sind dreigeschossige Emporen eingebaut, die Orgelempore ist zum Saal hin gewölbt. Ein hoher Spitzbogen mit schmalem gemaltem Rankenfries, der sich ebenso über den Chorfenstern findet, vermittelt zum Chor. In den Anbauten an der Nord- und Südseite des Chores sind zweigeschossige Einbauten für die Familien von Kolkau und Döhlen sowie für die Sakristei eingefügt. Der Prospekt der Anbauten ist mit Pilastergliederung und großen geschnitzten Rocaillekartuschen versehen.

Ausstattung Bearbeiten

 
Innenansicht der Kirche (2012)

Das Zentrum des Altars in St. Annen von 1771 bildet eine lebensgroße Skulptur des gekreuzigten Jesus, hinterfangen von einer gemalten Golgota-Darstellung. Der hohe architektonisch aufgebaute Altar zeigt über einem mächtigen Sockel korinthische Säulen, die ein stark verkröpftes Gebälk tragen. Darüber befindet sich eine Strahlengloriole, die von zwei kleinen bewaffneten Engeln flankiert wird. Rechts und links am Altar stehen die Figuren der Apostel Johannes und Petrus. An der Wand neben dem Altar hängen zwei spätgotische Schnitzfiguren vom Anfang des 16. Jahrhunderts und stellen die Madonna und Anna selbdritt dar.

Die hölzerne, marmoriert gefasste Kanzel ruht auf einer Porphyrsäule. Auf dem Schalldeckel steht eine Schnitzfigur der Fides. Eine überaus reich in Rokokoformen geschnitzte Lesepult-Taufe in Vasenform von 1774 ist weiß und golden gefasst. Weiterhin besitzt die Kirche noch eine Porphyrtaufe mit gotisierendem Maßwerk, die auf das Jahr 1555 bezeichnet ist.

In der Sakristei befindet sich ein spätgotischer, der Heiligen Anna gewidmeter Flügelaltar vom Anfang des 16. Jahrhunderts, der in den Jahren 1888 und 1987–1897 restauriert wurde. Er zeigt im Schrein eine Sitzgruppe der Anna selbdritt und In den Flügeln in zwei Reihen übereinander Katharina und eine weitere Heilige, darunter Petrus und Paulus sowie Barbara und Maria Magdalena sowie darunter einen Apostel und Johannes den Täufer. Auf den Rückseiten findet sich eine in Resten erhaltene Malerei der Anbetung der Könige.

Zahlreiche Grabdenkmale aus Porphyr des 16.–18. Jahrhunderts sind teils mit Wappen und ganzfigurigen Darstellungen versehen.

Orgel Bearbeiten

Weihnachten 1693 erhielt die Kirche ihre erste Orgel mit acht Registern und ohne Pedal. 1797 baute Carl Gottlob Häcker (1791–1860) aus Pegau ein neues Instrument mit 30 Registern.

1907 entstand durch die Firma Schmeisser aus Rochlitz das heutige Instrument. Bei dieser Gelegenheit wurde die Orgelempore abgesenkt, um den Blick durch den gotischen Turmbogen in das Turmgewölbe zu ermöglichen.[7] 1992 erfolgte eine Generalreparatur durch Georg Wünning (* 1948) aus Olbersdorf. Das Instrument weist folgende Disposition auf.[8]

 
Orgel (2023)
I Manual C–a3
Bordun 16′
Prinzipal 08′
Gamshorn 08′
Gedackt 08′
Hohlflöte 08′
Gambe 08′
Oktave 04′
Rohrflöte 04′
Violine 04′
Quinte 223'
Oktave 02′
Cornett IV
Mixtur II–IV
Trompete 08′
II Manual C–a3
Gedackt 16′
Geigenprinzipal 08′
Doppelflöte 08′
Salicional 08′
Aeoline 08′
Vox coelestina 08′
Konzertflöte 04′
Querflöte 02′
Piccolo 01′
Rauschflöte 223′ + 2′
Pedal C–f1
Subbass 16′
Violon 16′
Prinzipalbass 08′
Gedacktbass 08′
Cello 08′
Posaune 16′
  • Koppeln: I/I Super, II/I, II/I Sub, I/P, II/P
  • Spielhilfen: Freie Kombination, Feste Kombinationen (P, MF, F, FF), Jalousieschweller (II. Manual), Crescendowalze (auch als Handbetätigung), Rohrwerke ab, Koppeln ab, Handregister ab, Automat. Pedalumschaltung

Pfarrer Bearbeiten

Seit der Reformation hatte die St.-Annen-Kirche folgende evangelische Pfarrer:[9]

  • 1544: Wolfgang Morgenstern
  • 1553: Augustin Ermscher
  • 1577: Johann Müller
  • 1588: Elias Hauskeller
  • 1629: Georg Lechla
  • 1652: Paul Heinrich Schreier
  • 1660: Johann Müller
  • 1690: Georg Jakob Müller
  • 1718: Johann Benjamin Meiner
  • 1747: Heinrich August Schuhmacher
  • 1753: Immanuel Friedlieb Anton
  • 1795: Daniel Gottlob Hering
  • 1807: Christian Gottlieb Benjamin Bürger
  • 1834: Theodor Friedrich Schmidt
  • 1847: Karl Gottlob Wolf
  • 1859: Karl Richard Blüher
  • 1860: Gustav Emil Wimmer
  • 1861: Friedrich Wilhelm Herz
  • 1891: Gottlieb Hermann Dittmann
  • 1891: Wilhelm Christoph Christian Karl Zinßer
  • 1902: Friedrich Zinßer
  • 1904: Emil Ernst Zinßer
  • 1907: Erwin Theodor Schürer
  • 1918: Friedrich Gustav Weißflog
  • 1926: Christian Robert Hermann Wolfram
  • 1942: Joachim Otto Wilhelm Leopold Grosse
  • 1945: Georg Friedrich Baldeweg
  • 1962: Martin Kupke
  • 1971: Dieter Keucher
  • 1980: Gunther Geipel

Literatur Bearbeiten

  • Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen II. Die Regierungsbezirke Leipzig und Chemnitz. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1998, ISBN 3-422-03048-4, S. 841–842.
  • Parochie Seelitz. In: Sachsens Kirchengalerie. Die Inspectionen: Penig, Rochlitz, Colditz und Waldheim. Leipzig 1843, S. 189–190 (Digitalisat).
  • Parochie Seelitz. In: Neue sächsische Kirchengalerie. Die Inspectionen: Penig, Rochlitz, Colditz und Waldheim. Leipzig 1909, Sp. 1–86 (Digitalisat).
  • Richard Steche: Seelitz. In: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Königreichs Sachsen. 14. Heft: Amtshauptmannschaft Rochlitz. C. C. Meinhold, Dresden 1890, S. 98.

Weblinks Bearbeiten

Commons: St. Annen (Seelitz) – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Eintrag in der Denkmaldatenbank des Landes Sachsen zur Denkmal-ID 09235785 (PDF, inklusive Kartenausschnitt). Abgerufen am 5. Februar 2024.
  2. Kirche erzählt Geschichte(n). In: Der Sonntag. 31. Juli 2022, abgerufen am 7. Februar 2024.
  3. gemessen mit GoogleMaps
  4. gemessen mit GoogleMaps + Adobe Photoshop Elements
  5. Seelitz, seine Kirche und seine Dörfer. Teil II. In: Rochlitzer Anzeiger. 2. Mai 2013, S. 38, archiviert vom Original am 4. September 2014; abgerufen am 7. Februar 2024. (Digitalisat)
  6. Neue sächsische Kirchengalerie, Sp. 14/15
  7. Neue sächsische Kirchengalerie.
  8. Orgeldatenbank ORKASA. Abgerufen am 6. Februar 2024.
  9. Seelitz. In: Pfarrerbuch Sachsen. Abgerufen am 6. Februar 2024.

Koordinaten: 51° 1′ 51,8″ N, 12° 49′ 9,8″ O