Signalsystem M

Schweizer Eisenbahnsignalsystem

Als Signalsystem M wird seit 1986 in Abgrenzung zu den neueren Signalsystemen L und N das mittlerweile ersetzte Schweizer Formsignalsystem bezeichnet.

Formsignale im Rangierbahnhof Biel, 2015

Bauarten

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Bei beengten Platzverhältnissen kamen eigens dafür errichtete Signalbrücken zum Einsatz.[1]

Das Signalsystem M war ein Hauptsignal-Vorsignal-System. Neben den häufig verwendeten Semaphoren, die wie in Deutschland und Österreich als Hauptsignale verwendet wurden, gab es auch Klappscheibensignale, die den Signalbegriff mit einer umklappbaren Scheibe mit weissem Strich von links unten nach rechts oben anzeigten. Sie wurden als Vorsignale verwendet, als Hauptsignale waren sie seltener. Klappscheibensignale wurden häufig als Durchfahrsignale verwendet.[2]

Als weitere Signalvariante wurde die sogenannte Hippsche Wendescheibe verwendet, bei der die Scheibensignale nicht umgeklappt, sondern von der Stellung quer zur Fahrtrichtung in die Stellung längs zur Fahrtrichtung gedreht wurden. Als Vorsignale waren Wendescheiben seltener.[2]

Die zwei- und dreiflügeligen Semaphore reichten in grösseren Bahnhöfen nicht aus, um dem Lokomotivführer die genaue Gleisbezeichnung mitzuteilen. Sie unterscheiden in der Regel nur zwischen Fahrt über Weichen in gerader und ablenkender Stellung.[3]. Chiasso, 1930

Geschichte

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Das Weichensignal für doppelte Kreuzungsweichen wurde von der Bayerischen Staatsbahn übernommen.
 
Ausgedientes Weichensignal Modell 1898/1899

Die ersten beweglichen Signale in der Schweiz sind die Weichensignale, die bereits 1847 von der «Spanisch-Brötli-Bahn» verwendet wurden. Zunächst entwickelte sich das Signalwesen der einzelnen Bahngesellschaften unterschiedlich und die Form der Weichensignale war von Bahn zu Bahn verschieden. 1898/99 wurde die Weichenlaterne der Badischen Staatseisenbahnen zum einheitlichen Weichensignal für die Schweiz bestimmt. Anspruchsvoll war die Signalisierung doppelter Kreuzungsweichen. 1908 fand dazu das bayerische Weichensignal Eingang ins Schweizer Signalbuch.[4]

 
Eines der seltenen mechanischen Ablaufsignale, hier im Rangierbahnhof Zürich, davor eine Ee 6/6

Die Einfahrsignale von Stationen wurden damals als Abschlusssignale bezeichnet. Die ersten solcher Abschlusssignale der Schweizerischen Centralbahn (SCB) wurden 1859 in der Presse beschrieben. Allmählich erhielten immer mehr Stationen, auch anderer Bahnen, Abschlusssignale. Sie waren als Wendescheiben, teils nach dem System Hipp, konstruiert.[5] Als erste Schweizer Bahngesellschaft errichtete 1882 die Gotthardbahn (GB) Semaphore im grösseren Massstab. Die Signalvorschriften von 1886 zeigen das Flügelsignal als Abschlusssignal gleichberechtigt neben den Wendescheiben[6] und erwähnten erstmals die Vorsignale.[7] 1894 verfügten erst wenige Bahnhöfe und Stationen über Ausfahrsignale.[6] 1905 einigte man sich auf die Einführung von Durchfahrsignalen. Sie orientieren den Lokomotivführer bereits bei der Stationseinfahrt, ob das Ausfahrsignal geöffnet ist. Durchfahrsignale sind Scheibensignale wie die Einfahrvorsignale. Sie verflüssigten den Betriebsablauf und brachten den Schnellzügen entsprechende Fahrzeitgewinne.[8]

Als erste Rangiersignale wurden Korbsignale verwendet. Sie schützen Linienzüge vor Flankenfahrten von Rangierkompositionen. Ab 1887 verwendete die Suisse-Occidentale (SO) in Lausanne runde, gelb bemalte Wendescheiben als Rangiersignale. Die Nordostbahn (NOB) benutzte weiss und blau bemalte Klappscheiben, die GB in Chiasso Hippsche Wendescheiben und die SCB in Bern Semaphore. In Basel verwendete die SCB ein 1891 von Siemens & Halske geliefertes Kreuzsignal, wie es sich später in der ganzen Schweiz durchsetzte. 1899 finden das Klappscheibensignal der NOB und das Kreuzsignal von Siemens & Halske Eingang im Signalreglement. Das Signalreglement von 1982 bezeichnete das Rangiersignal als Räumungssignal.[9]

Farben der Scheiben-Vorsignale
Stellung Hauptsignal zeigt Halt Hauptsignal zeigt freie Fahrt
bei Tag bei Nacht bei Tag bei Nacht
bis 1935        
ab 1935        

Änderung der Signalfarben

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Als Signalfarben wurden ursprünglich nur rot (Halt), grün (Vorsicht) und weiss (freie Fahrt) verwendet. Allerdings wurde beim Hauptsignal von diesem Grundsatz abgewichen, wo seit 1886 Grün für den Fahrbegriff bei Nacht verwendet wurde. Bei Vorsignalen stand Grün dagegen weiterhin für Vorsicht. Diese Inkonsequenz nahm man in Kauf, um die Probleme mit weissem Licht als Fahrbegriff zu vermeiden. Der Bruch des roten Farbglases oder bahnfremde Lichter konnten einen Fahrbegriff vortäuschen.[10]

Am 31. Januar 1935 wurden schliesslich alle grünen Farbgläser an Vor- und Durchfahrsignalen durch orangefarbene Filter ersetzt. Bis zum Oktober 1936 wurden dann die grünen Signalscheiben auf Orange umgefärbt und grüne Gläser für die Fahrstellung nachgerüstet.[10]

Signalbilder

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Scheibensignale

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Stellung Vorsignal Hauptsignal
bei Tag bei Nacht bei Tag bei Nacht
Warnung/
Halt
       
Fahrt        
 
Kklappscheiben-Vorsignal mit einer Vorsignaltafel in den 1930er Jahren. Solche Vorsignaltafeln nach deutschem Vorbild wurden im Schweizer Eisenbahnjargon als Trauerbrief bezeichnet.[11]

Der Nachteil dieser Signale war, dass sie in geöffneter Stellung schwer erkennbar waren und keine Fahrt über ablenkende Weichen anzeigen konnten.

Die Vorsignale links werden in der ab 1935/36 gültigen Farbgebung gezeigt.

Semaphore

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Zweiflügliger Semaphor in den drei verschiedenen Stellungen
 
Dreiflügliger Semaphor in Chiasso, 1930

Die dreiflügeligen Semaphore wurden nie in den Signalreglementen erwähnt, sondern waren Gegenstand besonderer örtlicher Regeln. Trotzdem erfreuten sie sich bis nach dem Ersten Weltkrieg einiger Beliebtheit.[12]

Stellung einflügeliges Signal zweiflügeliges Signal dreiflügeliges Signal
bei Tag bei Nacht bei Tag bei Nacht bei Tag bei Nacht
Halt            
Fahrt (über
Weichen
in gerader
Stellung)
           
Fahrt über
ablenkende
Weichen
(40 km/h)
       
Fahrt über
andere
ablenkende
Weichen
(40 km/h)
   

Durchfahrsignale

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Durchfahrsignale standen bei den Einfahrsignalen. Sie ähnelten Vorsignalen, wurden aber nur dann in die Freistellung gebracht, wenn das Ausfahrsignal Frei zeigte und ausschliesslich Weichen in gerader Stellung zu befahren waren. In allen übrigen Fällen blieb das Durchfahrsignal in der Warnstellung.

Einflüglige Semaphore zusammen mit Durchfahrsignalen kamen vor allem dort vor, wo ablenkende Durchfahrten gar nicht möglich waren.[13]

Die Durchfahrsignale werden hier in der ab 1935/36 gültigen Farbgebung gezeigt:

Stellung Ausfahrsignal Halt oder
Ausfahrt über ablenkende Weichen
Ausfahrt über Weichen in gerader Stellung
Stellung Einfahrsignal bei Tag bei Nacht bei Tag bei Nacht
Halt        
Einfahrt über Weichen
in gerader Stellung
       
Einfahrt über ablenkende
Weichen (40 km/h)
       

Hippsche Wendescheiben

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Stellung Vorsignal Hauptsignal
bei Tag bei Nacht bei Tag bei Nacht
Warnung/
Halt
       
Fahrt        
 
Hippsche Wende­scheibe bei der Museumsbahn Blonay–Chamby

Hippsche Wendescheiben wurden über ein Gewicht im Signalmast angetrieben, welches nach ca. 200 Scheibenumdrehungen wieder aufgezogen werden musste. Das Signal wurde mit Strom aus einer Batterie elektromagnetisch ausgelöst und arbeitete bei Sturm und im Winter zuverlässiger als mit Drahtzügen gestellte Wendescheiben.

Bei den niedrigen Geschwindigkeiten früher konnte bei guter Sichtbarkeit des Hauptsignals auf das Vorsignal verzichtet werden. Obwohl seit 1916 die Wendescheiben nicht mehr im Signalreglement enthalten sind,[14] standen bei einigen Strecken der Rhätischen Bahn bis in die 1980er Jahre Wendescheiben ohne Vorsignale.[15]

Rangiersignale

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Stellung bei Tag bei Nacht
Rangieren
verboten
   
Rangieren
gestattet
   
 
Kreuzsignal in den Stellungen Rangieren verboten und erlaubt

Rangiersignale verbieten oder gestatten das Rangieren in einer von Fall zu Fall bestimmten Umgebung des Signals. Sie sichern so Züge gegen Rangierfahrten. Am bekanntesten sind die Kreuzsignale, es wurden aber auch Klappscheibensignale verwendet. Nachts zeigten die Rangiersignale für Verbot ein violettes Licht.[16]

Einzelnachweise

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  1. Hans G. Wägli: Hebel, Riegel und Signale. Diplory Verlag, Grafenried 2018, ISBN 978-3-03306410-2, S. 67.
  2. a b Rudolf W. Butz: Signale der Schweizer Bahnen. Orell Füssli Verlag, Zürich 1972, S. 14.
  3. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 41.
  4. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 19–25.
  5. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 28–29.
  6. a b Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 33.
  7. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 45.
  8. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 48–49.
  9. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 51–53.
  10. a b Roland Smiderkal: Geschichte schweizer Signale. 1930 bis 1947
    Diese Abschnitte basieren weitgehend auf der Webseite von Roland Smiderkal, die unter Creative Commons lizenziert ist. Der Autor weist zudem daraufhin, dass eine Nutzung in der Wikipedia zu den dortigen Lizenzbedingungen ausdrücklich erlaubt ist.
  11. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 47.
  12. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 39.
  13. Butz: Signale der Schweizer Bahnen, S. 39.
  14. Butz: Signale der Schweizer Bahnen, S. 11.
  15. Wägli: Hebel, Riegel und Signale, S. 91.
  16. Butz: Signale der Schweizer Bahnen, S. 102–103.