Sibelius (Software)

Notensatzprogramm

Sibelius ist ein Notensatzprogramm, benannt nach dem finnischen Komponisten Jean Sibelius. Herstellung und Vertrieb leistet das Unternehmen Avid Technology, welches das Programm im Jahr 2006 von der Sibelius Software Ltd. der englischen Brüder Ben und Jonathan Finn erworben hat. Es ist für Windows und macOS verfügbar.

Sibelius

Screenshot
Hauptfenster von Sibelius 7 unter Mac OS X
Basisdaten

Entwickler Avid Technology, Inc.
Erscheinungsjahr 1993
Aktuelle Version 2018.6[1]
(26. Juni 2018)
Betriebssystem Windows, macOS[2]
Programmiersprache C++, Assemblersprache
Kategorie Notensatzprogramm
Lizenz proprietär
deutschsprachig ja
avid.com/de/sibelius

Funktionsumfang Bearbeiten

Sibelius ermöglicht einen professionellen Notensatz. Traditionelle Notation wird ohne Einschränkungen (etwa an Zahl oder Art der Instrumente) voll unterstützt; auch ausgefallene oder nicht allgemein gebräuchliche Notationsformen sind möglich. Beim Erstellen von Orchesterpartituren sind die Einzelstimmen automatisch verfügbar. Die Noteneingabe erfolgt entweder durch Einspielen über eine MIDI-Tastatur, durch Tastaturbefehle direkt auf dem Rechner oder durch Mausklicks. Editierfunktionen können durch selbst erstellbare Plugin-Programme automatisiert werden. Das Programm bietet auch Funktionen zum Abspielen einer Partitur mit Berücksichtigung der Spielanweisungen (Dynamik, Tempo usw.), wobei auf eine umfangreiche Klangsamplebibliothek zurückgegriffen wird. Ferner gehört zum Lieferumfang eine vereinfachte Version des Programms PhotoScore zum Scannen von gedruckten Notenvorlagen und Umwandeln in das Sibelius-Format.

 
Rachmaninows Prélude cis-Moll Op. 3 Nr. 2, geschrieben in Sibelius 4

Sibelius-Dateien können im World Wide Web verteilt werden und mit Hilfe des kostenlos für jedermann erhältlichen Browser-Plug-ins Scorch auch ohne das eigentliche Sibelius-Programm angezeigt, gedruckt und abgespielt werden. Unter dem Namen Avid Scorch existiert ebenfalls ein Anzeige-Programm von Sibelius-Dateien für das iPad.[3]

Datei-Import Bearbeiten

Sibelius ist in der Lage, die folgenden Formate zu öffnen:

  • Sibelius 2–8 (*.sib)
  • MusicXML (*.xml, *.mxl)
  • MIDI (*.mid)
  • PhotoScore und AudioScore (*.opt)

Datei-Export Bearbeiten

Sibelius ist in der Lage, folgende Formate zu speichern:

  • Sibelius 2–8 (*.sib)
  • Audio (*.wav, *.mp3, *.aif)
  • Grafiken (*.bmp, *.png, *.eps, *.tif, *.svg)
  • MusicXML (*.xml, *.mxl) – ab Version 7, bei älteren Versionen nur via Dolet[4]
  • MIDI (*.mid)
  • Scorch Webpage (*.htm)
  • PDF (*.pdf)

In weitere Formate kann mit Hilfe von Plug-ins exportiert werden.

Produktfamilie Bearbeiten

Sibelius ist in folgenden Versionen erhältlich:

  • Sibelius Ultimate (Vollversion)
  • Sibelius Education (Vollversion für Lehrer, Studenten und Schüler ab Sekundarstufe sowie als Mehrplatzlizenz für Bildungseinrichtungen)
  • Sibelius Student v7 (nur in Englisch für Schüler und Studenten) – 2012 eingestellt[5]
  • Sibelius (bis 16 Notensysteme, vergünstigte Version)
  • Sibelius First (bis vier Notensysteme, kostenlose Einstiegsversion)
  • G7 (Version speziell für Gitarristen mit umfassenden Möglichkeiten der Tabulaturnotation) – eingestellt
  • Scorch (Browser-Plug-in zum Anzeigen, Abspielen und Drucken von Sibelius-Partituren im Internet)[6]
  • Avid Scorch (iPad-Version von Scorch)[7]

Geschichte Bearbeiten

Die Arbeit an Sibelius begann 1986 als Freizeitprojekt der britischen Zwillingsbrüder Ben und Jonathan Finn, die während ihres Musikstudiums an der Universität die ersten Zeilen konzipierten und programmierten. Die Implementierung basierte anfangs auf Assembler und wurde später komplett neu in C++ geschrieben.

Die erste offizielle Version erschien 1993 unter dem Namen Sibelius 7 für den Acorn Archimedes. Der Markt war zu dieser Zeit stark von dem Programm Finale des Unternehmens CodaMusic beherrscht. Seitdem wurde die Software stetig zu einem der leistungsfähigsten und meistbenutzten Notationsprogramme weiterentwickelt. Der Namenszusatz 7 entfiel später. Die an den Namen angehängte Ziffer bezieht sich heute auf die jeweils aktuelle Versionsnummer. Die Version Sibelius 7 für Windows und Mac ist hinsichtlich ihrer Namensgebung also doppeldeutig.

Im Jahr 2006 kaufte Avid die sich im Besitz der Finns befindende Firma Sibelius Software Inc. auf. Das Programmiererteam wurde daraufhin zwar verkleinert, doch verblieb die Weiterentwicklung und Pflege bei derselben Firma, verkörpert vom öffentlichen Gesicht des seit 1999 involvierten Produktmanagers Daniel Spreadbury. Die Mitarbeiter unterlagen von nun an dem Angestelltenverhältnis bei Avid.

Im Juli 2012 gab Avid bekannt, zukünftig wieder seine Kernkompetenzen fokussieren zu wollen, was mit umfassenden Firmen-Umstrukturierungen und Verkäufen von Tochtergesellschaften einherging.[8] Als Folge dessen wurde auch die UK Sibelius-Zentrale am Finsbury Park in London vollständig geschlossen und ihre Mitarbeiter wurden entlassen.[9] Avid erklärte daraufhin, dass die Weiterentwicklung von Sibelius zukünftig einem Team in der Ukraine übertragen werden solle.[10]

Die Übergangszeit von 2012 bis 2013 koordinierte Bobby Lombardi, Produktmanager von Pro Tools.[11][12] Währenddessen versuchte eine breit angelegte und von Sibelius-Nutzern organisierte Initiative vergeblich, Avid zum Verkauf der Sibelius-Sparte bzw. zur Wiedereinstellung der Londoner Entwickler zu bewegen.[13][14] Anfang 2013 wurde bekannt, dass das alte Entwicklerteam von Sibelius nun für Steinberg an einer neuen Notensatzsoftware arbeitet;[15][16] diese neue Software erschien im Oktober 2016 unter dem Namen Dorico.[17]

Die neuen in Kiew angesiedelten Entwickler unter dem britischen Manager Sam Butler[18] und Softwareentwickler Michael Ost wurden Ende 2013 vorgestellt.[19]

Versionsgeschichte Bearbeiten

Version Veröffentlichung Anmerkungen
Sibelius 7 1993 Erster Release; für Acorn Archimedes
1 September 1998 Erste Version für Windows, Namenszusatz 7 entfällt
1.2 März 1999 Kompatibilität zu Mac OS
2 2001
3 2003 Kontakt-Player-Integration, Audio-Export, CD-Brennfunktion
4 Juli 2005 Neue Benutzeroberfläche, dynamischer Einzelstimmenauszug (Parts), synchronisierter Videoimport für das Komponieren von Filmmusik,
5 Juni 2007 Rollenansicht (Panorama View), VST-Unterstützung, Sample-Bibliothek (Sibelius Sound Essentials)
6 Mai 2009 Automatische Kollisionserkennung (Magnetic Layout), Revisionskontrolle (Versions), Klaviatur- und Griffbrett-Fenster, Live Tempo, ReWire-Unterstützung
7 Juli 2011 Neue GUI mit Menüband, native 64-bit Unterstützung, neue 38 GB große Sound-Bibliothek, erweiterte Text- und Typografie-Möglichkeiten, Vektor-Grafik-Export, MusicXML-Export[20]
7.5 Jan 2014 Neue Sharing-Funktionen, Timeline-Ansicht-Fenster, neue Sprachversionen, Realistischere musikalische Phrasierungen beim Abspielen
8 Juni 2015 Unterstützung von Touchscreens und Digitizer, Skalierung für Bildschirme mit hoher Auflösung, Anmerkungen, Abo-Lizenzmodell, Wegfall der 32-Bit-Unterstützung
2022.7 dynamische Gitarren-Staves und -Staffs, neue Instrumente[21]

Literatur Bearbeiten

  • Frank Heckel/Wolfgang Wierzyk: Sibelius Praxisbuch: Praxisbuch für den professionellen Notensatz. Wizoobooks, Bremen 2008, ISBN 978-3-934903-63-0.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Sam Butler: Note Spacing Improvements in Sibelius 2018.6. In: avidblogs.com. Abgerufen am 29. November 2018 (englisch).
  2. Sibelius Operating System Compatibility Chart. In: avid.force.com. Abgerufen am 4. Dezember 2016 (englisch).
  3. Vorschauseite von Avid Scorch bei itunes.apple.com, abgerufen am 4. Dezember 2016.
  4. Make Music: Dolet / Plug-In für Sibelius. 2012, abgerufen am 9. August 2014.
  5. Daniel Spreadbury: Introducing the new Sibelius First. Sibelius Blog, 26. Mai 2012, abgerufen am 6. Mai 2012 (englisch): „The new Sibelius First replaces the existing versions of both Sibelius First and Sibelius Student“
  6. Avid: Sibelius Scorch. 2012, abgerufen am 6. Mai 2012.
  7. Avid: Avid Scorch. 2012, abgerufen am 6. Mai 2012.
  8. Avid Divests Consumer Businesses and Streamlines Operations. Focuses on Media Enterprises and Professionals. BusinessWire, 2. Juli 2012, abgerufen am 16. Juli 2012 (englisch): „Avid has agreed to sell its consumer audio and video product lines.“
  9. Robert Puff: Sibelius UK Office Closes. Avid Selling Consumer Businesses. Of Note..., 7. Juli 2012, abgerufen am 16. Juli 2012 (englisch): „The Sibelius headquarters in the UK will be closed.“
  10. Senior C++ GUI Developer for AVID project. GlobalLogic, Inc., 16. August 2012, abgerufen am 17. September 2012 (englisch): „Avid in partnership with GlobalLogic is running a Product Engineering Lab in Ukraine. (...) We are looking for an exceptionally talented musically minded software developer to join the engineering team working on the world’s leading notation software, Sibelius.“
  11. Pro Tools Expert: Bobby Lombardi Heads up new Sibelius Team. Abgerufen am 23. April 2014.
  12. Arts Journal: Does Sibelius have a future? Avid says, for sure… (Memento vom 1. Mai 2014 im Internet Archive) (englisch).
  13. Save Sibelius: Facebook-Seite der Initiative, abgerufen am 23. April 2014.
  14. Save Sibelius. Homepage der Initiative, abgerufen am 23. April 2014.
  15. Music Radar: Sibelius team working on new Steinberg notation application. abgerufen am 23. April 2014.
  16. Steinberg – Making Notes Blog: The first five months, abgerufen am 23. April 2014.
  17. steinberg.net: Was ist Dorico?
  18. Avid: Shaping the Future of Music Notation and Learning Avid Blogs Sibelius (Memento vom 24. April 2014 im Internet Archive), abgerufen am 23. April 2014.
  19. Philip Rothman: Avid’s Michael Ost speaks about Sibelius’s past, present, and future, Sibelius Blog, 16. Dezember 2013
  20. Daniel Spreadbury: Projekte von Daniel Spreadbury. LinkedIn, abgerufen am 6. August 2012 (englisch, Projektdoku des ehemaligen Produktmanagers).
  21. https://www.avid.com/de/resource-center/whats-new-in-sibelius-july-2022