Sandbagger [ˈsænd bægger] ist eine angloamerikanische Bezeichnung für einen Segelboot­styp, der Mitte des 19. Jahrhunderts an der US-amerikanischen Ostküste aus kleinen Arbeitsbooten entstand. Die Bezeichnung stammt von den Sandsäcken (sandbags), die als beweglicher Ballast benutzt wurden. Genutzt wurden die Sandbagger auch bei Rennen, schon bevor sie nur zu diesem Zweck gebaut wurden.

Der Sandbagger Orient vor Owl's Head, Brooklyn (1885). Gut erkennbar ist die Anordnung des Cockpits. Gemälde von William Gay Yorke
Sandbagger „Bull“ in Chesapeake Bay.
Sandbagger „Annie“ in Mystic Seaport.

Entwicklung Bearbeiten

Im 19. Jahrhundert wurden in der New York Bay Austern mit halboffenen Segelbooten gefischt. Die New York Sloop hatte ein einfach zu handhabendes Gaffelrigg mit einem Mast, einen geringen Rumpftiefgang und ein Schwert,[1] um in den flachen Gewässern der Muschelbänke fischen zu können. Den fehlenden Ballast glichen einerseits die Formstabilität, andererseits die Crew und, falls vorhanden, die Ladung aus. Für größere Yachten war eine vergleichbare Bauart unpraktisch, sofern die Boote nicht stark bemannt waren. Bei kleineren Booten, wie den Sandbaggern, konnte die Masse, die ein einzelner Mann oder wenige Männer bewegen konnten, einen deutlichen Unterschied im Trimm ausmachen. Die Vorläufer der späteren Rennboote wurden neben der Arbeit auch als Ausflugsboote und für Wettrennen oder Regatten genutzt. Letzteres führte zu immer mehr auf Schnelligkeit ausgelegten Konstruktionen. Die Blütezeit der historischen Sandbagger lag zwischen 1860 und 1890.[2][3]

Sandbagger waren im späten 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten von Amerika verbreitete Rennboote.[3] Ein Exemplar mit durchgehender Geschichte, die 1880 gebaute Annie, ist im Besitz des Mystic Seaport Museums.[4] Einzelne Sandbagger wurden auch noch nach der Blütezeit des Typs gebaut.[5][6] Dem Sandbagger vergleichbare Boote gab es in so unterschiedlichen Revieren wie an beinahe der gesamten Atlantikküste, der San Francisca Bay und dem Golf von Mexico. Als Freizeitboote verbreiteten sie sich von Küste zu Küste.

Merkmale Bearbeiten

 
Risszeichnung eines Sandbaggers von 1884

Die Boote hatten eine Länge von 18 bis 28 Fuß, das entspricht etwa einem Bereich von 5,5 bis 8,5 Metern. Sie waren im Vergleich zur Länge breit, halb gedeckt, mit einem offenen Cockpit, einem flachen Rumpf und Unterwasserschiff, angehängtem Ruder und ausladendem Spant, der ihnen einerseits Formstabilität gab, andererseits erlaubte, das Gewicht von Ballast und Mannschaft weit nach außen zu verlagern.

Vor- und Achtersteven waren meist senkrecht und ohne Überhang. Die Takelung war entweder die einer Slup– oder eine Cat-Takelung. Zwei Mastschuhe erlaubten es, das Rigg zu wechseln. Ein Sandbagger wie die Susie S. von 27 Fuß Länge (8,23 Meter) hatte einen Spantenabstand von einem Fuß, etwa 30 cm, Planken von etwa einem 3/4 Zoll (1,9 cm) Stärke. Bug- und Hecksteven maßen etwa drei Zoll (7,5 cm), der Mast am Fuß zehn, im Topp fünf Zoll (25 und 12,5 cm). 25 bis 28 Säcke von jeweils 45 Pfund (etwa 20 Kilo) bildeten den Ballast. Bei Rennen hatten die größeren Sandbagger bis zu 17 Mann Besatzung. Die meisten davon kümmerten sich um den Ballast.[2] Bugspriet und Großbaum konnten die Gesamtlänge des Bootes mehr als verdoppeln. Die Annie misst einschließlich dieser Spieren bei einer Rumpflänge von 8,8 Metern etwa 24 Meter Länge über alles.[7]

Bekannte Exemplare Bearbeiten

Einige Exemplare von einer unbekannten Zahl von jemals gebauten Sandbaggertypen haben besondere Bekanntheit in Literatur, Museen, im Regattasport oder in der Marinegeschichte erlangt. Nachfolgend eine Übersicht von Sandbaggern mit besonderem Bekanntheitsgrad:

Verwandte Bauarten Bearbeiten

Ähnlich dem Sandbagger war das Catboot, ein vergleichsweise noch breiteres Boot, ebenfalls mit hoher Formstabilität und Schwert, aber einfacherem Rigg und weniger Segelfläche im Verhältnis zur Größe, das sich von der Narragansett Bay aus um Cape Cod herum ausbreitete.[1]

Eine weitere, weniger bekannte Bauart, sind die französischen Houari der Region von Marseille. Diese von Sandbaggern beeinflusste Bauart wurde um 1860 in Marseille bekannt. Am Fischmarkt von Marseille war es üblich, dass die ersten Anlandungen von frischen Fischen die besten Marktpreise erzielten, was immer schnellere Fischereiboote entstehen ließ. Französische Kapitäne begannen um 1860 Boote zu bauen, deren Bauart von den amerikanischen Sandbaggern abgeleitet war. Diese Boote wurden in der Folge als Houari bekannt und dann hauptsächlich für den Segelrennsport gebaut. In den 2010er-Jahren fand ein Boot dieser Art erneut Interesse im Segelsport. Der französische Bootsbauhistoriker Daniel Charles ließ eine Replika des Boots Alcyon von 1871 nach alten Plänen bauen. Es wurde 2013 fertiggestellt und von dem französischen Bootsbauexperten Patrick Moreau im klassischen Stil geriggt. Das Boot gilt als einziges existierendes Exemplar der klassischen Bauart Houari.[11]

Literatur Bearbeiten

  • Howard I. Chapelle: The History Of American Sailingships. Bonanza Books, New York 1985, ISBN 0-517-02332-6.
  • Gregory O. Jones: The American Sailboat. MBI Publishining, St. Paul 2002, ISBN 0-7603-1002-5.
  • John Kimball: Physics of Sailing. CRC Press, Boca Raton 2010, ISBN 1-4200-7376-1.
  • Ian Hugh Smith: The open boat the origin, evolution and construction of the Australian 18-footer. Sydney Wooden Boat School, Sydney 2017, ISBN 0-646-96647-2.
  • Motor Boating (= Yachtmen’s Magazine). International Magazine Company, New York Oktober 1939, OCLC 807286594.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Sandbagger sloops – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Gregory O. Jones: The American Sailboat. S. 25–26 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  2. a b Howard I. Chapelle: The History Of American Sailingships. Bonanza Books, New York, ISBN 0-517-02332-6, Chapter 7: Sailing Yachts, S. 317 ff. (englisch, Erstausgabe: W. W. Norton & Company, Inc., New York 1935).
  3. a b c d e f g William P. Stephens: Tradition and Memories of American Yachting Sandbags to Windwards (Part 5). In: Motor Boating (= Yachtmen’s Magazine). Oktober 1939, S. 112–114 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  4. Annie auf der Seite des Mystic Seaport (englisch), abgerufen am 22. November 2021
  5. Ash Breeze, 2006, Vol. 27, No. 4, PDF-Datei 4,0 MB (Memento vom 27. Juli 2011 im Internet Archive)
  6. Tattler II von VanDam in Michigan (englisch), abgerufen am 22. November 2021
  7. John Kimball: Physics of Sailing. S. 94 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  8. William P. Stephens: Tradition and Memories of American Yachting. Sandbags to Windwards (Part 5). In: Motor Boating (= Yachtmen’s Magazine). Oktober 1939, S. 34–36 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Philip Thorneycroft Teuscher: A sandbagger for all seasons. In: National Maritime Historical Society & Sea History Magazine (Hrsg.): Sea History. 36. Auflage. 1985, S. 8–9 (Sea History).
  10. Gemälde von William Gay Yorke
  11. Dan Houston: The houari of Marseille. In: Classic Boat. Februar 2014, S. 7–12 (Classic Boat).