Rosso (Mauretanien)

Stadt im Süden Mauretaniens

Rosso, arabisch روصو, DMG Rūṣū, oder القوارب, DMG al-Quwārib, ist die Hauptstadt der Verwaltungsregion Trarza am Unterlauf des Senegalflusses im Südwesten Mauretaniens. Die Fähre Rosso an der einzigen durchgehend asphaltierten Straße, die Mauretanien mit dem südlichen Nachbarland Senegal verbindet, macht Rosso zur wichtigsten Handelsstadt im Landesinnern.

Rosso
روصو

Ankunft der Fähre
Staat: Mauretanien Mauretanien
Region: Trarza
Departement: Rosso
Koordinaten: 16° 31′ N, 15° 48′ WKoordinaten: 16° 31′ N, 15° 48′ W
Höhe: 6 Meter ü.d.M.
 
Einwohner: 48.922 (2002)
Zeitzone: GMT (UTC±0)
Rosso (Mauretanien)
Rosso (Mauretanien)
Rosso

Südlich des 17. Breitengrades hat Mauretanien einen schmalen Anteil an der Sudanzone. In der mehrere Kilometer breiten Überschwemmungsebene (Chemama) mit fruchtbaren alluvialen Böden entlang des Senegalflusses wird überwiegend Reis angebaut, daneben gedeihen Hirse und auf kleinen Feldern Gemüse (Mais, Bohnen, Süßkartoffel, Erdnüsse). Nach der von Juni bis September dauernden Regenzeit sind viele Felder durch Regenfälle überschwemmt, während des übrigen Jahres werden sie über Kanäle aus dem Senegal bewässert. Wenige Kilometer nördlich wird die mit charakteristischen einzelnen Akazien bestandene Trockensavanne von Sanddünen abgelöst.

Rosso liegt 203 Kilometer südlich der Landeshauptstadt Nouakchott und etwa 100 Kilometer vom senegalesischen Saint-Louis entfernt. Der Landeplatz der Fähre am gegenüberliegenden Flussufer ist die Stadt Rosso-Sénégal. Die Straße flussaufwärts nach Osten bis zum gut 200 Kilometer entfernten Bogué wurde von einer chinesischen Firma asphaltiert. Lediglich ein etwa 30 Kilometer langes Teilstück bei Rosso befindet sich noch im Pistenzustand (Stand: Oktober 2010). Nach Westen führt eine schlechte Piste streckenweise zwischen Reisfeldern bis zum 60 Kilometer flussabwärts gelegenen kleinen Ort Keur Massène, wo es einen Grenzübergang nach Diamma gibt.

Geschichte

Bearbeiten

Der Hafenort ist ein historisches Handelszentrum für Waren aus dem Senegal. Die französische Kolonialherrschaft über Westafrika reichte um 1900 bis zum Senegalfluss als nördlicher Grenze. Vom französischen Kolonialbeamten Xavier Coppolani stammt der Plan einer friedlichen Durchdringung Mauretaniens. Bis 1904 waren französische Truppen im Süden Mauretaniens präsent.

Nach der Unabhängigkeit Mauretaniens 1960 gab es in dem neuen Staat nur ein Dutzend Kleinstädte mit Einwohnerzahlen von wenigen Tausend. 1963 wurden für Rosso 5100 Einwohner geschätzt.[1] 1988 ergab eine Volkszählung 27.783 Einwohner, im Jahr 2000 waren es 48.922 Einwohner.[2] Nach einer Berechnung soll die Zahl 2010 auf 75.195 Einwohner angewachsen sein. Damit wurde Rosso noch vor Kaédi zur viertgrößten Stadt.[3]

1986 wurde an der Atlantikküste in Nouakchott ein von Chinesen gebauter Tiefwasserhafen eröffnet. Zuvor musste der gesamte Süden Mauretaniens über senegalesische Häfen und weiter auf dem Landweg über Rosso mit Waren versorgt werden. Mit dem neuen Hafen können nun 35 bis 40 Prozent der Einfuhren, die bisher über Dakar abgewickelt wurden, die Hauptstadt direkt erreichen und Rosso hat entsprechend an Bedeutung verloren.[4]

Rosso wird in der überwiegenden Mehrheit von Schwarzafrikanern bewohnt, die in Mauretanien als Soudans bezeichnet werden. Viele stammen aus dem Senegal und gehören zu den Wolof. Ein Rassenkonflikt zwischen der arabisch-berberisch dominierten Regierung (der Bidhan-Gesellschaftsschicht) und einer schwarzen Aufstandsbewegung (Forces de Libération Africaine de Mauritanie, FLAM) führte im April 1989 zur Senegal-Mauretanien-Krise,[5] die für Rosso bis 1992 die Schließung der Grenze bedeutete. Senegal bot in dieser Zeit mauretanischen Oppositionellen Gastrecht. 10.000 politisch Missliebige beider Länder wurden vertrieben und mit Flugzeugen gegeneinander ausgetauscht. Die Spannungen in der Südregion hatten zum großen Teil einen wirtschaftlichen Ursprung und fanden zwischen Ackerbauern und Viehzüchtern statt. Großbewässerungsprojekte dehnten das Ackerland am Senegalufer aus, zugleich flüchten Viehzüchter aus dem Norden während Dürreperioden in die Nähe des Flusses.[6] Zu weiteren Spannungen mit dem Nachbarland, von denen die Stadt betroffen war, kam es im Juni 2000.

Eine 2009 eröffnete technische Fachschule (Institut Supérieur d' Enseignement Technologiques, ISET)[7] bietet einen landwirtschaftlichen Ausbildungsgang.

Stadtbild

Bearbeiten
 
Hauptstraße im Geschäftszentrum. Ein Monat nach Ende der Regenzeit im Oktober

Hafenanlage und Zollgebäude befinden sich am südwestlichen Rand der Innenstadt. Gegenüber liegt eine große Militärkaserne, hinter welcher entlang der Piste nach Keur Massene bald Reisfelder beginnen. Die asphaltierte Straße nach Nouakchott führt vom Hafen an einigen Industriebetrieben vorbei geradewegs nach Norden. Am Ortsausgang ist die Anlage von SONIMEX, der halbstaatlichen Handelsgesellschaft für landwirtschaftliche Produkte, nicht zu übersehen. Die ersten drei Parallelstraßen zum Senegalufer nach Osten bilden zusammen mit Querverbindungen das rechteckige Straßennetz des Marktzentrums. Östlich des Zentrums folgt ein weiteres, großräumiges Militärareal (Kommandantur), bevor ein einfaches Wohn- und Slumgebiet sich etwa einen Kilometer nach Osten und vom Fluss einen Kilometer nach Norden erstreckt, in dem die in jüngster Zeit in die Stadt gezogene schwarzafrikanische Bevölkerung untergekommen ist.

In Rosso steht die älteste und möglicherweise größte erhaltene Kirche des Landes. Der römisch-katholische Pastor Bernard Pelletier (Stand: Mai 2010)[8] betreut die Handvoll in der Stadt lebenden Franzosen.

Anfang der 1980er Jahre baute die ökologisch orientierte Architektengruppe Association pour le Développement d'une Architecture et d'un Urbanisme Africains (A.D.A.U.A.) in Satara, einem regelmäßig von der jährlichen Überschwemmung betroffenen Slumgebiet nördlich des Geschäftszentrums, eine für 12.000 Einwohner geplante Wohnsiedlung, deren Häuser mit den für die Organisation typischen Kuppeldächern aus gebrannten Ziegeln überdeckt sind. Bauzeit und Kosten lagen höher als bei den üblichen informell gebauten Ziegelhäusern mit Wellblechdächern. Ähnliche Entwürfe wurden beim Hôpital de Kaédi und bei Wohnsiedlungen in anderen Städten Mauretaniens realisiert.[9]

 
Schnell wachsendes Wohngebiet im Osten

Keine Straße in der Stadt ist asphaltiert. Es gibt keine Kanalisation bis auf wenige kurze, aus Betonrinnen bestehende Teilstücke an den Straßenrändern, die aber noch nicht funktionell miteinander verbunden sind. Rosso liegt im regenreichsten Gebiet Mauretaniens. Praktisch jedes Jahr werden zum Ende der Regenzeit im September Überschwemmungen durch heftige Regenfälle gemeldet.[10] Große Teile der Wohngebiete und die Hauptstraßen der Stadt sind dann über Monate überschwemmt und verschlammt und viele Bewohner, meist sind es Tausende, müssen in provisorische Unterkünfte außerhalb flüchten.

Ein weiteres Problem ist die fehlende Müllentsorgung, wodurch es zu Müllablagerungen über weite Teile der Stadt kommt. Der Umgang mit tierischen Abfällen ist sorglos. Ein einstmals modern eingerichtetes Schlachtgebäude aus französischer Zeit ist verwahrlost, während die Schlachtung von Rindern täglich morgens an einer anderen Stelle im Freien stattfindet. Abgesehen von den Kasernengebäuden werden Bausubstanz und Infrastruktur vernachlässigt. Die Trinkwasserversorgung geschieht in den einfachen Wohngebieten meist mit Eselkarren von zentralen Verteilstellen.

Söhne und Töchter der Stadt

Bearbeiten

Der Fußballklub ASC Gueumeul ist in Rosso beheimatet.

Bearbeiten
Commons: Rosso – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Rosso – Reiseführer

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Walter Reichhold: Islamische Republik Mauretanien. Kurt Schröder, Bonn 1964, S. 18
  2. Anthony G. Pazzanita: Historical Dictionary of Mauritania. The Scarecrow Press, Lanham (Maryland), Toronto, Plymouth, 3. Aufl. 2008, S. 440
  3. Mauritanie: Les villes les plus grandes avec des statistiques de la population. World Gazetteer (Memento des Originals vom 14. Januar 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.gazetteer.de
  4. Nouakchott's Friendship Port built by China. In: Mauritania – A Country Study. US Country Studies, Juni 1988
  5. Case N° 1: Senegal-Mauritania-conflict: Drought cycle and evolution of pastoralist dynamics. (PDF; 496 kB) OECD
  6. Regina Wegemund: Die Außenpolitik Mauretaniens unter besonderer Berücksichtigung der Beziehungen zum Senegal. In: Ursel Clausen (Hrsg.): Mauretanien. Eine Einführung. Deutsches Orient-Institut, Hamburg 1994, S. 97f
  7. Institut Supérieur d' Enseignement Technologiques de Rosso. (Memento des Originals vom 30. Juni 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.iset.mr (ISET)
  8. Rosso, Mauritanie: un prêtre sans paroissiens. blog.lefigaro, 14. Mai 2010
  9. Satara Zone Housing. (Memento vom 19. Juni 2010 im Internet Archive) Association pour le Développement d'une Architecture et d'un Urbanisme Africains (A.D.A.U.A.), 1983, S. 151–154. Als PDF bei ArchNet
  10. ACT Alert: Floods in Mauritania. AlertNet, 28. September 2009