Ricardo-Urteil (Rechtsgeschäftslehre)

Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Das Ricardo-Urteil ist eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs vom 7. November 2001 (BGHZ 149, 129 ff.; Az: VIII ZR 13/01) zum Zustandekommen von Verträgen im Internet, insbesondere bei Internet-Auktionen.

QS-Recht
Beteilige dich an der Diskussion!

Dieser Artikel wurde wegen formaler oder sachlicher Mängel in der Qualitätssicherung Recht der Redaktion Recht zur Verbesserung eingetragen. Dies geschieht, um die Qualität von Artikeln aus dem Themengebiet Recht auf ein akzeptables Niveau zu bringen. Hilf mit, die inhaltlichen Mängel dieses Artikels zu beseitigen, und beteilige dich an der Diskussion! (+)
Begründung: Kopie des Urteilstextes. Bitte Gesichtspunkte der angegebenen Literatur einarbeiten. --Mit lieben Grüßen Kriddl Bitte schreib mir etwas. 11:50, 2. Jan. 2020 (CET)

Sachverhalt Bearbeiten

Die Parteien streiten darüber, ob sie im Juli 1999 bei einer Internet-Auktion einen wirksamen Kaufvertrag über einen Pkw geschlossen haben.

Laut Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von ricardo.de finden § 156 BGB, § 34b GewO und die Verordnung über gewerbsmäßige Versteigerungen keine Anwendung (Präambel, Abs. 3 der AGB). Ein Gebot stelle ein verbindliches Kaufangebot dar (§ 4 Abs. 1), wobei sie einen eventuell angegebenen Mindestpreis erreichen müssen (§ 4 Abs. 4). Der Anbietende erklärt sich automatisch mit dem höchsten gültigen Gebot einverstanden (Annahme), soweit der Mindestpreis erreicht wurde (§ 5 Abs. 4).

Der Beklagte, nebenberuflicher EU-Reimporteur für Kraftfahrzeuge, bot einen neuen VW-Passat zum Startpreis von 10 DM (5,11 Euro) an. Dabei setzte er keinen Mindestkaufpreis. Nach fünf Tagen endete die Auktion mit einem Höchstgebot von 26.350 DM (13.472,54 Euro). Der Höchstbietende verlangte die Abwicklung, der Anbietende lehnte mit der Begründung ab, es sei noch kein Vertrag zustande gekommen; er war jedoch zu einem Verkauf des Fahrzeugs zum Preis von „ca. 39.000 DM“ (19.940,38 Euro) bereit. Vorsorglich focht er seine etwaige Willenserklärung wegen eines Versehens bei der Eingabe des Startpreises an.

Leitsätze Bearbeiten

  1. AGB im Rahmen von Internetauktionen anzunehmen, wonach das höchste Gebot im Vorhinein angenommen wird, stellen bindende Willenserklärungen (im Gegensatz zur invitatio ad offerendum) dar. Unabhängig von der Auslegung unter Rückgriff auf AGB des Auktionshauses wird die Erklärung mit Zugang wirksam.
  2. Weder derartige Erklärungen noch entsprechende Klauseln in den AGB des Auktionshauses unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG (heute: § 305–§ 310 BGB).
  3. Weder Verkäufer noch Käufer sind grundsätzlich „Verwender“ im Sinne von § 1 AGBG. Ob nicht doch die Inhaltskontrolle nach §§ 9 ff. AGBG eingreift, bleibt offen.
  4. Der im Rahmen der Auktion geschlossene Vertrag wird nicht durch einen Verstoß gegen § 34 GewO bzw. der VerstV nichtig.
  5. Internetauktionen sind kein Glücksspiel im Sinne des § 762 BGB.

Entscheidungsgründe Bearbeiten

I. Das Berufungsgericht, das Oberlandesgericht Hamm, hat im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei ein Kaufvertrag wirksam zustande gekommen. Die Freischaltung der Angebotsseite durch den Beklagten stelle bereits ein rechtsverbindliches Verkaufsangebot […] dar, das der Kläger durch sein Höchstgebot angenommen habe. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen […] bildeten die Auslegungsgrundlage dafür, wie die Parteien […] die jeweilig abgegebenen Erklärungen […] verstehen durften. Soweit die vom Beklagten mit der Freischaltung abgegebene Erklärung […] als Annahme bezeichnet werde, liege darin eine rechtlich unschädliche Falschbezeichnung; tatsächlich erfülle diese Erklärung bereits alle Anforderungen an ein rechtsverbindliches Angebot und sei nicht lediglich eine „invitatio ad offerendum“. Selbst wenn die mit der Freischaltung der Angebotsseite verbundene Erklärung des Beklagten nicht als Antrag im Sinne des § 145 BGB anzusehen wäre, stellte sie jedenfalls eine antizipierte Annahmeerklärung hinsichtlich des durch den letzten Bieter […] wirksam abgegebenen Angebots dar.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer AGB-Kontrolle bestünden gegen die Wirksamkeit der Willenserklärung des Beklagten keine Bedenken. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen […] entfalteten über ihre Bedeutung für die Auslegung der Parteierklärungen hinaus keine rechtliche Wirkung […], so dass es auf ihre Wirksamkeit nicht ankomme. […]

Die vom Beklagten erklärte Anfechtung seiner Willenserklärung greife nicht durch. Der geltend gemachte Erklärungsirrtum habe, wie der Beklagte im Rahmen seiner persönlichen Anhörung eingeräumt habe, nicht vorgelegen; im übrige fehle es auch an der Ursächlichkeit des Irrtums für die Abgabe der Willenserklärung und an der Unverzüglichkeit der Anfechtungserklärung.

[…]

Die Verbindlichkeit sei auch klagbar. Bei der Internet-Auktion handele es sich nicht um ein Glücksspiel im Sinne des § 762 BGB.

II. Die Revision hat keinen Erfolg. Die Parteien haben einen wirksamen Kaufvertrag über den […] angebotenen Pkw geschlossen.

Literatur Bearbeiten

  • Hartung/Hartmann: MMR 2001, 278–286
  • Lettl: JuS 2002, 219 ff.

Weblinks Bearbeiten