Unter Reformkatholizismus versteht man verschiedene Strömungen des Katholizismus, die die römisch-katholische Kirche reformieren wollten, jedoch immer in Abgrenzung zu reformatorischen und revolutionären Bestrebungen. Im Mittelpunkt stand jeweils die Herausführung des Katholizismus aus einem kulturellen Ghetto, sei es infolge eines Kulturkampfes zwischen Kirche und Staat oder infolge einer Kirchenspaltung. Dies impliziert starke ökumenische Tendenzen, birgt aber auch die Gefahr einer Manipulation durch politische Gruppierungen und Bewegungen.

Im Speziellen versteht man darunter in der katholischen Theologie die reformkatholische Bewegung um Herman Schell, Franz Xaver Kraus, Albert Ehrhard und Josef Müller (1855–1942). Diese Strömung wurde im Zeitalter des Antimodernismus in der römisch-katholischen Kirche von Vertretern eines integralistischen Katholizismus als modernistisch ausgegrenzt, einzelne Werke von Herman Schell kamen auf den Index Librorum Prohibitorum. Erst im Umfeld des II. Vatikanischen Konzils wurde das Werk dieser Autoren und ihrer Nachfolger (unter anderem Wilhelm Koch, Joseph Wittig, Philipp Funk, Joseph Bernhart) weitgehend rehabilitiert.

Als reformkatholische Zeitschrift galt zunächst die von Carl Muth herausgegebene Zeitschrift Hochland, insbesondere jedoch seit 1901 die Zeitschrift Renaissance, herausgegeben von Josef Müller, sowie die Freien Deutschen Blätter: Wochenschrift für Politik, Wissenschaft und Kunst, in Augsburg seit 1901 herausgegeben von Johannes Bumüller, später von Franz Klasen, und schließlich von Philipp Funk. Von 1909 bis 1914 erschien die Zeitschrift unter dem Titel Das Neue Jahrhundert mit dem Untertitel Zeitschrift der deutschen Modernisten.[1]

Der französische Reformkatholizismus wird durch die Zeitschriften Correspondant, Quinzaine, Demain sowie durch die Bewegung Le Sillon von Marc Sangnier repräsentiert.

In Italien gilt der Kreis um die 1907 begründete Zeitschrift Il Rinnovamento sowie die Zeitschriften La Cultura sociale und Rivista di Cultura als reformkatholisch. Inspirationen gingen dort von Bischof Geremia Bonomelli von Cremona und von Romolo Murri aus.

Literatur

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  • Josef Müller: Der Reformkatholizismus, die Religion der Zukunft für die Gebildeten aller Bekenntnisse, 1899
  • Josef Müller: Reformkatholizismus im Mittelalter und zur Zeit der Glaubensspaltung, 1901
  • Hermann Scholz: Was haben wir vom Reformkatholizismus zu erwarten?, 1903
  • Römischer Hochmut auch im Reformkatholizismus. Kritische Bemerkungen über Erhard, Der Katholizismus und das zwanzigste Jahrhundert im Lichte der kirchlichen Entwicklung der Neuzeit. Braun, Leipzig 1903.
  • Wilhelm Braun: Kardinal Gasparo Contarini oder der „Reformkatholizismus“ unserer Tage im Lichte der Geschichte, 1903
  • Johann Schraml: Sturzwellen, die Grundwelle und Oberwellen des Reformkatholizismus, 1905
  • Franz Xaver Heiner: Konfessioneller Geisteskampf und Reformkatholizismus auf Grund des Preisausschreibens „Ein Wort zum konfessionellen Frieden“ (Preuß. Jahrbücher 1905, Maiheft, Bd. 120,2), 1906
  • Emil Jung: Radikaler Reform-Katholizismus. Grundlagen einer deutsch-katholischen Kirche, 1906; 1934/35
  • Joseph Moog: Altkatholizismus und Reformkatholizismus. Fünf Schriftstücke zur kirchlichen Zeitgeschichte. Hrsg. vom altkatholischen Press- und Schriften-Verein. Bonn 1908 (darin eine Stellungnahme der Krausgesellschaft zu einer Erklärung des 7. Internationalen Altkatholikenkongresses in Den Haag 1907)
  • Johannes O. Andersen: Der Reformkatholizismus und die dänische Reformation, 1934
  • Reform-Katholizismus? Eine Antwort auf das Buch: Der Katholizismus. Sein Stirb und Werde. Sonderdruck der Zeitschrift Theologie und Glaube (Jg. 1938, Heft 2) unter Mitwirkung von Bernhard Bartmann, Karl Pieper, Paul Simon u. a.
  • Hans Jentsch: Vom Sinn des Dogmas. Reformkatholische Dogmenkritik und kirchliche Dogmensinngebung, 1944
  • August Hagen: Der Reformkatholizismus in der Diözese Rottenburg, 1902–1920, 1962
  • Eduard Winter: Der Josefinismus die Geschichte des österreichischen Reformkatholizismus; 1740–1848, 1962
  • Oskar Schroeder: Aufbruch und Mißverständnis zur Geschichte der reformkatholischen Bewegung, 1969
  • Johann Karl Graf Herberstein, Peter Hersche: Der aufgeklärte Reformkatholizismus in Österreich, 1976
  • Georg Schwaiger: Aufbruch ins 20. Jahrhundert. Zum Streit um Reformkatholizismus und Modernismus, 1976
  • Walter Ferber: Deutsche Reformkatholiken, Zürich 1980
  • Christiane Pleuger: Der humanistische Reformkatholizismus am Beispiel der Auseinandersetzung zwischen Martin Luther und Georg Witzel, 1980
  • Thomas Nipperdey: Religion im Umbruch. Deutschland 1870–1918, München 1988. (hervorragend für ersten Einstieg ins Thema)
  • Andreas Holzem: Kirchenreform und Sektenstiftung. Deutschkatholiken, Reformkatholiken und Ultramontane am Oberrhein (1844–1866), 1994
  • Michael Pammer: Glaubensabfall und Wahre Andacht. Barockreligiosität, Reformkatholizismus und Laizismus in Oberösterreich 1700–1820, 1994
  • Manfred Weitlauff: Reformkatholizismus. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 8. Herder, Freiburg im Breisgau 1999, Sp. 957 ff.
  • Jörg Haustein: Liberal-katholische Publizistik im späten Kaiserreich: „Das Neue Jahrhundert“ und die Kraus-Gesellschaft. Göttingen 2001
  • Claus Arnold: Art. Reformkatholizismus. In: Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Aufl., Bd. 7, 2004, S. 189–191

Anmerkungen

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  1. Otto Weiß: Aufklärung – Modernismus – Postmoderne: Das Ringen der Theologie um eine zeitgemäße Glaubensverantwortung. Pustet, Regensburg 2017, S. 116
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