Philipp Lotmar

deutscher Rechtswissenschaftler und Pandektist

Philipp Lotmar (* 8. September 1850 in Frankfurt am Main; † 29. Mai 1922 in Bern) war ein deutscher Jurist, Römischrechtler und Begründer des modernen Arbeitsrechts.

Philipp Lotmar

Leben und Schaffen Bearbeiten

Philipp Lotmar war von 1888 bis zu seinem Tod am 29. Mai 1922 Professor für Römisches Recht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern. In diesen 34 Jahren an der Universität Bern war er viermal Dekan (Dekan war er bereits kurz nach seiner Berufung in den Jahren 1889/1890 und später in den Jahren 1899/1900, 1905/1906, 1912/1913) und einmal Rektor (mit 47 Jahren war er Rektor von 1897 bis 1898). Lotmar doktorierte 1875 „Über causa im römischen Recht“ an der Universität München bei einem der größten Pandektisten, Alois von Brinz (1820–1887). 1876 habilitierte er über die legis actio sacramenti in rem an der Universität München. Seine erfolgreichste Leistung liegt aber nicht im Römischen Recht, sondern im Arbeitsrecht und ist die Monografie in zwei Bänden „Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches“ von 1902 und 1908, die von Max Weber als „vollzügliche Leistung“ gelobt wurden.[1] Wegen seines Wirkens im Arbeitsrecht wurde er am 21. März 1921 als Ehrendoktor an der juristischen Fakultät Köln gewürdigt und gilt als einer der Gründerväter des modernen arbeitsrechtlichen Faches in Europa.

Lotmar leistete auch zur Stadt Bern einen wichtigen Beitrag. Er fühlte sich den Bernern politisch sehr nah: „Ich will dir heute nicht mit Zeugnissen belegen (…), dass mir allenthalben das Lob meines Vorgängers (Julius Baron) entgegentönt, dessen Popularität ich meiner Natur nach nie erlangen kann, obwohl ich doch meiner politischen Gesinnung nach meinen neuen Landsleuten viel näher bin als er“. Lotmar nahm zum Beispiel als einziger Universitätsprofessor an der Spitze der Umzüge zum 1. Mai mit einem roten Band teil. Bedeutsam ist auch, dass er den Maler Paul Klee, einen Schulfreund seines Sohnes Fritz, durch die begeisterte Parteinahme für die russische Revolution von 1905 beeindruckte.[2] Lotmar soll weiter der Urheber der Worte „Curia Confoederationis Helveticae“ sein, die sich in goldenen Lettern auf der Vorderseite des Bundeshauses befinden.

Lotmar verstarb, ehe er sein letztes Werk „Das römische Recht vom error“, welches er selbst für seine romanistische Hauptleistung hielt, vollenden und publizieren konnte. An dieser Monographie hatte er mehrere Jahre gearbeitet und 2000 Seiten handschriftlich verfasst. Das Werk ist 2019 posthum, von I. Fargnoli herausgegeben, erschienen.[3]

Veröffentlichungen Bearbeiten

Unter seinen zahlreichen Veröffentlichungen sind sicherlich folgende Beiträge zu erwähnen:

  • Über causa im römischen Recht. Beitrag zur Lehre von den Rechtsgeschäften. München 1875.
  • Zur legis actio sacramento in rem. München 1876.
  • Kritische Studien in Sachen der Contravindication. München 1878.
  • Vom Rechte, das mit uns geboren ist. Die Gerechtigkeit. Zwei Vorträge (gehalten in Bern 1891), Bern 1893 (I, S. 7–46, II, S. 49–95).
  • Der Dienstvertrag des zweiten Entwurfes eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. In: Arch. f. soz. Gesetzgebung u. Statistik. Band 8, 1895, S. 1–74.
  • Der unmoralische Vertrag, insbesondere nach Gemeinem Recht. Leipzig 1896.
  • Die Freiheit der Berufswahl. Rektoratsrede gehalten am 4. Dezember 1897. Leipzig 1898.
  • Die Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. In: Arch. f. soz. Gesetzgebung u. Statistik. Band 15, 1900, S. 1–122.
  • Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches. Band I, Leipzig 1902.
  • Der Arbeitsvertrag nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches. Band II, Leipzig 1908.
  • Das römische Recht vom Error. Hrsg. I. Fargnoli. Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2019, (posthum).

Literatur Bearbeiten

  • Joachim RückertLotmar, Philipp. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 241 (Digitalisat).
  • M. Rehbinder (Hrsg.): Schweizerisches Arbeitsvertragsrecht. Forderungen an den Gesetzgeber. Gesammelte Schriften. Bern 1991.
  • J. Rückert (Hrsg.): Philipp Lotmar – Schriften zu Arbeitsrecht, Zivilrecht und Rechtsphilosophie. Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-8051-0110-4.
  • L. Nogler: Philipp Lotmar (1850–1922). In: Lavoro e diritto. 1/1997, S. 129–138, doi:10.1441/4386.
  • C. Gasser: Philipp Lotmar 1850–1922, Professor der Universität Bern. Frankfurt am Main 1997.
  • P. Caroni (Hrsg.): Forschungsband Philipp Lotmar (1850–1922). Frankfurt am Main 2003.
  • I. Fargnoli (Hrsg.): Philipp Lotmar – letzter Pandektist oder erster Arbeitsrechtler? Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2014, ISBN 978-3-465-04222-8.
  • I. Fargnoli: Philipp Lotmar und der Schweizerische Juristentag. In: P. V. Kunz, J. Weber, A. Lienhard, I. Fargnoli, J. Kren Kostkiewicz (Hrsg.): Berner Gedanken zum Recht. Festgabe der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bern für den Schweizerischen Juristentag 2014. Stämpfli, Bern 2014, S. 531–541.
  • I. Fargnoli: Tra 'error' e 'locatio conductio'. Il percorso scientifico di Philipp Lotmar (1850–1922) (1.). In: Studi in onore di Giorgio De Nova. Band II, Giuffrè, Milano 2015, S. 1173–1193.
  • I. Fargnoli: Zwischen Begeisterung und Bitterkeit. Eugen Huber im Spiegel von Philipp Lotmars Briefen. In: I. Fargnoli, U. Fasel (Hrsg.): Die Macht der Tradition im Dienstbarkeitsrecht und Eugen Huber. Stämpfli, Bern 2016, S. 15–31.
  • Luca Nogler: Philipp Lotmar e la scoperta del sistema dei contratti di lavoro (“più sono le libertà riconosciute dal diritto più grande è il contenuto della libertà” dell’individuo). In: Da Gama Lobo Xavier Bernardo u. a. (Hrsg.): Estudios de Dereito do Trabalho. Em Homanagem ao Professor António Monteiro Fernandes. NovaCausa, Lisboa 2017, ISBN 978-989-8515-51-3, S. 45–70.
  • I. Fargnoli: Das verpasste Vermächtnis von Philipp Lotmar im Schweizer Irrtumsrecht. In: I. Fargnoli, U. Fasel (Hrsg.): Anschauungen römischer Juristen und deren Fortwirken bis in das geltende schweizerische Recht. Stämpfli, Bern 2018, S. 19–35.
  • I. Fargnoli: L'errore in diritto romano di Philipp Lotmar (1850–1922) tra storia e dogmatica. In: L. Gagliardi (Hrsg.): Antologia romanistica ed antiquaria. Band 2, Giuffrè Francis Lefebvre, Milano 2018, S. 293–312.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. M. Weber, Besprechung von Ph. Lotmar, Der Arbeitsvertrag. Nach dem Privatrecht des Deutschen Reiches, Erster Band. In: Archiv für soziale Gesetzgebung und Statistik. Band 17, 1902, S. 723.
  2. P. Klee: Tagebücher: 1898–1918. [F. Klee hrsg.] Köln 1979, S. 171, der erzählt, wie ‚Professor Lotmar‘ ihn Ende Dezember 1904 (kurz vor dem Ausbrechen der russischen Revolution am 9. Januar 1905) anregte, das Werk von Oscar Wilde zu lesen: ‚Der Sozialismus und die Seele des Menschen‘.
  3. Philipp Lotmar: Das römische Recht vom Error. Hrsg. I. Fargnoli. Vittorio Klostermann Verlag, Frankfurt am Main 2019.