Ordnungstherapie

Oberbegriff für eine Reihe von Therapien in der europäischen Naturheilkunde, vor allem in der Kneipp-Medizin und in der Ernährungsmedizin

Ordnungstherapie ist ein Oberbegriff für eine Reihe von Therapien in der europäischen Naturheilkunde, vor allem in der Kneipp-Medizin und in der Ernährungsmedizin. Das Prinzip ist die Vorbeugung und Behandlung von Krankheiten durch Veränderung der Lebensweise hin zu einer gesunden und natürlichen bzw. naturnahen Lebensweise des Patienten.

Ordnungstherapeutische Interventionen zielen somit auf die Wiedererlangung des Gespürs für die natürlichen Bedürfnisse des eigenen Organismus sowie auf die Vermittlung von Strategien zur Gestaltung des Lebens(stils) unter Berücksichtigung dieser Ordnungsprinzipien[1]. Die Ordnungstherapie gehört neben der Pflanzenheilkunde, der Hydrotherapie, der Physiotherapie und der Ernährungstherapie zu den 5 Säulen der Kneipp-Medizin.

Ordnungstherapie darf nicht mit dem Ordnungsprinzip der Homöopathie verwechselt werden, zu dem es keine Schnittstellen gibt. Auch die Psychotherapie von Unordnung oder desorganisiertem Verhalten (wie z. B. beim Messie-Syndrom oder ADHS) wird nicht als Ordnungstherapie bezeichnet.

Historisches

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Lebensstilmodifizierende medizinische Ansätze haben ihren Ursprung bereits in der Antike, etwa im Sinne des altgriechischen δίαιτα díaita[2]. Sie erlebten einen Aufschwung in der europäischen Naturheilkunde durch Reformbewegungen zur Zeit der industriellen Revolution[3]. Prägend war in Deutschland Sebastian Kneipp, für den schon früh die Erhaltung der „Ordnung“ im Leben ein zentrales Thema für Therapie und Gesundheit war:

„Erst als ich daran ging, Ordnung in die Seelen meiner Patienten zu bringen, hatte ich vollen Erfolg“

Sebastian Kneipp

Ähnlich wie die moderne Verhaltensmedizin wollte Kneipp die Patienten zu Experten ihres Lebens machen[3]. Der Begriff Ordnungstherapie wurde bereits von Kneipp selbst verwendet. Maximilian Bircher-Benner etablierte den Begriff Ordnungstherapie ab 1938 weiter. In den folgenden Jahrzehnten etablierte sich der Begriff neben der Ernährungsmedizin vor allem in den klassischen Naturheilverfahren.

Elemente und Definition

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Unter dem Begriff Ordnungstherapie als Oberbegriff werden verschiedene Modelle und Methoden zusammengefasst. Kernelemente sind eine Modifikation des Lebensstils, die Aktivierung von Ressourcen und die Stärkung der Selbstregulationsfähigkeit und Selbstwirksamkeitserwartung.[1] Fachkenntnisse in Ordnungstherapie sind wesentliche Ausbildungsinhalte zur Erlangung der Zusatzbezeichnung ärztliche Naturheilverfahren.[4] Es ergeben sich breite Schnittstellen zu schulmedizinischen Ansätzen in der Verhaltensmedizin, Schlafhygiene, Chronobiologie, Stressregulationsverfahren und Psychohygiene. Ordnungstherapie schließt als Technik häufig die motivierende Gesprächsführung ein und kann als eine Form der Psychoedukation verstanden werden.[5]

Wirksamkeit von Ordnungstherapie aus schulmedizinischer Perspektive

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Aus Perspektive der evidenzbasierten Medizin kann die kneippsche Ordnungstherapie als wirksam und gut empirisch abgesichert gelten.[6] Obwohl es nur wenige Studien gibt, die sich isoliert mit der 'Ordnungstherapie' befassen, ist deren Kernelement, eine moderate Modifikation von Lebensstilfaktoren, für zahlreiche insbesondere chronische Erkrankungen empirisch abgesichert durch umfangreiche Studien.[7][8][9][10] Auch sind Effekte von Lebensstilmodifikation auf das Wohlbefinden[11] und die Lebenserwartung[12] belegt. Motivationale Gesprächsführung und empathische Konfrontation sind schulmedizinisch wirksame Methoden[13]. Studien zu Modifikationen des Lebensstils zeigen gute Effektstärken bei angewandten Methoden wie Chronomedizin[14], Schlafhygieneregeln[15], moderatem Alkoholkonsum und gesunder Ernährung sowie (in Bezug auf psychische Gesundheit) durch Yoga und Qigong.

Eine wechselseitige Wirkverstärkung zwischen den verschiedenen Ansätzen, wie beispielsweise körperlicher Fitness, Hydrotherapie und gesunder Ernährung, wurde bereits von Kneipp selbst vermutet[3][1] und kann durch moderne Studien als empirisch abgesichert angesehen werden[1][6].

Einzelnachweise

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  1. a b c d Eberhard Volger, Benno Brinkhaus: Kursbuch Naturheilverfahren: für die ärztliche Weiterbildung. 1. Auflage. Urban & Fischer in Elsevier, München 2013, ISBN 978-3-437-58620-0.
  2. Anna Paul, Nils Altner, Gustav Dobis: Ordnungstherapie: Grundlage ärztlichen Handelns. Hrsg.: Eberhard Volger, Benno Brinkhaus. 1. Auflage. Elsevier, München 2013, S. 61–81.
  3. a b c Eberhard Schomburg: Sebastian Kneipp : 1821-1897 ; die Lebensgeschichte eines außergewöhnlichen Mannes. 5. Auflage. Kneipp-Verlag, Bad Wörishofen 1985, ISBN 3-921481-14-7.
  4. Bundesärztekammer: Logbuch Weiterbildung Naturheilverfahren. Abgerufen am 29. März 2024.
  5. Wolfgang Brüggemann: Kneipptherapie: ein bewährtes Naturheilverfahren; mit 62 Tab. 2., überarb. Auflage. Springer, Berlin 1986, ISBN 978-3-540-15457-0.
  6. a b Marita Stier-Jarmer, Veronika Throner, Michaela Kirschneck, Dieter Frisch, Angela Schuh: Effekte der Kneipp-Therapie: Ein systematischer Review der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse (2000–2019). In: Complementary Medicine Research. Band 28, Nr. 2, 2021, ISSN 2504-2092, S. 146–159, doi:10.1159/000510452 (karger.com [abgerufen am 29. März 2024]).
  7. Jacob K. Kariuki, Christopher C. Imes, Sandra J. Engberg, Paul W. Scott, Mary L. Klem, Yamnia I. Cortes: Impact of lifestyle-based interventions on absolute cardiovascular disease risk: a systematic review and meta-analysis. In: JBI Evidence Synthesis. Band 22, Nr. 1, Januar 2024, ISSN 2689-8381, S. 4–65, doi:10.11124/JBIES-22-00356, PMID 37551161, PMC 10841079 (freier Volltext) – (lww.com [abgerufen am 29. März 2024]).
  8. LaShonda R. Hulbert, Shannon L. Michael, Jasmine Charter-Harris, Charisma Atkins, Renée A. Skeete, Michael J. Cannon: Effectiveness of Incentives for Improving Diabetes-Related Health Indicators in Chronic Disease Lifestyle Modification Programs: a Systematic Review and Meta-Analysis. In: Preventing Chronic Disease. Band 19, 27. Oktober 2022, ISSN 1545-1151, doi:10.5888/pcd19.220151, PMID 36302383, PMC 9616129 (freier Volltext) – (cdc.gov [abgerufen am 29. März 2024]).
  9. Anche Parameshwar, G. Arun Maiya, Shobha Ullas Kamath, B. Ananthakrishna Shastry, Ravishankar: Lifestyle Modification with Physical Activity Promotion on Leptin Resistance and Quality of Life in Metabolic Syndrome - A Systematic Review with Meta-Analysis. In: Current Diabetes Reviews. Band 17, Nr. 3, März 2021, S. 345–355, doi:10.2174/1573399816666200211102917 (eurekaselect.com [abgerufen am 29. März 2024]).
  10. Julie Brown, Nisreen A Alwan, Jane West, Stephen Brown, Christopher JD McKinlay, Diane Farrar, Caroline A Crowther: Lifestyle interventions for the treatment of women with gestational diabetes. In: Cochrane Database of Systematic Reviews. Band 2017, Nr. 5, 4. Mai 2017, doi:10.1002/14651858.CD011970.pub2, PMID 28472859, PMC 6481373 (freier Volltext) – (wiley.com [abgerufen am 29. März 2024]).
  11. Kaylee Slater, Kim Colyvas, Rachael Taylor, Clare E. Collins, Melinda Hutchesson: Primary and secondary cardiovascular disease prevention interventions targeting lifestyle risk factors in women: A systematic review and meta-analysis. In: Frontiers in Cardiovascular Medicine. Band 9, 9. November 2022, ISSN 2297-055X, doi:10.3389/fcvm.2022.1010528, PMID 36439996, PMC 9681924 (freier Volltext) – (frontiersin.org [abgerufen am 29. März 2024]).
  12. Rocío Fernández-Ballesteros, Elizabeth Valeriano-Lorenzo, Macarena Sánchez-Izquierdo, Juan Botella: Behavioral Lifestyles and Survival: A Meta-Analysis. In: Frontiers in Psychology. Band 12, 4. Februar 2022, ISSN 1664-1078, doi:10.3389/fpsyg.2021.786491, PMID 35185686, PMC 8854179 (freier Volltext) – (frontiersin.org [abgerufen am 29. März 2024]).
  13. Stefan Kohler, Anjuna Hofmann: Can Motivational Interviewing in Emergency Care Reduce Alcohol Consumption in Young People? A Systematic Review and Meta-analysis. In: Alcohol and Alcoholism. Band 50, Nr. 2, 1. März 2015, ISSN 1464-3502, S. 107–117, doi:10.1093/alcalc/agu098 (oup.com [abgerufen am 29. März 2024]).
  14. Angela Schuh: Was hat gesunder Schlaf mit unserer inneren Uhr und dem Lebensstil zu tun? In: Gesunder Schlaf und die innere Uhr. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 2022, ISBN 978-3-662-64952-7, S. 53–87, doi:10.1007/978-3-662-64953-4_4 (springer.com [abgerufen am 29. März 2024]).
  15. Kneginja Richter: Verhaltenstherapie der Insomnie. In: Schlaf. Band 07, Nr. 03, Oktober 2018, ISSN 2194-7880, S. 124–126, doi:10.1055/s-0038-1675291 (thieme-connect.de [abgerufen am 29. März 2024]).