Das Verb mauscheln und das Substantiv Mauschelei bezeichnen im heutigen Sprachgebrauch allgemein betrügerische Manipulationen, unzulässige Absprachen und Geschäfte am Rande oder jenseits der Legalität, speziell in Bezug auf das Kartenspiel Betrug beim Mischen oder Geben der Karten, also ein „abgekartetes Spiel“.

Ursprünglich war das Wort mauscheln eine antisemitische Schmähung, wird heute aber auch in anderen Zusammenhängen verwendet. Zuerst taucht es im 17. Jahrhundert auf, zunächst in der Bedeutung „sprechen wie ein Jude; jiddisch sprechen“, später wurde es vor allem im Sinne von „handeln wie ein Schacherjude; betrügen“ gebraucht. Abgeleitet ist es von „Mauschel“, einer abschätzigen Bezeichnung für die „Handelsjuden“, also jüdische Händler und Juden, die als Hausierer umherzogen, und somit letztlich vom hebräischen Vornamen Mose/Mosche.

Etymologie

Bearbeiten

Mauschel war seit dem 17. Jahrhundert der antisemitische Spottname für den Juden und leitet sich vermutlich von Mausche, der westjiddischen Aussprache des Namens Mosche (Mose), ab.[1] Davon abgeleitet bezeichnete Mauscheln zuerst abfällig die für Nichtjuden undeutlich klingende Art, in der ein Mauschel spricht – gemeint war die von aschkenasischen Juden verwendete jiddische Sprache. Das von den Gebrüdern Grimm begründete Deutsche Wörterbuch erklärte 1885, das Wort komme von bairisch „täuscheln und mäuscheln, sich mit heimlichen und unerlaubten geschäftchen abgeben“.[2] Siegmund A. Wolf vermutet in seinem Wörterbuch der Gaunersprache eine volksetymologische Angleichung oder Verbindung mit dem Verb „nuscheln“ („undeutlich reden“).

Vereinzelt versuchte man auch das Wort aus dem Hebräischen herzuleiten,[1] in älteren Lexikographien wird Mausche/Mauschel auf das hebräische mâschal „Herrscher“ oder „herrschen“ bezogen.[3][4] So wird 1675 Christus als ein „gelehrter Mauschel oder Gleichnuß-Prediger“ dargestellt.[5]

Als weitere Bedeutung für Mauscheln entwickelte sich „wie ein Schacherjude handeln“, also betrügen. Dieses unsaubere Geschäft „nach Judenart“ nannte man dann Mauschelei.[6]

Wortgeschichte

Bearbeiten

Seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts verweist das Wort auf eines der zentralen Probleme der jüdischen Emanzipation: Waren Juden in Deutschland in der Lage, neben ihrer Religion auch das Judendeutsch abzulegen und sich ganz an die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu assimilieren? Der jüdischstämmige Hamburger Pädagoge Anton Rée hielt es noch 1844 für nötig, öffentlich zu bestreiten, dass Juden „echt palästinensische Sprachorgane“ hätten und somit gar nicht in der Lage seien, akzentfrei deutsch zu sprechen. Er glaubte aber doch, durch die jahrhundertelange Ausgrenzung seien die Sprechorgane von Juden degeneriert, ein Vorgang, den er für reversibel erklärte. Den Begriff mauscheln lehnte er als judenfeindlich ab und zog es vor, von „jüdischer Mundart“ zu sprechen.[1]

Im um 1870 erschienenen judenfeindlichen Pamphlet Der Mauscheljude wird vor einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung gewarnt. Das Buch bedient sich sowohl bewährter christlich-antijudaistischer als auch der damals aufkommenden rassistischen und antisemitischen Agitationsmuster, die denen der Nationalsozialisten bereits ähnlich waren.[7] In den 1880er Jahren waren ähnliche Wortbildungen wie „Groß-Mauschel“, „internationales Mauschelthum“, „Mauschel-Jude“ und „Mauschel-Christ“ im Antisemitismus verbreitet.[1]

Die Nationalsozialisten verwendeten dann den Begriff ausgiebig in ihrer Propaganda. Julius Streichers Hetzblatt Der Stürmer setzte ihn z. B. ein, um vor „Rassenschande“ an unschuldigen deutschen Mädchen zu warnen:

„Habt Acht auf eure Kinder! Warnt sie vor dem Juden, vor dem Teufel in Menschengestalt! Klärt sie über die Verderblichkeit des asiatischen Mischvolkes auf! Sagt Ihnen, dass sie keinen Fremden folgen, auch wenn er noch so verlockend zu mauscheln versteht.“[8]

Im 1936 von Elvira Bauer im Stürmer-Verlag veröffentlichten Kinderbuch Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid! Ein Bilderbuch für Groß und Klein, das mit dem Lesen zugleich auch die nationalsozialistische Rassenideologie an Kinder vermitteln sollte, verwendete die Autorin gleichfalls den Begriff zur Diffamierung der Juden in Bezug auf angeblich betrügerische Geldgeschäfte:

„Den dummen Goi belügen. Er kampert mit dem Geldsack sehr: ‚Rebekkaleben, da schau her!‘ Dann nimmt er seinen Riemen. Und mauschelt mit den Kiemen.“[9]

Mit dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft kam der Begriff aus naheliegenden Gründen aus der Mode. Seit etwa 1970 ist er wieder nachweisbar, hatte aber nach Auffassung von Isabel Enzenbach zu Beginn unseres Jahrhunderts seine ausschließlich antisemitische Konnotation verloren.[10] Der Sprachwissenschaftler Hans Peter Althaus sah etwa zur gleichen Zeit ebenfalls keine antisemitische Konnotation mehr, wenngleich das Wort weiterhin diffamierend sei. Dies gehe, zumeist für die Sprechenden unbewusst, „aus den Wurzeln hervor, die auch den Diffamierungs- und Agitationswortschatz der Vergangenheit hervorgebracht haben“, weshalb weitere intensive Bemühungen um den Sprachgebrauch lohnend seien.[11]

Die Schweizer Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus führt den Begriff seit 2015 auf einer Liste von „belasteten Begriffen“.[12]

Die Duden-Redaktion erklärt in einem Warnhinweis: „Das Verb mauscheln in den Bedeutungen ‚sich einen Vorteil verschaffen; betrügen‘ sowie Ableitungen davon sind eng mit antisemitischen Vorstellungen verbunden. Sie werden häufig als diskriminierend empfunden und sollten deshalb insbesondere im öffentlichen Sprachgebrauch unbedingt vermieden werden.“[13] Der Publizist Ronen Steinke wählte den Begriff für sein Buch „Antisemitismus in der Sprache: Warum es auf die Wortwahl ankommt“ als Beispiel in der Überschrift des Kapitels über antisemitisch aufgeladene Begriffe aus dem Jiddischen.[14]

Literatur

Bearbeiten

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. a b c d Isabel Enzenbach: Mauscheln. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Ideologien, Theorien. De Gruyter Saur, Berlin 2008, ISBN 978-3-598-24074-4, S. 205 (abgerufen über De Gruyter Online).
  2. Deutsches Wörterbuch s.v. Mauscheln auf woerterbuchnetz.de, Zugriff am 8. Dezember 2018.
  3. Peter Eisenberg: Das Fremdwort im Deutschen. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2018, ISBN 978-3-11-047271-4 (google.de [abgerufen am 9. Dezember 2018]).
  4. Johann Andreas Schmeller: Bayerisches Wörterbuch: Sammlung von Wörtern und Ausdrücken, die in den lebenden Mundarten sowohl, als in der älteren und ältesten Provincial-Litteratur des Königreichs Bayern, besonders seiner ältern Lande, vorkommen, und in der heutigen allgemein-deutschen Schriftsprache entweder gar nicht, oder nicht in denselben Bedeutungen üblich sind. Oldenbourg, 1872, S. 1680 (google.de [abgerufen am 9. Dezember 2018]).
  5. Apostolica (et evangelica) status ratio(etc.) Das ist: Geistlich-apostolischer Staatist aus dem himmlischen Bürger-Recht St. Pauli … abgesehen … der falschen Welt-Staatisterey entgegen gesetzt in 2 Predigten (etc.). Rebenlein, 1675 (Google Books [abgerufen am 9. Dezember 2018] Frontcover).
  6. Mauscheln im Glossar der antisemitisch belasteten Begriffe der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus, Zürich 2015, abgerufen am 3. Dezember 2018
  7. Verena Buser: Der Mauscheljude (1879). In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 6: Publikationen. Im Auftrag des Zentrums für Antisemitismusforschung der Technischen Universität Berlin. De Gruyter Saur, Berlin u. a. 2013, ISBN 978-3-11-025872-1, S. 448.
  8. Der Stürmer, 29/1935, zitiert nach Daniel Roos, Julius Streicher und „Der Stürmer“ 1923 - 1945. Schöningh, Paderborn 2014, ISBN 978-3-506-77267-1, S. 273.
  9. Elvira Bauer: Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid! Ein Bilderbuch für Groß und Klein. Nürnberg 1936, ohne Seitenangaben)
  10. Isabel Enzenbach: Mauscheln. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Band 3: Begriffe, Ideologien, Theorien. De Gruyter Saur, Berlin 2008, ISBN 978-3-598-24074-4, S. 206 (abgerufen über De Gruyter Online).
  11. Hans Peter Althaus: Mauscheln. Ein Wort als Waffe. De Gruyter, Berlin/New York 2002, ISBN 3-11-017290-9, S. 411, 416 f. und 422 (hier das Zitat) (abgerufen über De Gruyter Online).
  12. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus: Belastete Begriffe - Mauscheln, abgerufen am 6. September 2020
  13. mauscheln | Duden. Abgerufen am 4. September 2021.
  14. Ronen Steinke: „Antisemitismus in der Sprache: Warum es auf die Wortwahl ankommt“, Duden Verlag, Berlin 2020, S. 23ff: „Mauschelei in der Mischpoke. Ungutes Jiddisch“

Siehe auch

Bearbeiten