Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung

Dokumentarfilm von Sergei Loznitsa (2020-2022)

Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung (internationaler Titel: The Natural History of Destruction) ist ein aus Archivaufnahmen montierter Dokumentarfilm von Sergei Loznitsa, der den Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg und die Flächenbombardierung thematisiert. In der Kritik wurde er wegen seiner Gleichsetzung der Kriegsparteien teils kontrovers aufgenommen.

Film
Titel Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung
Produktionsland Deutschland, Litauen, Niederlande
Originalsprache Englisch, Deutsch
Erscheinungsjahr 2022
Länge 109 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Sergei Loznitsa
Produktion Regina Bouchehri, Gunnar Dedio, Uljana Kim, Sergei Loznitsa, Maria Choustova
Musik Christiaan Verbeek, Vladimir Golovnitski (Sound Designer)
Schnitt Danielius Kokanauskis

Produktion

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Der Film ist von W. G. Sebalds Luftkrieg und Literatur inspiriert und auch nach diesem Werk benannt. Er enthält keinen eigenen Text, nur Ausschnitte von Reden von Bernard Montgomery, Winston Churchill, Arthur Harris und Joseph Goebbels. Loznitsa erklärte in einem Interview, er habe sich auf die Kriegsparteien Deutschland und Großbritannien konzentrieren wollen.[2]

Der Film wurde von LOOKSfilm (Deutschland), Atoms & Void (Niederlande) und Studio Uljana Kim (Litauen) in Koproduktion hergestellt.

Der Film beginnt mit friedlichen Szenen aus den Bergen bis zur Küste NS-Deutschlands. Es folgen Aufnahmen eines Zeppelins, dann dunkle Bilder, die aus der Luft aufgenommen sind und das nächtliche Abwerfen von Bomben zeigen. In der nächsten Szene werden die Folgen am Boden gezeigt: Löscharbeiten, zerstörte Gebäude und Fahrzeuge, ausgebombte und verletzte Menschen und Leichen.

Darauf folgt eine Montage von Szenen in der Rüstungsindustrie und bei der Herstellung von Kampfflugzeugen. General Montgomery hält bei einem Besuch in einer Flugzeugwerft eine Rede, in einem anderen Werk findet ein Sinfoniekonzert unter einer KdF-Fahne statt. In einer langen Sequenz wird das Beladen der Bomber mit Munition und das Abheben verschiedener Geschwader gezeigt. Dazu hört man einen Ausschnitt einer Rede von Churchill. Die folgenden Szenen zeigen den Luftkrieg aus den Flugzeugen heraus: zahlreiche Aufnahmen von Schüssen der Flugabwehrkanonen und der Flugzeuge, Abschüsse und die Flächenbombardements.

Darauf folgen wieder Aufnahmen aus den zerstörten Städten, von den dort lebenden Menschen und den Aufräumarbeiten. Hochrangige Offiziers fahren durch die Städte und lassen sich die Situation zeigen. In einem kurzen Ausschnitt droht Arthur Harris Nazi-Deutschland mit weiteren Bombardierungen, Goebbels kündigt in einer Rede Gegenterror für die Angriffe an. Währenddessen und danach werden weitere Szenen aus den getroffenen Städten gezeigt. Der Film endet mit aus der Luft aufgenommenen Szenen der bis auf Ruinen zerstörten Städte und Landschaften.

Veröffentlichung

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Die Uraufführung fand im Mai 2022 bei den Filmfestspielen von Cannes statt, wo er außerhalb des Wettbewerbs gezeigt wurde. Der Kinostart in Deutschland folgte am 16. März 2023.

Rezeption

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Filmkritik

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Die Kritik stellte überwiegend fest, dass es Losnitza mit dem Film darum gehe, die Leiden der Zivilbevölkerung im Luftkrieg darzustellen und deren Rechtfertigung zu hinterfragen.[3][4][5][6][7]

Jessica Kiang schrieb in der amerikanischen Variety, der Film sei „frustrierend vieldeutig, eine eigenartig hehre Distanz zu den Schrecken der zivilen Kriegserfahrung wahrend.“ Es gebe allerdings nur einige kurze, interessante Momente.[8] Auch anderer Kritiker fanden den Film „teilweise quälend repititiv“[9] und bezweifelten, dass genug Interessantes ausgesagt werde.[3]

Christian Berndt merkte sich im Deutschlandfunk Kultur an, dass der Film vor allem die Zerstörung deutscher Städte zeige, und nur wenige englische, obwohl es weitere Beispiele für Angriffsziele der Deutschen gebe. Insgesamt würde der Film der NS-Staat mit den Alliierten gleichsetzen. Durch die Dramaturgie lasse der Film letztendlich „ein irritierend schiefes Bild des Krieges entstehen, in dem die Opfer des NS-Terrors eine Leerstelle bleiben“.[2] In einem Gegenkultur-Magazin meinte ein Kritiker, der Film würde „alle Elemente des deutschen Opferkults“ ausbreiten und wunderte sich über ausbleibende antifaschistische Aktionen.[10] Jessica Kiang hielt das Zeigen der Opfer in England für unnötig, schließlich gehe es in W. G. Sebalds Essay um den Umgang mit den Bombardierungen in Deutschland.[8] Ein anderer Kritiker meinte, gerade durch die Umkehr der üblichen Sympathie gelinge es Losnitza, den Luftkrieg als universelles Grauen darzustellen.[9]

Die Kritik lobte die Dramaturgie der Bilder und ihre Qualität.[4][6][9] Durch den Schnitt sei es unmöglich, genau zu wissen, ob es sich um Aufnahmen aus Köln oder London handele.[3][9]

Preise und Nominierungen

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Der Film gewann beim 58. Chicago International Film Festival den Silbernen Hugo in der Kategorie „Bester internationaler Dokumentarfilm“.[11] Er war außerdem für weitere Preise nominiert:

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Einzelnachweise

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  1. Freigabebescheinigung für Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüf­nummer: 238242).Vorlage:FSK/Wartung/typ gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. a b Doku „Luftkrieg“ - Ein irritierend schiefes Geschichtsbild. In: Studio 9. Deutschlandfunk Kultur, 15. März 2023, abgerufen am 20. Mai 2024.
  3. a b c Peter Bradshaw: The Natural History of Destruction review – a harrowing account of aerial warfare. In: The Guardian. 24. Mai 2022, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 3. Juli 2024]).
  4. a b Patrick Seyboth: Kritik zu Luftkrieg – Die Natur­geschichte der Zerstörung. In: epd Film. 24. Februar 2023, abgerufen am 3. Juli 2024.
  5. Simon Hauck: Luftkrieg - Die Naturgeschichte der Zerstörung (2022) : Mensch, Materie! In: kino-zeit.de. Abgerufen am 3. Juli 2024.
  6. a b Noemi Ehrat: "Luftkrieg: Naturgeschichte der Zerstörung": Das Ungeheuerliche zeigen. In: Die Zeit. 17. März 2023, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 3. Juli 2024]).
  7. Daniel Kothenschulte: „Luftkrieg - Die Naturgeschichte der Zerstörung“ im Kino: Restaurierte Bilder der Vernichtung. In: fr.de. 15. März 2023, abgerufen am 3. Juli 2024.
  8. a b Jessica Kiang: ‘The Natural History of Destruction’ Review: Sergei Loznitsa’s Abstruse Archival Meditation on Aerial Bombing in World War II. In: Variety. 13. Juni 2022, abgerufen am 8. Juni 2024 (amerikanisches Englisch).
  9. a b c d David Katz: Review: The Natural History of Destruction. In: cineuropa.org. 31. Mai 2022, abgerufen am 8. Juni 2024 (englisch).
  10. Peter Nowak: Deutscher Luftkrieg oder ein Film, der alten und neuen Nazis gefällt. In: untergrund-blättle.ch. 4. April 2023, abgerufen am 20. Mai 2024.
  11. 58th Chicago International Film Festival announces award winners. In: Reel Chicago. 23. Oktober 2022, abgerufen am 8. Juni 2024 (amerikanisches Englisch).
  12. Anne Küper: Nominierungen für den Preis der deutschen Filmkritik 2023 stehen fest. In: Verband der deutschen Filmkritik e.V. 24. Januar 2024, abgerufen am 11. Mai 2024 (deutsch).
  13. Natūrali naikinimo istorija. In: Sidabrinė gervė. Abgerufen am 8. Juni 2024 (litauisch).