Literatur im Deutschen Kaiserreich

Die Literatur im Deutschen Kaiserreich war vielfältig. Zu den bedeutendsten Autoren gehörten Theodor Fontane, Gerhart Hauptmann, Detlev von Liliencron, Clara Viebig, Hermann Hesse, Heinrich Mann, Thomas Mann, Ricarda Huch und Else Lasker-Schüler.

Allgemeines

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Literatur war im 19. und frühen 20. Jahrhundert das wichtigste Unterhaltungsmedium. Es erschienen jährlich mehrere tausend Bücher, dazu wurden in den meisten Zeitungen und Zeitschriften Fortsetzungsromane, Erzählungen, Gedichte und weitere literarische Texte gedruckt (etwa 20.000 pro Jahr).[1] Es gab mehrere hundert Buchverlage, vor allem in den großen Städten Berlin, Leipzig, München und Stuttgart. Daneben gab es kommerzielle Leihbibliotheken, bei denen gegen ein geringes Entgelt Bücher ausgeliehen werden konnten, sowie Volksbüchereien, die von vielen einkommensschwächeren Lesern genutzt wurden.

Die meisten belletristischen Veröffentlichungen waren Unterhaltungsliteratur, mit Alltagsgeschichten, Liebesgeschichten, Kriminalerzählungen und ähnlichem.

Stilrichtungen

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Die Literatur dieser Zeit wird von der Literaturwissenschaft in verschiedene Stilrichtungen eingeteilt, wobei die Grenzen teilweise fließend sind.

Bürgerlicher Realismus 1870–1890

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In den 1870er und 1880er Jahren waren die meisten belletristischen Werke vom Stil des bürgerlichen Realismus geprägt. Der wichtigste Autor dieser Zeit war Theodor Fontane mit seinen späten Werken.

Naturalismus 1889–1910

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Seit den späten 1880er Jahren entwickelte sich die Stilrichtung des Naturalismus, die gesellschaftliche Probleme in möglichst realitätsnaher Darstellung beschrieb. Als Beginn galt das Theaterstück Vor Sonnenaufgang von Gerhart Hauptmann, es folgten weitere Dramen, wie Die Weber. Weitere wichtige Autoren des Naturalismus waren Arno Holz und Johannes Schlaf mit ihrem Stück Familie Selicke. Es gab keine bekannteren Romane des Naturalismus im deutschsprachigen Raum (anders als in Frankreich).

Impressionismus

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Einige Dichter der Zeit um 1900 wurden dem Impressionismus zugerechnet.[2] Sie waren vor allem von französischen Dichtern wie Charles Baudelaire beeinflusst.

Als bedeutendster Autor gilt Detlev von Liliencron (1844–1909), der viele jüngere Schriftsteller seiner Zeit mit seinem Werk beeinflusste. Weitere bekanntere deutsche Autoren waren Eduard von Keyserling (1855–1918) (mit Wellen) und Max Dauthendey (1867–1918).

Symbolismus

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Der literarische Symbolismus entwickelte eine Dichtung ohne stärkeren Realismusbezug, in der Bilder und der Klang der Sprache eine wichtige Rolle spielten.[3] Der wichtigste Vertreter in Deutschland war Stefan George (1868–1933), der den George-Kreis in München begründete und das Literaturverständnis vieler jüngerer Schriftsteller beeinflusste. Daneben gab es auch noch die Kosmiker.

(In Österreich-Ungarn waren die wichtigsten Vertreter Hugo von Hofmannsthal, Rainer Maria Rilke, sowie die Gruppen Wiener Moderne und Jung-Wien.)

Dekadenz

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Als Dekadenzliteratur werden literarische Werke bezeichnet, deren Hauptthema der Verfall der Gesellschaft ist. Diese waren in Deutschland meist realistisch gestaltet. Sie waren von den Werken der skeptischen Philosophen Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer beeinflusst, sowie von gesellschaftskritischen Schriftstellern wie Guy de Maupassant, Gustave Flaubert und Oscar Wilde. Als spektakulärster deutscher Dichter dieser Stilrichtung um die Jahrhundertwende gilt der Dramatiker Frank Wedekind (1864–1918) in München, der mit seinen Stücken Lulu und Frühlings Erwachen für Aufsehen sorgte.

Heinrich Mann (1871–1950) wird mit seinen gesellschaftskritischen Romanen Professor Unrat (1906) und Der Untertan (1918) dazu gerechnet, ebenso sein jüngerer Bruder Thomas Mann (1875–1955) mit seinem Frühwerk, besonders dem Roman Buddenbrooks (1901), der viel gelesen wurde, und der Novelle Der Tod in Venedig (1911).

Neuromantik

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Die Neuromantik wandte sich besonders dem Gefühl, der Natur und ähnlichen Themen zu, (angelehnt an die deutsche Romantik des 19. Jahrhunderts). Als wichtigster Vertreter gilt Hermann Hesse (1877–1962), weitere bekannte Autoren waren Ricarda Huch (1864–1967), Gertrud Kolmar (1894–1943), Ina Seidel (1885–1974), die ostpreußische Dichterin Agnes Miegel (1874–1964) und der sehr erfolgreiche Börries Freiherr von Münchhausen (1874–1945).[4]

Expressionismus

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Der Expressionismus gilt als die letzte große Literaturströmung in Deutschland. Merkmale waren experimentelle Formen in der Sprache und im Inhalt sowie eine radikale Abkehr von den bürgerlichen Konventionen.[5] Viele junge Autoren publizierten in kurzlebigen expressionistischen Literaturzeitschriften.

Zu den bekanntesten deutschen expressionistischen Schriftstellern gehörten Else Lasker-Schüler, Gottfried Benn, Jakob van Hoddis, Alfred Döblin und Carl Einstein.

Wichtige Werke (Auswahl)

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Angegeben sind die wichtigsten Werke dieser Zeit, die eine große Resonanz hatten oder von der Literaturwissenschaft als besonders wichtig eingeschätzt wurden (pro Autor maximal zwei). Weitere Werke sind in den Artikeln zu den einzelnen Schriftstellern zu finden.

Romane, Erzählungen, Lyrik
Dramen

Literaturzeitschriften

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Es erschienen zahlreiche Literaturzeitschriften, einige nur kurze Zeit.

  • Der Sturm
  • Heimat. Blätter für Litteratur und Volkstum, ab 1900, von Adolf Bartels

Literatur

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  • Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1870–1900. München 1998
  • Peter Sprengel: Geschichte der deutschsprachigen Literatur 1900–1918. Von der Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs. München 2004, ISBN 3-406-52178-9

Einzelnachweise

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  1. Alberto Martino, Die deutsche Leihbibliothek. Geschichte einer Institution, 1990, S. 559, mit Herkunftsangabe dieser Zahl
  2. Hermann Wiegmann: Die deutsche Literatur des 20. Jahrhunderts. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, S. 38., weist darauf hin, dass es sich um eine Tendenz oder eine eigene Stilrichtung handelte
  3. Mario Zanucchi: Transfer und Modifikation. Die französischen Symbolisten in der deutschsprachigen Lyrik der Moderne (1890–1923). De Gruyter, Berlin/Boston 2016
  4. Bruno Markwardt: Das Zwanzigste Jahrhundert (= Geschichte der deutschen Poetik. 5). Berlin 1967, S. 256.
  5. Walter Herbert Sokel: Der literarische Expressionismus. Der Expressionismus in der deutschen Literatur des 20. Jahrhunderts. Langen, München 1970