KZ-Außenkommando Brüllstraße

KZ-Außenkommando in Bochum

Das Außenkommando Bochum des Konzentrationslagers Buchenwald an der Brüllstraße in Bochum war eines von etwa 136 Außenkommandos des Konzentrationslagers Buchenwald.[1] Es war eines von mehr als 100 Lagern für die Zwangsarbeiter in Bochum und Wattenscheid, die dazu beitragen sollten, die Kriegsproduktion für das nationalsozialistische Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg aufrechtzuerhalten. Rolf Abrahamsohn, der in verschiedenen Lagern war, erinnerte sich:

Luftbild der Barackenlager von 1952 (optisch hervor gehoben), damals Notunterkunft
Fotomontage: Ansicht des Geländes von 2015, mit einer Überlagerung des ehemaligen Barackenlagers von 1952
„So kamen wir im August 1944 von Buchenwald aus nach Bochum.[…] Dieses Lager in Bochum war eines der schlimmsten KZs, die ich erlebt habe. Es war eine sehr zentralisierte Sache, wir waren immer auf dem Präsentierteller. Von den dortigen Häftlingen sind viele verhungert oder durch Bombensplitter umgekommen.“[2]

Kriegsproduktion Bearbeiten

Das Kommando Bochum sollte die Rüstungsproduktion im Bochumer Verein unterstützen. Es befand sich an der damaligen Brüllstraße, heute im Bereich der Straße Am Umweltpark und bestand von Mitte 1944 bis März 1945. Der Standort wurde von SS-Offizieren und den für Zwangsarbeit verantwortlichen Direktor Dr. Schitz und anderen Führungskräften bestimmt und lag in der Nähe der Geschossfabrik.[2] Dort bestand schon ein Zwangsarbeiterlager, der Bochumer Verein wurde angewiesen einen Umbau für die erforderlichen „Sicherungsmaßnahmen“ durchzuführen.

Das Lager sollte als Außenlager des KZ Buchenwald betrieben werden. Es war nicht das einzige seiner Art vor Ort. Ein anderes Außenkommando des KZ Buchenwald war das KZ-Außenkommando Eisen- und Hüttenwerke AG in Bochum.

Am 27. Juni 1944 erreichte ein Sammeltransport mit 446 Häftlinge aus dem Auschwitz den Ort. Diese wurden unter schwersten Bedingungen für den Umbau des Lagers eingesetzt. Nach dem Ausbau umfasste das Lager etwas 17 Baracken. Danach wurde das Lager weiter belegt.[2] Im August 1944 kamen 400 bis 500 Häftlinge aus dem KZ Buchenwald, und im Oktober/November 1944 270 Häftlinge aus Auschwitz und 500 Häftlinge aus dem KZ Neuengamme.

Mit 1.704 Häftlingen im November 1944 erreichte das Lager seine höchste Belegungsstärke.[2] Im Dezember 1944 arbeiteten über 1.600 registrierte Häftlinge bei Bau- und Erdarbeiten sowie in der Geschossproduktion. Die Häftlinge kamen zu einem großen Teil aus Ungarn, aber es waren auch Tschechen, Russen und Polen unter ihnen, die meisten waren Juden.[2][3]

 
Grabsteine von einigen jüdischen Häftlingen

Die Anzahl der Toten unter den Häftlinge kann man nicht beziffern. Offiziell wurden 108 Fälle dokumentiert, die alle eine verschleiernde Todesursache angaben. Nicht mehr „einsatzfähige“ Häftlinge wurden zur Ermordung in das KZ Buchenwald zurückgeschickt, so 198 Häftlinge in Januar 1945.[2] Einige wenige der Opfer in Bochum wurden nicht im Krematorium verbrannt, sondern auf dem Jüdischen Friedhof in Bochum-Wiemelhausen beigesetzt. Hier sind noch Grabsteine erhalten.

Am 14. März 1945 gelang dem jüdischen Häftling Lewis „Lutz“ Schloss zusammen mit seinem Vater Max mit Hilfe des deutschen Vorarbeiters Heinrich Hoppe die Flucht aus dem Lager an der Brüllstrasse.[4]

Im März 1945 zeichnete sich die Eroberung des Ruhrgebiets ab. Am 21. März 1945 wurden 1.361 Häftlinge in einem Eisenbahntransport nach Buchenwald transportiert, von denen 1.326 Häftlinge das Lager Buchenwald am 23. März 1945 lebend erreichten. Einige erlebten die Befreiung Buchenwalds am 11. April 1945 durch amerikanische Truppen noch.[5]

Aufarbeitung Bearbeiten

Gegen den Lagerleiter Hermann Grossmann wurde im Buchenwald-Hauptprozess verhandelt.[6] Er wurde zum Tode verurteilt und 1948 hingerichtet.[7] Der SS-Angehörige Max Paul Emil Vogel erhielt vier Jahre Haftstrafe.[8] Der Funktionshäftling Paul Müller wurde zu 15 Jahren Haftstrafe verurteilt.[9]

Über die Errichtung eines Gedenksteins kam es 1945 zum Streit über die Mitverantwortung des Bochumer Vereins.[10]

Eine Aufstellung über Kontoguthaben der Häftlinge im Männer-Außenkommando Bochum des KL Buchenwald innerhalb des Zeitraumes vom 6. November 1944 bis 19. März 1945 befindet sich als Dokument im Bestand des United States Holocaust Memorial Museum.[11]

 
Mahnmal an ehemaligen Lagerstandort

Als Zeitzeuge berichtete Rolf Abrahamsohn in Schulen und anderen Bildungseinrichtungen im Ruhrgebiet über seine Lagererfahrungen, unter anderem in Bochum, und das jüdische Leben im Allgemeinen. Seine Erlebnisse veranlassten Schüler der Hauptschule Wattenscheid-Mitte mit ihm vor Ort ein Video über seine Ereignisse zu drehen. Er war ebenfalls am 8. Mai 2019 bei der Einweihung eines Mahnmals am ehemaligen Lagerstandort zugegen. Die gestaltete Betonröhre erinnert an die Bombennächte, denen die Häftlinge schutzlos ausgeliefert waren. Abrahamson überlebte nur, weil er sich in ein Zementrohr verkriechen konnte. Bereits am 14. September 2018 wurde an der Kohlenstraße von dem Künstler Gunter Demnig eine Stolperschwelle für die KZ-Häftlinge verlegt. Dies geschah auf Anregung der „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten Bochum“, welche auch die Patenschaft übernommen hat.[12]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 3: Sachsenhausen, Buchenwald. C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-52963-1.
  • Rolf Abrahamsohn: „Was machen wir, wenn der Krieg zu Ende ist?“ Lebensstationen 1925–2010. Hrsg.: Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte und das Jüdischen Museum Westfalen. Klartext, Essen 2010, ISBN 978-3-8375-0334-0 (Bericht seiner Erlebnisse im Außenlager Brüllstraße auf Seite 32–35).
  • Ingrid Wölk: Was kostet ein Zwangsarbeiter? Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen beim Bochumer Verein und die Erinnerungen von Rolf Abrahamsohn. In: Ingrid Wölk (Hrsg.): Hundert sieben Sachen - Bochumer Geschichte in Objekten und Archivalien. 1. Auflage. Klartext, Essen 2017, ISBN 978-3-8375-1869-6, S. 413–419.
  • VVN-BdA, Kreisvereinigung Bochum (Hrsg.): Ein Bochumer Konzentrationslager – Geschichte des Buchenwald-Außenlagers des Bochumer Vereins. Bochum 2019, ISBN 978-3-931999-25-4.

Dokumentation Bearbeiten

  • Schüler der Hauptschule Wattenscheid Mitte: „… in Bochum war es fast am schlimmsten!„““ Bochumer Schüler auf den Spuren des ehemaligen jüdischen Zwangsarbeiters Rolf Abrahamsohn. Länge 35 min, [VHS]. Hrsg.: Hauptschule Wattenscheid Mitte / Stadtarchiv Bochum. Bochum 2002.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. VVN (online)
  2. a b c d e f Ingrid Wölk: Was kostet ein Zwangsarbeiter? Der Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen beim Bochumer Verein und die Erinnerungen von Rolf Abrahamsohn. In: Ingrid Wölk (Hrsg.): Hundert sieben Sachen - Bochumer Geschichte in Objekten und Archivalien. 1. Auflage. Klartext, Essen 2017, ISBN 978-3-8375-1869-6, S. 413–419.
  3. Seiten der Familie Tenhumberg (online)
  4. Lewis Schloss: Unsere sieben Monate in Buchenwald. Zeitzeugenbericht
  5. VNN (online)
  6. Case No. 000-50-9 (US vs. Josias Prince zu Waldeck et al) Tried 14 August 47 (online; PDF; 17,4 MB)
  7. Bochumer Leidenswege. (online)
  8. United States vs Max Paul Emil Vogel - Case 000-Buchenwald-14 (online; PDF; 744 kB)
  9. United States vs Paul Mueller – Case 000-Buchenwald-26 (online; PDF; 672 kB)
  10. Dokument im Archiv der DKP Bochum (online; PDF; 87 kB)
  11. USHMM: KL Buchenwald GCC 2/322, Ordner 552, Item number 541 (online)
  12. Pressemitteilung der Stadt Bochum vom 14. September 2018

Koordinaten: 51° 28′ 14″ N, 7° 11′ 44″ O