Irreversibel (Film)

französischer Film von Gaspar Noé (2002)
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Irreversibel (Originaltitel: Irréversible) ist ein französischer Film von Gaspar Noé aus dem Jahr 2002.

Film
Titel Irreversibel
Originaltitel Irréversible
Produktionsland Frankreich
Originalsprache Französisch
Erscheinungsjahr 2002
Länge 97 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Gaspar Noé
Drehbuch Gaspar Noé
Produktion Christophe Rossignon
Musik Thomas Bangalter
Kamera Benoît Debie
Schnitt Gaspar Noé
Besetzung

Handlung

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Hinweis: Aufgrund der Vermischung von chronologisch rückwärts und vorwärts zusammenhängenden (linearen) Szenen weicht die Kette von Ereignissen im Film von der hier dargestellten ab.

Die Hauptpersonen sind Alex, ihr derzeitiger Freund Marcus und Alex’ Ex-Freund Pierre. Alex hat erfahren, dass sie schwanger ist, ihren beiden Freunden jedoch noch nicht davon berichtet. Die drei wollen feiern, doch nach einer Auseinandersetzung mit Marcus verlässt Alex die Party. Auf ihrem Heimweg wird sie in einer Fußgängerunterführung von einem Unbekannten angegriffen, der sie anal vergewaltigt und brutal zusammenschlägt. Als Marcus und Pierre später am Ort des Geschehens auftauchen, wo ein Krankenwagen gerade die bis hin zum Koma misshandelte Alex abtransportiert, ermitteln die beiden auf eigene Faust. Nachdem sie den Namen und den Aufenthaltsort des Unbekannten herausbekommen haben (das „Rectum“, einen Nachtclub für Homosexuelle), dringen sie dort ein, um sich an dem Vergewaltiger zu rächen. Es entsteht ein Handgemenge, das darin endet, dass Pierre den vermeintlichen Täter mit einem Feuerlöscher erschlägt, während der tatsächliche Täter die Szene amüsiert beobachtet.

Stilmittel

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Die Filmhandlung läuft in umgekehrter Chronologie ab und beginnt mit dem zuletzt geschilderten Mord am vermeintlichen Vergewaltiger.

Dieses Stilmittel nutzte zuerst Oldřich Lipský in der satirischen Komödie Happy End, einem Vertreter der Tschechoslowakischen Neuen Welle.[2] Populär wurde dieses Erzählprinzip durch das Bühnenstück Betrug von Harold Pinter sowie dessen gleichnamige Filmadaption von David Hugh Jones aus dem Jahr 1983. Weitere Filme, die ihren Plot in einer umgekehrten Chronologie inszenieren, sind Christopher Nolans Thriller Memento (2000) und François Ozons Ehedrama 5×2 – Fünf mal zwei (2004).[3]

Irreversibel beginnt mit dem Abspann, dessen Text rückwärts läuft. Als Eröffnungssequenz sieht man zwei Männer in einen skurrilen Nachtclub für Homosexuelle mit sadomasochistischen Neigungen stürmen. Das Bild ist hektisch und stark verwackelt, so dass man kaum Einzelheiten ausmachen kann. Direkt im Anschluss folgt die Szene, die chronologisch gesehen unmittelbar vor dem Club-Besuch stattgefunden hat – und nach und nach wird die Handlung in Richtung des eigentlichen Anfangs aufgerollt.

Die einzelnen Szenen sind scheinbar ohne Zwischenschnitt gedreht. Zu Beginn symbolisiert die Kameraführung in rastlosen Fahrten und Schwenks den Zorn der Hauptfigur Marcus, der gegenüber dem Vergewaltiger seiner Freundin auf Rache aus ist. Mit fortschreitender (hier eigentlich: rückwärts laufender) Handlung wird die Kamera zusehends ruhiger.

Kritiken

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„[Der Film] erschöpft sich in delirierenden und voyeuristischen Bildern. Jenseits der exzessiv beschriebenen Gewalt bleibt ein Gefühl der Leere zurück.“

epd Film, 9/2003[4]

„Action-Altmeister Samuel Fuller hat einmal gesagt, man müsse mit einem Maschinengewehr von der Leinwand schießen, um das Publikum zu treffen. Noch nie ist diese Forderung von einem Filmemacher so katastrophal fehlinterpretiert worden.“

Andreas Busche: taz[5]

„Anders als beim konventionellen Erzählkino, steht bei „Irreversible“ also vielmehr die Erzählweise im Mittelpunkt. Das Wie hat eine größere Bedeutung als das Was. Eigentliches Thema ist nicht die Geschichte der Protagonisten, es ist die Inversion von Zeit und Dasein, Zerstörung und Leben. Weder die Dialoge, noch die Charaktere sind detailliert gezeichnet. Die sind Abbild des Alltäglichen. Noé zielt mit seinen Darstellungen in erster Linie auf die Sinne des Zuschauers und regt somit unweigerlich zum Nachdenken an. „Irreversibel“ kommt einem tiefen Schlag in die Magengrube des Mainstreamkinos gleich: Radikal, laut und äußerst unbequem…“

Matthias Ball: Filmstarts[6]

„Noés Film ist keineswegs ohne Qualität, sondern dramaturgisch hochinteressant und durchweg brillant gespielt. Zudem gibt er Denkanstöße über Vorherbestimmung, Schicksal und vermeintliche Sicherheit. Und so hätte ‚Irreversibel‘ ohne die haarsträubende Gewalt ein Meisterwerk werden können – vielleicht hätte es ihm dann aber auch an jener Explosivität gemangelt, die eine gesellschaftliche Debatte erst auslöst. Fazit: Ein unbequemer Zwitter aus faszinierender Bildermeditation und unerträglicher Provokation.“

„"Irreversibel" wird als ein Film kolportiert, der von hinten nach vorn abläuft und in dessen Zentrum eine neunminütige Vergewaltigungsszene von selten gesehener Brutalität steht. Diese Wahrnehmung verkürzt den Film auf ungerechte Weise: Tatsächlich handelt es sich sowohl um einen zwar überaus drastischen, aber ernst zunehmenden Kommentar über filmische Dramaturgie als auch um eine durchaus moralisch fundierte Äußerung zur Phänomenologie zwischenmenschlicher Gewalt.“

Reaktion des Publikums

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Bereits die Rache-Szene zu Beginn des Films enthielt vielen Kinobesuchern zu viel explizit gezeigte Gewalt. Bei der Premiere in Cannes verließen einige Kritiker bereits nach kurzer Zeit den Kinosaal.[6]

Außerdem rief die „Kameraachterbahnfahrt“ in der Nachtclub-Szene bei einigen Zuschauern Übelkeit hervor. Auf die extrem lange und realistisch anmutende Sequenz, in der Alex brutal vergewaltigt und bis zur Bewusstlosigkeit misshandelt wird, reagierte das bei der Premiere unvorbereitete Publikum mit fassungsloser Empörung oder Abscheu. Von 2.400 Zuschauern verließen rund 200 das Kino vorzeitig, andere protestierten durch laute Zwischenrufe.[9] Das US-amerikanische Magazin Newsweek verlieh Irreversibel den Titel “most walked-out-of movie of the year”.[10] Anhänger des Films halten entgegen, die Gewaltdarstellung sei elementar für die Geschichte und gebe dem Film erst seine Glaubwürdigkeit.

Der Filmkritiker David Edelstein schrieb 2003, Irreversibel könnte der „homophobste Film aller Zeiten“ sein.[11] Noé beantwortete 2010 in einem Interview eine Frage nach Anschuldigungen der Homophobie mit „Ich bin nicht homophob“ und erklärte, dass die Eröffnungsszene im Rectum darauf beruhe, dass er einen vollständig männlichen Raum zeigen wollte. Er bemerkte weiter, dass er selbst einen Besucher des Rectums darstellt.[12]

Auszeichnungen

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Irreversibel wurde auf dem Stockholm Film Festival mit dem Bronzenen Pferd ausgezeichnet und war 2002 in Cannes im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten.[13]

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Einzelnachweise

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  1. Freigabebescheinigung für Irreversibel. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft, November 2003 (PDF; Prüf­nummer: 94 976 K).
  2. Tom Schünemann: Filmkritik zu Happy End. In: Filmsucht.org. 2. August 2018, abgerufen am 28. März 2024.
  3. Tom Schünemann: Filmkritik zu Irreversibel. In: Filmsucht.org. 17. Februar 2024, abgerufen am 28. März 2024.
  4. epd Film Nr. 9/2003, Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik, Frankfurt a.M., S. 34–35.
  5. Andreas Busche: Irreversibel. Abgerufen am 13. Juli 2008 (bei Filmzentrale).
  6. a b Matthias Ball: Irreversibel. Abgerufen am 13. Juli 2008 (bei Filmstarts).
  7. Irreversibel. In: cinema. Abgerufen am 17. März 2022.
  8. Irreversibel. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 7. Juli 2017.
  9. Filmischer Höllensturz: „Irreversibel“, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom Dienstag, 9. September 2003
  10. Die 25 verstörendsten Filme aller Zeiten, Filmstarts, vom 20. November 2015
  11. David Edelstein: Irreversible: a cinematic rape. In: Slate. 7. März 2003, abgerufen am 1. September 2022 (englisch).
  12. Steve Erickson: 'Enter the Void' Director Gaspar Noe Talks Sex, Drugs and Narrative Cinema. In: Wall Street Journal. 21. September 2010, ISSN 0099-9660 (wsj.com [abgerufen am 1. September 2022]).
  13. Nominierungen und Auszeichnungen in der Internet Movie Database