Die interne Mengenlehre[1] (engl. Internal Set Theory (IST)) ist eine syntaktische Version der Nichtstandard-Analysis, die 1977 von Edward Nelson eingeführt wurde. Anders als im modelltheoretischen Ansatz werden Infinitesimale nicht mit Hilfe einer nicht-archimedischen Körpererweiterung konstruiert, sondern durch eine Erweiterung der Mengenlehre innerhalb der reellen Zahlen definiert.

Sprache und Axiome

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Neben der mengentheoretischen Elementschaft   wird ein Prädikat   (für standard) eingeführt, das im Folgenden durch drei Axiomenschemata beschrieben wird. Formeln, welche   nicht enthalten, heißen interne Formeln; solche, die   enthalten, heißen externe Formeln. Als Abkürzung werden folgende Quantoren definiert:

  •   für   (für alle standard   gilt ...)
  •   für   (es gibt (mindestens) ein standard  , so dass gilt ...)
  •   für   (für alle endlichen Mengen   gilt ...)
  •   für   (es gibt (mindestens) eine endliche Menge  , so dass gilt ...)

Sowie Kombinationen dieser Abkürzungen wie   oder  , deren formale Definition ähnlich angegeben werden kann.

Neben der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre mit Auswahlaxiom (wobei die Axiomenschemata nur solche Formeln verwenden dürfen, in denen   nicht vorkommt) werden drei weitere Axiomenschemata verwendet:

Das Transferaxiom

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Für jede interne Formel   (mit   freien Variablen), in der das Prädikat   nicht vorkommt, gilt:

 

Die Umformulierung

 

zeigt, dass jede Menge, deren Existenz und Eindeutigkeit in der klassischen Theorie bewiesen werden kann, eine Standardmenge ist.

Das Idealisierungsaxiom

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Für jede interne Formel  , in der die Variable   nicht frei ist und das Prädikat   nicht vorkommt, gilt:

 

Das Idealisierungsaxiom liefert zwei wichtige Folgerungen:

  1. Eine Menge ist standard und endlich, genau dann, wenn alle ihre Elemente endlich sind.
  2. Es existiert eine endliche Menge, die alle Standardmengen enthält.

Gerade die zweite Aussage ist gewöhnungsbedürftig: Es existiert eine endliche Menge, die (nach der Folgerung aus dem Transferaxiom) alle in der klassischen Mengenlehre konstruierbaren Mengen enthält. Diese endliche Menge ist allerdings nicht standard, da sie sonst nach dem Transfer-Axiom alle Elemente überhaupt enthält. Allerdings ist auch der Begriff „endlich“ selbst nicht standard, oder wie Nelson selbst sagt: „‚endlich‘ bedeutet nicht das, was wir immer dachten.“[2]

Obwohl diese Definition gewöhnungsbedürftig ist, ist sie der Schlüssel zur Nichtstandard-Analysis: Wir können folgern, dass es reellen Zahlen gibt, die größer als 0, aber kleiner als jede positive Standardzahl sind.

Das Standardisierungsaxiom

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Für jede (interne oder externe) Formel   (in der die Variable   nicht vorkommt), gilt:

 

Das Standardisierungsaxiom erlaubt (als einziges Axiom) die Konstruktion von Mengen mit Hilfe von Formeln, die das Prädikat   verwenden. Allerdings kann eine so konstruierte Menge nicht-standard Elemente enthalten, die   nicht erfüllen.

Beispiele

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Drei klassische Beispiele aus der Infinitesimalrechnung sollen zeigen, wie in der Internal Set Theory verschiedene Vorgehensweisen gerechtfertigt werden können, die ohne die zusätzlichen Axiome nicht formulierbar wären. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen der Nichtstandard-Analysis können solche Argumente ohne eine Körpererweiterung und ohne schwierige logische Vorarbeit formuliert werden.

Eine reelle Zahl   heißt unendlich klein oder Infinitesimalzahl, wenn für jede reelle Standardzahl   gilt:  . In jüngeren Publikationen liest man auch den Begriff i-klein, um den historischen, aber eventuell irreführenden Begriff "unendlich" zu umgehen. Man schreibt noch  , wenn die Differenz   infinitesimal ist.

Stetigkeit

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Mit Hilfe dieser Infinitesimale kann beispielsweise die Stetigkeit charakterisiert werden: Eine Standardfunktion   ist in einem Punkt   genau dann stetig, wenn für alle   gilt:  . Die Funktion ist genau dann stetig, wenn sie in allen Standardpunkten stetig ist und genau dann gleichmäßig stetig, wenn sie in allen Punkten stetig ist.

Im Gegensatz zur „ - -Definition“ (mit Hilfe von Grenzwerten) ist diese Definition etwas anschaulicher: Wenn das Argument nur ein kleines bisschen geändert wird, dann ändert sich auch das Bild nur ein kleines bisschen.

Beispielsweise ist die Funktion   stetig, denn sei   standard und  , so ist

 

Allerdings ist   nicht gleichmäßig stetig, da sie etwa im Punkt   nicht stetig ist:

 

Differentiation

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Die Ableitung einer Funktion ist im Allgemeinen wie üblich definiert. Für Standardfunktionen gibt es allerdings eine äquivalente Formulierung: Die Ableitung einer (reellen) Standardfunktion   ist eine Standardfunktion  , die jedem Standardpunkt   (in dem   differenzierbar ist) eine Standardzahl zuordnet, so dass für alle   gilt:

 

Diese Formulierung kann mit Hilfe des Transfer-Axioms beim Finden der Ableitung helfen. Was ist beispielsweise die Ableitung von  ?

Die Funktion ist standard. Angenommen,   ist irgendeine Standardzahl. Dann gilt für alle  

 

Also ist für alle Standardwerte  , und mit dem Transferaxiom muss das für alle   gelten.

Integration

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Ist   eine Standardmenge,   eine integrierbare Standardfunktion und   eine endliche Menge, die alle Standardzahlen in   enthält, dann ist  , wobei   der Abstand von   zum nächstgrößeren Punkt aus   ist.

Damit lässt sich recht einfach und anschaulich die Substitutionsregel für das Integral herleiten: Soll in dieser Summe   durch   ersetzt werden (wobei   eine geeignete Standardfunktion ist), so muss auch   durch ein geeignetes   ersetzt werden.

Falls aber   differenzierbar, so ist (vgl. Beispiel Differentiation)

 

und dieser Term kann – anders als das formale Objekt   – einfach umgeformt und eingesetzt werden:

 

Und da sowohl  , als auch   Standardfunktionen sind, müssen die Integrale gleich sein.

Edward Nelson: Internal Set Theory: A new approach to Nonstandard Analysis. In: Bulletin of the AMS. 83. Jahrgang, Nr. 6, November 1977, S. 1165–1198 (princeton.edu [PDF]).

Einzelnachweise

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  1. Interne Mengenlehre. In: Guido Walz (Hrsg.): Lexikon der Mathematik. 1. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Mannheim/Heidelberg 2000, ISBN 3-8274-0439-8.
  2. „Perhaps it is fair to say that ‚finite‘ does not mean what we have always thought it to mean.“ In: E.Nelson, Internal Set Theory, Ch. 1, S. 9 (Der Text kann hier [1] heruntergeladen werden.).