Die Hurenbewegung ist eine soziale Bewegung von Prostituierten, die auch den Begriff der Sexarbeit prägte. Sie werden vom zeitgenössischen sexpositiven Feminismus teilweise darin unterstützt. Seit den 1970er-Jahren benannten sich politisch aktive Sexarbeiterinnen in den USA und später in anderen Ländern mit dem englischen „whores“ und nahmen das ursprünglich abwertend konnotierte Wort selbstbewusst an. Deutsche Prostituierte, die sich politisch organisierten, bezeichneten sich mit dem deutschen Pendant „Hure“.[1]

Französische Hurenaktivistin, 2005

Deutschland

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Seit den 1980er Jahren begannen sich in Westdeutschland Prostituierte in einer Hurenbewegung zusammen zu organisieren.[2] Zwar waren einige Sexarbeiterinnen zuvor bereits politisch aktiv und setzten sich für ihre Rechte ein, doch eine kontinuierliche Zusammenarbeit begann erst mit der Gründung der ersten Selbsthilfeprojekte Hydra in West-Berlin (seit 1980) und Huren wehren sich gemeinsam (HWG) in Frankfurt, seit 1984.[1] Im Oktober 1985 veranstalteten Hydra und HWG den ersten nationalen Hurenkongress, der alle 6 Monate stattfand und später in Fachtagung Prostitution umbenannt wurde.[3] Andere Projekte sind Kassandra in Nürnberg, Kober in Dortmund, Madonna in Bochum, Sperrgebiet in Hamburg, Nitribitt in Bremen, Tamara in Frankfurt und Amnesty for Women. Es gab weitere Gruppen, die sich wieder aufgelöst haben, wie Rotstift in Stuttgart, Cinderella in Düsseldorf und Straps & Grips in Münster.[1] Gewerkschaftlich vertreten werden Prostituierte vom ver.di Fachbereich 13 („besondere Dienstleistungen“).[4]

Die politischen Forderungen der Hurenbewegung wurden 1985 in einem 22 Punkte umfassenden Forderungskatalog zusammen getragen. Darunter: 1. Gleichberechtigung für Prostituierte; 4. Recht auf sexuelle Selbstbestimmung; 6. Anerkennung der Prostitution als Dienstleistung; 22. Steuerfreiheit für Prostituierte, solange ihre Bürgerrechte beschnitten sind.[1]

Im Oktober 2013 wurde in Deutschland der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD e.V.) von Sexarbeitern[5] gegründet. Am 29. Oktober 2013 veröffentlichte der Verband den Appell für Prostitution für die Stärkung der Rechte und für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Sexarbeit.[6] Der BesD e.V. hat nach Eigenangabe eine dreistellige Mitgliederzahl.

Aktuell kritisiert die Hurenbewegung das am 1. Juli 2017 in Kraft getretene Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG).[7][8]

Vereinigte Staaten

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Die von Margo St. James gegründete Prostituiertenorganisation Call Off Your Old Tired Ethics (COYOTE)[9] postulierte 1973 in den Vereinigten Staaten:[10]

„A woman has a right to sell sexual services just as much as she has the right to sell her brains to a law firm or sell creative work to a museum…“

Zu den weiteren amerikanischen Organisationen zählen Sex Workers' Action Coalition (SWAC), North American Task Force on Prostitution (NTFP) in New York, Prostitutes of New York (PONY) in New York, sowie Hooking Is Real Employment (HIRE) in Atlanta.

Carol Leigh, Vorsitzende des Netzwerks Bay Area Sex Worker Advocacy Network (BAYSWAN)[11] in San Francisco, prägte 1978 den Begriff Sexworker, deutsch Sexarbeiter. Sie gründete das San Francisco Sex Worker Film and Video Festival.[12]

2003 wurde von Annie Sprinkle, Aktivistin des Sex Workers Outreach Project USA, der Internationale Tag gegen Gewalt gegen SexarbeiterInnen ausgerufen.

Weitere Länder

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In Frankreich besteht das Syndicat du travail sexuel (STRASS), hier ist der Ursprung der organisierten Hurenbewegung in Europa zu verorten. Am 2. Juni 1975 besetzten 150 Frauen die Kirche Saint-Nizier in Lyon, um damit öffentlich auf die Repression durch staatliche Institutionen aufmerksam zu machen.[13] In England das English Collective of Prostitutes, in Irland das Sex Workers Alliance Ireland (SWAI),[14] in Australien die Scarlet Alliance.

Internationale Zusammenschlüsse

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Seit den 1970er Jahren thematisierten feministische Aktivistinnen die Frage nach den Menschenrechten im Kontext freiwilliger und unfreiwilliger Prostitution. Dabei gab es eine transnationale Diskussion darüber, ob Prostitution per se als Menschenrechtsverletzung gesehen werden oder ob man sich für die Menschenrechte von Prostituierten einsetzen müsste. Ebenfalls seit den 1970er Jahren ergriffen Prostituierte zunehmend selbst das Wort und stellten politische Forderungen rund um ihren rechtlichen und gesellschaftlichen Status. Während des ersten Welthurenkongresses in Amsterdam im Jahre 1985 gründete sich das International Committee of Prostitutes’ Rights (ICPR). Das ICPR stellte 1986 anlässlich des Zweiten Hurenkongresses im Europäischen Parlament in Brüssel die Erklärung über Prostitution und Menschenrechte vor. Diese erwehrt sich gegen die Vorstellung von Prostitution als Entwürdigung von Frauen und gesellschaftliche Gefahr. Es wird gefordert, Prostitution als legitime Arbeit und Prostituierte als legitime Bürger aufzufassen. In dreizehn Punkten führt die Erklärung Menschenrechtsverletzungen auf, die Prostituierten aufgrund der jeweiligen Rechtsordnungen widerfahren. Die Erklärung formuliert auch menschenrechtsbasierte Ansprüche von Prostituierten gegenüber dem Staat, wie zum Beispiel das Recht auf Leben, Sicherheit und Familie.[15] Bald nach dem Zweiten Welthurenkongress verabschiedete das ICPR zudem die World Charter for Prostitutes' Rights.[16]

Die Vereinigung International Union of Sex Workers (IUSW) versteht sich als weltweiter Zusammenschluss. in Europa etablierte sich das Netzwerk TAMPEP, auch European Network for HIV/STI Prevention and Health Promotion among Migrant Sex Workers genennt.

Literatur

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  • Pieke Biermann: „Wir sind Frauen wie andere auch!“. Prostituierte und ihre Kämpfe, erw. u. überarb. Neuaufl., Hamburg 2014.
  • Die Grünen im Bundestag, Arbeitskreis Frauenpolitik (Hrsg.): Beruf: Hure. Dokumentation der „Anhurung“ vom 5. März 1990 in Bonn, Bonn 1991.
  • Sonja Dolinsek: Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels (1949) und Erklärung über Prostitution und Menschenrechte (1986), in: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte, herausgegeben vom Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, September 2016, abgerufen am 11. Januar 2017.
  • Mareen Heying: Huren in Bewegung: Kämpfe von Sexarbeiterinnen in Deutschland und Italien, 1980 bis 2001. Essen 2019, ISBN 978-3-8375-2071-2.
  • Mareen Heying: Nachtexpress. Eine Zeitschrift als Spiegel und Sprachrohr der deutschen Hurenbewegung, in: Frank Jacob (Hg.): Prostitution: Eine Begleiterin der Menschheit/Prostitution: a Companion of Mankind, Frankfurt a. M. u. a. 2016, S. 337–354.
  • Irene Hübner/Maggie Roper (Hrsg.): Protest im Spitzenhöschen. Huren wehren sich. Von der klassischen Hetäre zum postmodernen Bodygirl, Frankfurt am Main 1988.
  • Mirjam Schnorr: Die „Hurenbewegung“. Zum (medialen) Kampf von Frauen in der Prostitution um Rechte und Anerkennung in der Bundesrepublik Deutschland seit 1975, in: Menschenrecht als Nachricht. Medien, Öffentlichkeit und Moral seit dem 19. Jahrhundert, hg. von Birgit Hofmann, Frankfurt am Main/New York 2020, S. 307–345.
  • Almuth Waldenberger: ... wie andere auch! Geschichte und Debatten der Hurenbewegung in Deutschland und Österreich von den 1970er Jahren bis 2011. Wien, 2012 [1]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. a b c d Mareen Heying: Huren in Bewegung Kämpfe von Sexarbeiterinnen in Deutschland und Italien, 1980 bis 2001. 1. Auflage. Essen 2019, ISBN 978-3-8375-2071-2.
  2. Mareen Heying: Die Hurenbewegung als Teil der Zweiten Frauenbewegung. Abgerufen am 2. Juni 2021.
  3. Stichtag 27. Oktober 2010 - Vor 25 Jahren: 1. nationaler Hurenkongress in Berlin, auf wdr.de
  4. Die Hurenprojekte, die Millionen & der Vater Staat Emma vom 14. August 2014
  5. Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen von Sexarbeitern (BESD)
  6. Appell FÜR Prostitution. Pressemitteilung vom 29. Oktober 2013 (online)
  7. Berliner Morgenpost - Berlin: Prostituierte wehren sich gegen neues Schutzgesetz. 28. Februar 2016, abgerufen am 30. August 2023 (deutsch).
  8. Neues Prostitutionsgesetz tritt in Kraft: Warum Prostituierte ein Gesetz ablehnen, das sie schützen soll. In: Der Tagesspiegel Online. ISSN 1865-2263 (tagesspiegel.de [abgerufen am 30. August 2023]).
  9. Call Off Your Old Tired Ethics, auf walnet.org
  10. Journal Article From Sex as Sin to Sex as Work: COYOTE and the Reorganization of Prostitution as a Social Problem, auf jstor.org
  11. Welcome to the World of Scarlot Harlot
  12. Scarlot Harlot Video Festival
  13. Aufstand der Huren – magazin.hiv. In: magazin.hiv. 2. Juni 2015 (magazin.hiv [abgerufen am 10. Juli 2018]).
  14. Sex Workers Alliance Ireland (SWAI)
  15. Sonja Dolinsek: Konvention zur Unterbindung des Menschenhandels (1949) und Erklärung über Prostitution und Menschenrechte (1986). In: Quellen zur Geschichte der Menschenrechte. Arbeitskreis Menschenrechte im 20. Jahrhundert, September 2016, abgerufen am 6. Juni 2020.
  16. World Charter For Prostitutes' Rights